Lockdown in der Pandemie Gastronomie befürchtet viele Pleiten

Wesel · Gastronome und Hoteliers aus der Region befürchten eine Pleitewelle, wenn die Politik in der Corona-Krise im Mai keine Lockerungen durchsetzt. FDP-Bundestagsabgeordneter Bernd Reuther will sich für die Branche einsetzen.

Viele Gastronomen hoffen inständig darauf, dass sie wenigstens draußen bald wieder Gäste bewirten können. Beim Café Extrablatt in Wesel wird schon mal alles für den Tag X gesäubert.

Viele Gastronomen hoffen inständig darauf, dass sie wenigstens draußen bald wieder Gäste bewirten können. Beim Café Extrablatt in Wesel wird schon mal alles für den Tag X gesäubert.

Foto: Klaus Nikolei

Der Weseler FDP-Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther hofft inständig, dass am Donnerstag bei den Gesprächen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten das Thema Hotellerie- und Gastronomie auf die Tagesordnung kommt. „Dieser und allen anderen Branchen muss jetzt dringend ein Zeitplan vorgegeben werden, wann die Betriebe unter Einhaltung der nötigen Hygienevorschriften wieder schrittweise öffnen können“, so Reuther. Sollte es am Donnerstag allerdings heißen, dass Restaurants und Gaststätten geschlossen bleiben müssten, Hotels- und Pensionen weiterhin keine Individualreisenden beherbergen dürften, „dann haben wir in Deutschland die ersten Pleiten“. Das erklärte Reuther am Montag bei einem Besuch des Weseler Restaurants Lippeschlößchen.

Inhaber Ullrich Langhoff, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein, hatte zu dem Gespräch den Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein, Thomas Kolaric, den Dinslakener Hotelier Hans Jürgen Rüffert (Art Inn Hotel) und den Weseler Marc Borcherding (Hotel-Restaurant Hohe Mark) eingeladen. Alle machten Reuther mehrfach deutlich, wie sehr die Branche unter den seit März bestehenden, flächendeckenden Einschränkungen zu leiden habe und die Einkünfte fast aller bei Null lägen. Auch das Angebot, Speisen außer Haus zu verkaufen, würde an der Situation kaum etwas ändern. Und auf beantragte Hilfsgelder würden viele seit Wochen vergeblich warten.

„Wenn sich in den nächsten 35 Tagen nichts tut, sind wir weg vom Fenster“, befürchtet Hans Jürgen Rüffert. Für ihn ist nicht nachvollziehbar, warum sich beispielsweise in Baumärkten, in Einkaufszentren mit mehreren kleinen Geschäften und in den Fußgängerzonen die Kunden knubbeln würden, in seinem Hotel bislang aber nur Geschäftsreisende übernachten dürften. „Das ist doch alles nicht durchdacht. Da werden Existenzen vernichtet“, ist er überzeugt. Marc Borcherding ist der gleichen Meinung. Er sagt: „Ich habe so viele Gasträume und Terrassen, dass ich täglich 50 Gäste bewirten könnte, wo keiner den anderen sieht.“ Und Ullrich Langhoff ist überzeugt: „Wir sind auf alle Hygienevorschriften vorbereitet, könnten unsere Terrassen sofort öffnen.“ Wichtig seien jetzt klare Vorgaben, was genau gefordert sei. Doch das sage einem derzeit niemand.

„Es geht mittlerweile ums Eingemachte. Das verstehen die Politiker offensichtlich nicht“, macht auch Thomas Kolaric seinem Ärger Luft. Er zitiert unter anderem den Dehoga-Bundesverband, wonach 30 Prozent der Betriebe schließen müssten, wenn sich nicht schnell etwas tue. „30 Prozent wären 70.000 Betriebe bundesweit. Dann wären mit einem Schlag auch 800.000 Jobs weg“, rechnet Kolaric vor.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther (r.) hört sich die Klagen von den Gastronomie-Vertretern Hans Jürgen Rüffert, Marc Bocherding, Ullrich Langhoff und Thomas Kolaric (v.l.) an.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther (r.) hört sich die Klagen von den Gastronomie-Vertretern Hans Jürgen Rüffert, Marc Bocherding, Ullrich Langhoff und Thomas Kolaric (v.l.) an.

Foto: Klaus Nikolei/klaus Nikolei

Dass die Bundesregierung die Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent gesenkt hat, empfindet er als schlechten Witz: „Die Leute kommen nicht. Und sieben Prozent von nichts ist nichts. Außerdem gelten die sieben Prozent nicht für Getränke.“

Finanzielle Hilfen für die Branche sind aus seiner Sicht dringend nötig. „Entweder man unterstützt die Betriebe jetzt oder man muss das Geld hinterher den Arbeitslosen geben – die Milliarden sind so und so weg“, sagt Kolaric. Er kritisiert außerdem fehlende Informationen des Landes, welchen Betriebe man unterstützen wolle und welche nicht. „Nur so können wir planen. Aber da kommt gar nichts.“ Und nicht zuletzt beklagt Kolaric, dass „keine Prognose der Experten eingetroffen ist. Meine Frau arbeitet im Krankenhaus und hat jetzt freie Schichten, weil der prognostizierte Ansturm der Patienten einfach nicht kommt.“

Reuther hat den Vertretern der Hotellerie- und Gastronomie im Lippeschlößchen zugesagt, weiterhin das Gespräch mit den Partei­freunden in Düsseldorf zu suchen, die zusammen mit der CDU das Land regieren. „Dass die Außengastronomie im Mai wieder öffnen kann, ist ein ganz wichtiger Punkt. Es kann ja kein Problem sein, wenn, wie in Supermärkten, in der Gastronomie hinter Acrylglas bezahlt wird. Es muss ein klares Hygienekonzept her.“ In dieser Woche besucht der FDP-Politiker noch das Welcome-Hotel und die Kreishandwerkerschaft (beide in Wesel) sowie den Dingdener Textilproduzenten Setex, der, wie berichtet, in einem polnischen Werk Mundschutzmasken produziert.

Corona: Gastronomie in Wesel hofft auf Lockerung der Einschränkungen
Foto: grafik

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