Ein Blick in die Chronik des Vereins Als die Blumenkamper Schützen noch mit Kartoffeln bezahlten

Blumenkamp · Wegen der Corona-Pandemie muss das traditionelle Schützenfest und die Feier zum 100-jährigen Bestehen abgesagt werden. Das Jubiläum soll 2022 deshalb umso größer gefeiert werden. Was der Verein seit der Gründung im Jahr 1921 alles erlebt hat.

Im Gründungsjahr 1921 regierte Wilhelm van der Velden zusammen mit Emilie Freiin von Gillhaußen (Mitte) die Schützen aus Blumenkamp.

Im Gründungsjahr 1921 regierte Wilhelm van der Velden zusammen mit Emilie Freiin von Gillhaußen (Mitte) die Schützen aus Blumenkamp.

Foto: Klaus Nikolei

Was tun, wenn wegen der Pandemie ein Großereignis nicht stattfinden kann? Man verschiebt es einfach um ein Jahr. So jedenfalls hat es die UEFA mit der jüngst zu Ende gegangenen Fußball-Europameisterschaft gemacht, die ihren Namen Euro 2020 behalten hatte, obwohl sie, genau genommen, natürlich Euro 2021 hätte heißen müssen.

Der Schützenverein Blumenkamp hätte eigentlich bei seinem traditionellen Fest am letzten Wochenende im Juli ein rundes Jubiläum feiern wollen. Denn am 6. Juni 1921 wurde der Verein aus der Taufe gehoben. Doch weil wegen Corona das Schützenfest nicht stattfinden kann, wird auch das 100-jährige Bestehen nicht gefeiert. Jedenfalls nicht 2021. „Wir verschieben die Jubiläumsfeier einfach ins nächste Jahr – so jedenfalls ist es geplant. Ich denke, dann wird unter dem Motto ,100+1’ umso doller gefeiert“, sagt Schriftführer Holger Arndt, der viele Jahre in Blumenkamp gelebt hat und mittlerweile in der Feldmark heimisch geworden ist. Schließlich seien die Menschen durch die Pandemie „hungrig auf solche Veranstaltungen“, sagt das Vorstandsmitglied.

 Alte und junge Mitglieder des Schützenvereins binden gemeinsam die Kränze fürs Schützenfest. Das ist in Blumenkamp Tradition.

Alte und junge Mitglieder des Schützenvereins binden gemeinsam die Kränze fürs Schützenfest. Das ist in Blumenkamp Tradition.

Foto: Klaus Nikolei

Das 59-jährige Kaufmännische Angestellte kennt sich bestens aus in dem aktuell 340 Mitglieder starken Schützenverein, dem er selbst erst seit 2004 angehört und dessen Feste am Samstagabend im Zelt am Kormoranweg legendär sind. Wer dort – vor Corona – schon mal mit mehr als 1200 Menschen gefeiert hat, kann das sicherlich bestätigen.

„Freunde von mir, mit denen ich zuvor schon immer in Blumenkamp gefeiert hatte, haben mich irgendwann dann doch überredet, den Mitgliedsantrag auszufüllen“, erzählt Holger Arndt. Bereut hat er diesen Schritt nie. Im Gegenteil. „Ich ärgere mich im Nachhinein, dass ich das nicht schon viel früher gemacht habe. Ich hätte nie gedacht, wie groß die Kameradschaft und die Hilfsbereitschaft unter den Schützen ist. Das ist der Wahnsinn.“

 Der Thron von 1950. Fünf Jahre nach Ende des Krieges regierten Maria Hansen und Fritz Majert (untere Reihe, Mitte) die Schützen in Blumenkamp.

Der Thron von 1950. Fünf Jahre nach Ende des Krieges regierten Maria Hansen und Fritz Majert (untere Reihe, Mitte) die Schützen in Blumenkamp.

Foto: Klaus Nikolei

Und mittlerweile, so sagt er, sei auch das Verhältnis zwischen den einzelnen Schützenvereinen in der Stadt ein ganz anderes geworden. „Das ist ein wunderbares Zusammengehörigkeitsgefühl geworden. Man grüßt sich freundlich in der Stadt und bekommt Hilfe, wenn man sie braucht“, hält er ein flammendes Plädoyer für das Schützenwesen.

Die Geselligkeit und die Kameradschaft zu pflegen und zu fördern, gehörte schon vor 100 Jahren zu den Zielen der Gründungsväter. Von Anfang an erfreute sich der Verein eines großen Zuspruchs bei den Blumenkamper Familien. In der Chronik ist bereits im ersten Jahr eine Mitgliederzahl von 132 vermerkt. So wie heute wurden auch Neuhinzugezogene schnell integriert, so dass sie schnell heimisch werden konnten.

 Hans Becker wählte 1964 Hanneliese Kolkmann zu seiner Königin.

Hans Becker wählte 1964 Hanneliese Kolkmann zu seiner Königin.

Foto: Klaus Nikolei

Die ersten Jahre nach der Gründung waren geprägt von der hohen Inflation im Lande. Geld war so gut wie nichts wert. Mitgliedsbeiträge wurden in Naturalien wie Kartoffeln erhoben. Nur durch die hohe Spendenbereitschaft der Mitglieder konnte das Vereinsleben aufrechterhalten werden. Ein wichtiges Datum in der 100-jährigen Geschichte ist der 1. März 1924. Damals, knapp drei Jahre nach der Gründung, wurde das erste Winterfest gefeiert. Die Feier, bei der gestifteter Kaffee, Kuchen und 200 Liter Bier verköstigt wurden, war vor allem für Frauen gedacht. Ihnen wollte der Vorstand danken. Waren sie es doch, die Papierrosen zum Schmücken des Festzeltes, der Wagen und Girlanden hergestellt hatten und an den Schützenfesttagen „ganz besonders für das Durchstehvermögen der Männer gesorgt haben“, wie es in der Chronik heißt.

1929 wurde der „alte“ Schützenplatz gekauft. Er lag zwischen den Anwesen Schützenstraße 17 und 20. Hier wurde erstmals 1931 das Schützenfest gefeiert, zwei Jahre später der neue, in Eigenregie errichtete Schießstand eingeweiht und für Wettkämpfe freigegeben.

Mit der Bundeswehr aus der nahen Schill-Kaserne verbindet die Schützen eine lange Freundschaft. Soldaten sind auf dem Schützenfest gern gesehene Gäste.

Mit der Bundeswehr aus der nahen Schill-Kaserne verbindet die Schützen eine lange Freundschaft. Soldaten sind auf dem Schützenfest gern gesehene Gäste.

Foto: Klaus Nikolei

Der Ablauf des Schützenfestes hat sich im Großen und Ganzen nicht verändert. Angefangen beim Umzug am Samstag, der früher als abendlicher Fackelzug stattfand, über das Preisschießen, das Königsschießen bis hin zum Kinderschützenfest. Der Auftakt des Festes und seine Höhepunkte werden durch Böllerschüsse angekündigt. In den vergangenen 100 Jahren fiel das Schützenfest nur während der Kriegsjahre 1940 bis 1945 sowie in den Nachkriegsjahren 1946 bis 1948 aus. Und natürlich während der Corona-Pandemie 2020 und 2021.

Am 5. März 1949 wurde der Verein neu gegründet. Denn nach Kriegsende galten alle Vereine als aufgelöst. Im Sommer fand dann in Blumenkamp endlich wieder ein Schützenfest statt. Die Mitgliederzahl betrug damals 153. Das Preis- und Königsschießen musste damals übrigens mit der Armbrust durchgeführt werden. In den Wirtschaftswunderjahren blühte auch das Schützenwesen wieder auf. 1964 wurde erstmals das Kinderschützenfest gefeiert.

Das amtierende Blumenkamper Königspaar heißt Birte Baumeister und Tobias Geerißen.

Das amtierende Blumenkamper Königspaar heißt Birte Baumeister und Tobias Geerißen.

Foto: Klaus Nikolei

Der Bauboom in den 60er-Jahren sorgte dafür, dass der alte Schützenplatz zum Baugebiet wurde. Im Tausch erhielt der Verein von der Gemeinde Hamminkeln, zu der Blumenkamp bis 1975 gehörte, einen neuen Platz neben dem damaligen Haus Eder. Seitdem steht das Festzelt nur wenige Meter neben dem Platz, auf dem es schon in den 1920er-Jahren gestanden hatte. Seit 1968 wird das Fest also auf dem neuen Platz am Kormoranweg gefeiert, nachdem die Preisträger und der König ermittelt sind.

Anders als in den meisten Schützenvereinen legen die Königsanwärter – meist sind es drei oder vier – auf einen vollständig neuen Vogel an. „Nachdem beim ersten Vogel die Preise abgeschossen sind, wird der Rumpf als Ehrenpreis vergeben“, erklärt Schriftführer Arndt. Beim zweiten, von Schreiner Niko Klemm handgemachten Königsvogel, wird ausschließlich auf die Brust des Adlers gezielt. „Der neue König soll den oft nur leicht beschädigten Vogel dann auch mit nach Hause nehmen können.“

 Schreiner Nico Klemm baut für jedes Schützenfest zwei identische Vögel.

Schreiner Nico Klemm baut für jedes Schützenfest zwei identische Vögel.

Foto: Klaus Nikolei

Holger Arndt selbst hat zwar schon mal auf den Vogel angelegt, doch König war er bislang noch nicht. Dafür aber schon mehrmals Mitglied des Throns. Wobei er, da ist der Schriftführer ganz ehrlich, am liebsten „mit dem ganz ,normalen’ Schützenvolk, mit Alt und Jung im Festzelt und nicht auf der Bühne feiert.“ Wer das schon mal erlebt hat, kann Holger Arndt eigentlich nur zustimmen.

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