Serie Politiker berichten Der Alltag eines Abgeordneten in Berlin

Kreis Wesel · Wie sieht der Alltag der Parlamentarier im Bundestag und im Landtag aus? Wir haben drei Politiker aus dem Kreis Wesel um Protokolle gebeten. In der zweiten Folge berichtet der Weseler Bernd Reuther (FDP) aus der Bundeshauptstadt.

Der Weseler Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther vor dem Reichstag.

Der Weseler Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther vor dem Reichstag.

Foto: Maike Maier

Wir wollten von den örtlichen Abgeordneten im Kreis Wesel wissen, wie sich ihr Alltag gestaltet, wie sie arbeiten, was sie umtreibt. Charlotte Quik, Sabine Weiss (beide CDU) und Bernd Reuther (FDP) schrieben uns aus ihrer Perspektive einen Tagesablauf auf. Natürlich haben auch Abgeordnete einmal ruhigere Tage – insofern muss der gewählte Tag nicht zwingend repräsentativ sein. In dieser Folge erzählt Bernd Reuther von einem bewegten Arbeitstag, der nicht lange zurückliegt.

Im politischen Berlin beginnen die Tage früh. In Sitzungswochen gibt es zahlreiche Veranstaltungen zu fachpolitischen Themen, bei denen es mir wichtig ist, mich einzubringen und neuen Input zu erhalten. Meine Themengebiete als Mitglied im Verkehrsausschuss sind Luftverkehr, See- und Binnenschifffahrt. Also alles, was schwimmt und fliegt. Daher setze ich mich häufig zu Beginn des Tages bereits mit Fragen der Wasserstraßeninfrastruktur oder klimafreundlichem Fliegen auseinander.

Daran anschließend geht es für mich normalerweise zu den parteiinternen Gremien. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verkehr koordiniere ich die parlamentarischen Initiativen von uns FDP-Verkehrspolitikern, die anschließend von der gesamten Fraktion beschlossen werden. Diese Woche ist es allerdings anders, weil der Bundeshaushalt für das Jahr 2020 verabschiedet wird. Deswegen fahre ich direkt ins Büro, um Organisatorisches zu besprechen. Das kommt aufgrund des engen Terminkalenders häufig zu kurz. Weitere Abstimmungen zu Anfragen, Anträgen oder auch Terminkoordinationen finden dann auf dem Weg zu Sitzungen und anderen Terminen statt. Dank Smartphone ist das heute kein großes Problem mehr. Wie bei anderen Berufen auch, ist die Kehrseite eine regelmäßige Ablenkung.

Neben den fachlichen Themen im Verkehrsausschuss kümmere ich mich natürlich auch um Anliegen aus meinem Wahlkreis. Deswegen habe ich mich in dieser Woche zum Beispiel mit Vertretern des Unternehmens K + S getroffen, die das Salzbergwerk in Rheinberg-Borth betreiben. Bei dem Gespräch haben wir über den Abtransport von Salz und Bergschäden gesprochen. Besonders von Letzterem sind die Menschen in Alpen und Wesel-Büderich betroffen.

Nach dem Gespräch geht es schnell rüber in den Plenarsaal zu den Kollegen. Von meinem Büro an der Dorotheenstraße sind es fünf Gehminuten ins Reichstagsgebäude. Kurz frische Luft schnappen und weiter geht es. In der Bundestagsdebatte geht es um den Etat des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Mein Kollege Gero Hocker betont in seinem Redebeitrag, dass Landwirte mehr Respekt verdienen und nicht durch unnötig hohe Standards vom Markt gedrängt werden dürfen. Deutschland hat es sich nämlich zur Gewohnheit gemacht, die Standards der EU weiter anzuheben. Das schadet den Landwirten, die sich im europäischen Wettbewerb befinden.

Von der Debatte im Plenarsaal geht es direkt zu der Demo am Brandenburger Tor. Zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik demonstrieren tausende Landwirte mit ihren Traktoren gegen die Politik der Bundesregierung. Das nehmen meine Kollegen und ich zum Anlass, uns in die Proteste einzureihen. Auf der Bühne kritisiert Christian Lindner die Politik von Ministerin Julia Klöckner und bekräftigt seine Unterstützung für die Landwirte. Um auch den Leuten in meinem Wahlkreis einen Eindruck von meiner Arbeit zu vermitteln, mache ich natürlich Fotos für Facebook, Instagram und Twitter und lade sie hoch. Social Media sehe ich für meine Arbeit als eine Bereicherung. Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger nehmen direkt Kontakt mit mir auf und ich erhalte umgehend eine Reaktionen auf mein politisches Tun.

Im Anschluss an die Kundgebung muss ich zurück in den Plenarsaal des Bundestages. Dort wird der Einzelplan des Verkehrsministeriums diskutiert. Minister Scheuer kann in seiner Rede nicht über seine sich häufenden Fehltritte hinwegtäuschen: Maut-Desaster, fehlende Investitionen in Digitalisierung und E-Mobilität. Das alles lässt den anfangs positiven Eindruck des Ministers verblassen. Der Untersuchungsausschuss wird den Abstieg des Ministers vielleicht noch weiter beschleunigen.

Sitzungen bis in den Morgen sind normalerweise keine Seltenheit. Doch an diesem Tag habe ich noch Zeit, einige Veranstaltungen zu besuchen. Zuerst geht es in die Parlamentarische Gesellschaft. Diese ist Teil des Bundestages und dient den Abgeordneten als Netzwerk. Denn nicht nur der intensive Kontakt mit den eigenen Kollegen ist wichtig. Der fraktionsübergreifende Austausch ist wertvoll, weil er den Blick für Gemeinsamkeiten und Unterschiede schärft.

Normalerweise würde ich nun zur nächsten Veranstaltung fahren. Dort würde ich entweder auf dem Podium sitzen, anderen Experten zu den Problemen in der Verkehrspolitik zuhören oder mich mit Journalisten austauschen, wie tags darauf  beim parlamentarischen Abend der Rheinischen Post in der Berliner Redaktion. Letzterer ist ein wichtiger Termin im Kalender eines Abgeordneten. Um den Kontakt mit den verschiedenen Experten aus der Branche zu pflegen, bin ich abends in der Regel auf einer Reihe von Veranstaltungen. Für meine inhaltliche Arbeit ist dies immer eine gute Gelegenheit, neue Ideen zu sammeln.

Besonders freue ich mich an diesem Tag allerdings über den Anschlusstermin. In dieser Woche habe ich eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis für drei Tage zu Besuch. Wir Abgeordneten habe pro Jahr die Möglichkeit, drei Gruppen á 50 Personen nach Berlin einzuladen. Am ersten Tag gehe ich inzwischen traditionell mit den Teilnehmern der Besucherfahrt essen. In entspannter Atmosphäre bietet mir das immer die Gelegenheit, auch in Berlin in den Austausch zu treten. In den Gesprächen geht es unter anderem um die Betuwe-Linie, um deren ausreichenden Lärmschutz ich mich auch in Berlin einsetzte.

Wenn ich keine Besuchergruppen in Berlin zu Besuch habe, ziehe ich dienstagsabends die Fußballschuhe an und spiele für den FC Bundestag. Das ist unser fraktionsübergreifendes Fußballteam, mit dem wir gegen andere Parlamente und Verbände für einen wohltätigen Zweck spielen. Trotz aller politischen Unterschiede spielt hier der Teamgeist die wichtigste Rolle.

Ähnlich abwechslungsreich sind auch die übrigen Tage in einer Sitzungswoche. Da kann es schnell passieren, dass man den Überblick verliert. Deswegen wäre meine Arbeit ohne mein engagiertes Team im Hintergrund nicht möglich. Trotz all der interessanten Termine freue ich mich nach einer Sitzungswoche auf die Heimreise und ein Wochenende mit der Familie. In Wesel schöpfe ich neue Kraft, um für die nächste Sitzungswoche gewappnet zu sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort