Wesel Bescherung!

Wesel · Die Evangelische Kirchengemeinde hat gut 500 Weihnachtstüten in der Notunterkunft an der Trappstraße verteilt.

Wesel: Bescherung!
Foto: Malz, Ekkehart (ema)

Was Weihnachten ist und was dort genau gefeiert wird, das wissen die meisten der Flüchtlingskinder in der Notunterkunft an der Trappstraße, die da mit ihren Geschwistern, Müttern oder Vätern in der langen Schlange vor der alten Werkshalle stehen, nicht. Aber sie spüren, dass etwas Besonderes in der Luft liegt.

 Gleich, Kinder, wird's was geben.

Gleich, Kinder, wird's was geben.

Foto: Ekkehart Malz

Auf dem großen Tisch in der Halle stehen sie zu Hunderten: hellbraune Papiertüten, prall gefüllt mit Schokolade, Mandarinen, Keksen und zum Teil auch mit Buntstiften. Gepackt wurden sie von 24 engagierten Frauen und Mädchen der Evangelischen Kirchengemeinde und einem Herren. Das Geld für den Wareneinkauf, gut 5000 Euro, hat ein Spender, der nicht genannt werden möchte, der Kirchengemeinde zur Verfügung gestellt.

Die Spannung wächst. Die Leute vom Sicherheitsdienst passen auf, dass sich niemand vordrängelt. Dann gibt Pfarrer Albrecht Holthuis, der zuvor die Menschen eingeladen ("We have gifts vor you - Christmas-Bags" - "Wir haben Geschenke für Euch - Weihnachtstüten") ein Zeichen. Ein Junge mit dunklem Wuschelkopf, schätzungsweise elf, zwölf Jahre alt, ist der erste, der eine der Weihnachtstüten bekommt. Er strahlt. "Danke", sagt er. Auch viele andere, die nach ihm eine Tüte mit den süßen Leckereien aus den Händen der Helferinnen erhält, sagten "Danke", "Thank you" oder nicken einfach nur dankbar und freundlich.

Beobachter der Szene ist Shabani Shahin (16). Der Schüler des Berufskollegs in der Feldmark sitzt nach einem kleinen Unfall vorübergehend im Rollstuhl. Hin und wieder wird der junge Mann mit Deutschen-Roten-Kreuz-Ausweis von allem von Männern angesprochen. Als Sohn eines aus dem Iran stammenden Ehepaars, spricht der in Deutschland geborene Shabani Farsi. "Diese persische Sprache verstehen sowohl die Syrer, als auch die Afghanen." Bis vor Kurzem hat er in der Notunterkunft ein Schulpraktikum absolviert. Jetzt ist er als ehrenamtlich Tätiger hier, um zu übersetzen. "Die Leute hier sind zum allergrößten Teil sehr nett und sehr dankbar für die Hilfe. Aber natürlich gibt es hier auch den einen oder anderen, der jammert und sich irgendwie mehr erhofft hat. Aber das sind wirklich nur Ausnahmen", sagt der Schüler, der wegen seines Bartes leicht älter geschätzt wird.

Nach gut 15 Minuten ist der große Ansturm auf die 500 Weihnachtstüten vorbei. Nur vereinzelt kommen ein paar Nachzügler und freuen sich über die Gaben.

"Das war super", freut sich Organisator Albrecht Holthuis. Eigentlich habe er mit den 5000 gespendeten Euro etwas anderes vorgehabt. Doch weil das nicht funktionierte, kam er auf die Idee, die Flüchtlinge in der Notunterkunft zu beschenken. "Es soll nur eine Geste sein. Die Menschen sollen merken, dass sich hier nicht nur Mitarbeiter von Behörden um sie kümmern, sondern auch die Bevölkerung. Und die Helfer kommen in Kontakt mit den Flüchtlingen. Für alle also eine Win-Win-Situation."

Ja, zu den "Gewinnern" der Aktion zählen neben den Beschenkten auch die fleißigen Ehrenamtlerinnen um Helga Benninghoff. Die leitet in der Lauerhaaskirche einen Kreativkursus und hat bei einem der letzten Treffen in die Runde gefragt, wer denn gerne mitmachen wolle. "Da gingen ganz viele Finger hoch", sagt sie. Auch der rechte Zeigefinger von Marga Cechlovsky. "Ich bin selbst Flüchtling", sagt das mit 87 älteste Mitglied der Truppe. Kurz vor dem Mauerbau sei sie aus Dresden in den Westen geflohen und über Bremen nach Wesel gekommen. "Ich fand die Sache hier prima. Es ist schön, in so viele dankbare Augen zu schauen." So empfindet auch Mendy-Celine Ostwald, mit 15 die jüngste Aktive. Als Konfirmationshelferin in der Lauerhaas-Gemeinde hat sich durch Pfarrer Holthuis von der Aktion erfahren und sich spontan bereit erklärt, Tüten zu packen. "Es ist schön, wenn man sieht, wie sich die Kinder freuen. Das macht mich glücklich."

Von den 650 gepackten Tüten sind noch gut 150 übrig. Einige werden in der Flüchtlingsunterkunft an der Fluthgrafstraße in der Innenstadt verteilt, einige für die noch erwarteten Neuankömmlinge an der Trappstraße aufbewahrt. Doch was ist, wenn nicht für jeden eine Tüte übrig ist? "Dann müssen einige eben ihre Tüte mit den anderen teilen", sagt Helga Benninghoff. Dass das klappen wird, davon ist sie überzeugt.

(RP)
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