Neue Ausstellung in Wesel Erinnerungen an die Frau in Blau

Wesel · Das LVR-Niederrheinmuseum zeigt in einer Sonderausstellung das reiche Schaffen der 2019 verstorbenen Künstlerin Marlene Lipski. Die bleibende Kraft und Kreativität der Arbeiten werden dabei sehr deutlich. Und ihr Markenzeichen.

 Stehen in der Ausstellung (v.l.): Veit Veltzke (Direktor LVR-Niederrheinmuseum), Linda Lipski (Tochter) und Jürgen Borchert (Marlene Lipskis Mann).

Stehen in der Ausstellung (v.l.): Veit Veltzke (Direktor LVR-Niederrheinmuseum), Linda Lipski (Tochter) und Jürgen Borchert (Marlene Lipskis Mann).

Foto: Thomas Hesse

Das Haus von Marlene Lipski in der Weseler Innenstadt ist auch das Haus, in dem die Kunst wohnt. Es steckt nach wie vor voller Werke der 2019 verstorbenen Künstlerin, die nach ihren Stationen in Leipzig und Düsseldorf an den Niederrhein kam. In dem Gebäude sind ihre Kreativität, ihre Schaffenskraft, die Qualität ihrer Bilder, ihre Farben und ihre Ortsnähe – etwa bei den Weseler Feuerwehr-Bildern – in Erinnerung geblieben. Ein „Rückblick“ eben, so der Titel der Schau. Einer, der das Schaffen von Marlene Lipski hoch einschätzt und die Bedeutung der Bilder und Objekte wachhalten will, ist Veit Veltzke. Der Direktor des LVR-Niederrheinmuseums hat Raum geschaffen im Haus an der Zitadelle für eine umfassende Werkschau, die dem Menschen und der Künstlerin gleichermaßen gerecht wird.

Nun ist es nicht so, dass Marlene Lipskis Kunst aus dem öffentlichen Raum ihres letzten (und geschätzten) Wohnortes verschwunden wäre. Sie hat starke künstlerische Spuren hinterlassen: Im Haus der Gesundheit, in der Commerzbank, im Nikolausstift – hier hat sie 25 Jahre lang ehrenamtlich qualitätsvolle Ausstellungen organisiert – und in der Feuerwehrleitstelle hängen ihre Arbeiten. Im Stadtbild war sie auch bekannt als Frau mit den blauen Haaren. Die färbte sie sich, um optisch das Zeichen, eine Künstlerin zu sein, mit sich zu tragen, in einer Zeit, als noch niemand an modisch grell gefärbte Frisuren dachte. So ist Marlene Lipski – ganz in blau – auch auf dem Cover des Katalogs zu sehen. Vor einer orange-gelb lodernden Leinwand.

Gerade die Wehr hat sie zur Motivserie inspiriert, die Flammenmotive in geradezu glühenden Farben versprühen Wärme, ja Hitze. Mit der Weseler Jugendfeuerwehr hatte sie damals ein aufsehenerregendes Projekt gestaltet. Im Museum kehrt das Motiv und das Lodern nun wieder. Im Feuerwehrmuseum in Fulda hängen mehrere Werke von ihr, eine Lok der Bundesbahn fuhr lange mit Marlene Lipskis Flammenmotiv durch die Republik. Grund war das 150-jährige Bestehen des Feuerwehrverbandes. Modelleisenbahner griffen damals gerne zum „entflammten“ Märklin-Modell. Eine schöne, lebendige Art, um Kunst zu transportieren. Und mehr noch: ein Markenzeichen.

Marlene Lipskis Mann, Jürgen Borchert, selbst ein hervorragender Kunstmaler und mit einigen seiner fotorealistischen Arbeiten bei der Ausstellung vertreten, und ihre Tochter Linda haben aus dem Fundus 55 Bilder und Objekte ausgesucht. Marlene Lipskis realistische Phase wird ebenso dokumentiert wie ihre abstrakte, beide kombiniert sie schließlich zu einem eigenen innovativen Stil. Sie malte mit viel Mühe gegenständliche Bilder, um sie zu zerstören, zu zerschneiden, die Schnipsel neu zu ordnen, zu übermalen und daraus eine andere künstlerische Welt zu gestalten. Ganze Zyklen entstanden so, sie heißen „Rheingold“ oder „Rhein-Oder-Zyklus“. Veränderte Kunst in der Tradition der Surrealisten und Dadaisten, aber auf eigenem Weg und mit eigenen Werken.

 Jürgen Borchert präsentiert die Werke seiner verstorbenen Frau.

Jürgen Borchert präsentiert die Werke seiner verstorbenen Frau.

Foto: Thomas Hesse

„Nicht stehen bleiben, sich weiterentwickeln, aber nicht den völligen Bruch mit Vorherigen wagen“, beschreibt Veit Veltzke diesen Prozess. Jürgen Borchert, der die Anordnung der Bilder dieser Ausstellung gestaltet hat, sagt, dass er sich bei der Aufbereitung an viele frühere Ereignisse erinnert gefühlt hat. Die Kraft und die Ausstrahlung von Marlene Lispkis Werken erneut zu erleben, gehört dazu. Erinnerung besteht auch aus Geschichten. Etwa die, wie die Weselerin zu ihrem Markenzeichen kam: Bei einer Ausstellung in Oslo habe ein Berater gemeint, die Künstlerin sehe eher hausfräulich als wie eine Künstlerin aus – der blaue Schopf war die Antwort. Und hoher Bekanntheitsgrad in der Heimatstadt, in der sie sich viel bewegte.

Doch was bleibt und bleiben soll, ist die Kunst. „Marlene Lipski hat verdient, mit ihrer besonderen Kunsttechnik breite Resonanz zu behalten. Ich schätze die absolute Kraft ihrer Kunst, ich halte sie für eine ganz große Künstlerin“, sagt Veit Veltzke. Unter anderem im LVR-Niederrheinmuseum will er dazu beitragen, diese Botschaft zu transportieren.

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