Wesel "Auslaufmodell Hauptschule"

Wesel · Nach dem Bernd Baumann in die Ruhephase der Altersteilzeit eingetreten ist, führt Konrektor Reiner Kampermann die Konrad-Duden-Hauptschule bis Mitte 2011 kommissarisch weiter. Dann wird sie aufgelöst.

Wie kein anderer kennt Reiner Kampermann (60) die Konrad-Duden-Hauptschule in der Feldmark. 1974 kam er als Referendar an die Schule und hat seither Generationen von Schülern kommen und gehen sehen. Nachdem Bernd Baumann kürzlich in die Ruhephase der Altersteilzeit getreten ist, hat Kampermann kommissarisch die Leitung der Schule übernommen, die Mitte nächsten Jahres geschlossen wird. Was dann mit den verbleibenden Schülern passiert, wie die Zukunft der Hauptschulen allgemein aussieht und wie sich die Arbeit in den letzten Jahrzehnten mit den Schülern verändert hat, darüber sprach RP-Redakteur Klaus Nikolei mit Reiner Kampermann.

Weil die Martini-Hauptschule mit dem verpflichtenden Ganztag begonnen hat, wird die Duden-Hauptschule Mitte nächsten Jahres auslaufen. Was passiert dann mit den Schülern?

Kampermann Wir werden dann noch rund 100 Schüler in den Jahrgangsstufen acht, neun und zehn haben. Geplant ist, dass Schüler und Lehrer zur Martini-Schule wechseln.

Sie auch?

Kampermann Das steht noch nicht fest, da ich Anfang 2012 ebenfalls in die Ruhephase der Altersteilzeit treten werde.

Aber die Schüler können auch zu anderen Schulen wechseln, oder?

Kampermann Einige Schüler haben das auch schon getan und gehen unter anderem nach Hamminkeln.

Was passiert mit den frei werdenden Räumen?

Kampermann Darüber verhandeln die beiden Nachbarschulen, die Realschule und das Duden-Gymnasium, mit der Verwaltung.

Wenn die Schule demnächst ausläuft, denken Sie da nicht wehmütig an die "guten alten Zeiten"?

Kampermann Schon ein wenig. Denn als ich hier angefangen haben, hatten wir mal 850 Schüler. Wir waren so stark, dass wir einige Jahr lang sogar die Stufen fünf und sechs in die ehemalige Blumenkamper Grundschule neben der Kaserne auslagern mussten.

War das angekratzte Image der Hauptschulen schuld, dass die Schülerzahlen deutlich zurückgegangen sind?

Kampermann Das Image war früher anders und es gab die Gesamtschule auch noch nicht. Es ist schon traurig wenn man sieht, wie viele Kollegen aufgrund der sinkenden Schülerzahlen abgezogen wurden. Wir waren mal 40, sind heute noch 14 Kollegen.

Glauben Sie, dass die Hauptschule ganz allgemein noch eine Zukunft hat?

Kampermann Wenn die Schülerzahlen weiter so zurückgehen, dann nicht. Ich denke, dass Hauptschulen künftig mit Realschulen zu Verbundschulen zusammengefasst werden.

Was unterscheidet Ihre Schüler heute von denen Mitte der 70er Jahre?

Kampermann Sie waren in aller Regel sehr viel motivierter. Das lag natürlich auch daran, dass die Perspektiven damals einfach besser waren und unsere Schüler in Handwerksberufen viele bessere Möglichkeiten hatten. Heute nehmen Betriebe gerne Realschüler oder auch Gymnasiasten. Aus diesem Grund versuchen auch viele Abgänger, am Berufskolleg einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen. Der Unterschied zu früher ist auch, dass wir in jeder Klasse einige Schüler haben, die so gefrustet sind, dass sie sich praktisch aufgegeben haben. Das macht den Unterricht auch nicht einfacher.

Ist es also heute schwieriger, Lehrer zu sein als damals?

Kampermann Ja. Das hat auch damit zu tun, dass der Umgang der Jugendlichen untereinander rauer geworden ist. Es ist teilweise so, dass sie sich nur noch über Beschimpfungen unterhalten.

Ohne oder mit schlechtem Schulabschluss ist der Weg in die Dauerarbeitslosigkeit programmiert. Wie könnte dieser Teufelskreis durchbrochen werden?

Kampermann Da sind die Eltern mehr denn je gefordert. Das ist auch Erziehungssache. Man kann diese wichtige Aufgabe nicht den Schulen und dem Staat aufs Auge drücken. Und natürlich spielen auch die gewaltverherrlichenden Computerspiele und der übermäßige TV-Konsum eine Rolle. Aus meiner Sicht ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem.

(RP)
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