Ausbildungsinitiative Kreis Wesel „Man muss Bock auf Ausbildung haben“

Serie | Kreis Wesel · Die Akteure der Ausbildungsinitiative trafen sich bei Altana in Wesel, um eine Bilanz der Ausbildungsserie zu ziehen. Sie soll im kommenden Jahr fortgeführt werden.

Tobias Entrup, Ulrich Rose, Martin Jonetzko, Markus Brandenbuch, Tim Kersten, Christine Thannheiser-Rumpf, Norbert Borgmann, Janine Peters und Rüdiger Paus-Burkhard.

Tobias Entrup, Ulrich Rose, Martin Jonetzko, Markus Brandenbuch, Tim Kersten, Christine Thannheiser-Rumpf, Norbert Borgmann, Janine Peters und Rüdiger Paus-Burkhard.

Foto: Klaus Nikolei

Auch wenn noch nicht jeder ausbildungswillige Schulabgänger in der Region zum 1. August beziehungsweise zum 1. September eine Lehre begonnen hat, heißt das nicht, dass es nicht noch Möglichkeiten gibt, kurzfristig einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Zumal es zahlreiche Betriebe gibt, die noch Kapazitäten haben. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bewerberin  beziehungsweise der Bewerber – einmal abgesehen von den schulischen Leistungen – eine grundsätzlich positive Grundeinstellung zum Thema Ausbildung mitbringen muss. Oder, wie es Norbert Borgmann, stellvertretender Kreishandwerksmeister und Obermeister der Innung Sanitär-Heizung-Klima (SHK), sagt: „Man muss einfach Bock drauf haben.“

Die richtige Einstellung vorausgesetzt, war es für junge Leute wohl nie einfacher als jetzt, im Rahmen einer dualen Ausbildung die Grundlage für eine wie auch immer geartete berufliche Karriere zu legen. Davon jedenfalls sind die Akteure der Ausbildungsinitiative Kreis Wesel, zu der die Byk-Chemie, die Agentur für Arbeit, der Unternehmerverband, das Jobcenter, der Kreis Wesel, die Kreishandwerkerschaft, die Industrie- und Handelskammer sowie die Bildungsträger Akademie Klausenhof und das Fachwerk Kreis Wesel gehören, überzeugt. Vertreter der besagten Organisationen haben sich jetzt zum Abschluss der großen RP-Ausbildungsserie getroffen, um eine rundum positive Bilanz der Aktion zu ziehen und über die Herausforderungen der Zukunft in Punkto Ausbildung zu sprechen. Eingeladen zu der Gesprächsrunde hatte der Weseler Spezialchemie-Konzern Altana beziehungsweise die größte Altana-Tochter Byk.

Zu Beginn der Veranstaltung verkündete Byk-Ausbildungsleiterin Christine Thannheiser-Rumpf die gute Nachricht, dass die seit Jahren erfolgreich durchgeführte Ausbildungsserie auch 2023 weiterlaufen und von Altana präsentiert werde. „Die Serie, in der Geschichten über Auszubildende erzählt wurden, die zum Teil über Umwege und mit Hilfestellungen ans Ziel gekommen sind, hilft Jugendlichen in der Phase der Berufsorientierung. Sie ist ein wertvoller Impuls – auch für die Eltern und die Familien der angehenden Lehrlinge“, betont Christine Thannheiser-Rumpf.

Apropos Eltern. Für Markus Brandenbusch von der Agentur für Arbeit sind gerade die Erziehungsberechtigten „die wichtigsten Ratgeber, wenn es um die Berufswahl geht“. Das Problem sei, dass immer noch viele Eltern möchten, dass ihre Kinder studieren. Das Thema Ausbildung spiele in den Überlegungen kaum eine Rolle. „Dabei kann eine duale Ausbildung ein echtes Karriere-Sprungbrett sein, auch wenn man hinterher in unserem durchlässigen Bildungssystem noch studieren möchte“, betont Brandenbusch. „Die Rahmenbedingen haben sich massiv gewandelt. Doch das ist leider bei vielen Eltern noch nicht angekommen“, bedauert er. Die  Folge: Im Vergleich zu 2021 stieg die Zahl der nicht besetzten Lehrstellen um 20 Prozent. Wobei allerdings auch die Zahl der Schulabgänger zurückgegangen ist.  

Welche Vorzüge eine Lehre gerade im Handwerk hat, macht Norbert Borgmann gleich an mehreren Beispielen deutlich. In Zeiten von Inflation und Energiekrise sei es ein großer Vorteil, dass die meisten Handwerker wohnortnah beschäftigt sind. „In unserem Betrieb kommen 50 Prozent der Leute mit dem Rad zur Arbeit. Vielfach können Familien also auf das zweite Auto verzichten. Besser geht’s doch nicht.“  Norbert Borgmann ist froh, dass gleich drei junge Leute bei ihm eine Lehre begonnen haben. „Das Sprichwort ,Handwerk hat goldenen Boden‘ stimmt mehr denn je. Die jungen Leute sollen sich bei uns wohlfühlen. Sie werden schnell erleben, wie zufrieden die Arbeit gerade in unserer systemrelevanten Branche machen kann.“ Und dann erzählt er davon, wie befriedigend es beispielsweise sei, einer Seniorin in der kühlen Jahreszeit die Heizung zu reparieren. „Das ist ein wirkliches Glücksgefühl. Da geht man dann zufrieden nach Hause.“

Das Stichwort „Zufriedenheit“ fiel während des Abschlussgespräches immer wieder. Gerade in Zeiten, in denen die Betriebe um die Gunst des Nachwuchses buhlen würden, müssten die Unternehmen ihre Anstrengungen intensivieren, die Bewerber zufrieden zu stellen, heißt es. Sei es durch flexiblere Arbeitszeiten oder Homeoffice. „Wobei man natürlich sagen muss, dass das alles nur in einem bestimmten Rahmen möglich ist. Die Branchen setzen Grenzen“, betont Janine Peters von der IHK.

Auch Martin Jonetzko, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbands mit Sitz in Duisburg, kann bestätigen, dass die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt für junge Leute „komfortabel ist. Man kann sich die Lehrstelle praktisch aussuchen. Auch die Verdienstchancen nach einer erfolgreichen Facharbeiterausbildung sind super – jedenfalls in der Metall- und Elektroindustrie, für die ich spreche.“ Wobei er betont, dass nicht nur Lehrlinge und Facharbeiter sehr gefragt seien, sondern auch Hilfskräfte. „Es herrscht ja ganz allgemein ein Arbeitskräftemangel. Und dieses Thema wird uns sicherlich auch in den nächsten Jahren begleiten.“  

Eine Lanze für die duale Ausbildung bricht auch Ulrich Rose, von der Entwicklungsagentur Wirtschaft (Kreis Wesel).  „Im Studium heißt es, Praxiserfahrung zu sammeln. Da frage ich mich, warum nicht sofort im Rahmen einer Ausbildung.“ In diesem Zusammenhang nennt Borgmann eine interessante Zahl, wonach 80 Prozent der Tischlerlehrlinge nach Ende der Ausbildung ein Architekturstudium beginnen würden.

Um den Bedarf an Fachkräften in den nächsten Jahren zu decken, ist in der politischen Diskussion immer wieder die Rede davon, geeignete Bewerber aus dem Ausland anzuwerben. Doch schon jetzt gibt es eine ganze Reihe von Flüchtlingen, die durchaus gewillt und in der Lage sind, auf dem deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen. Das Problem aber sei nicht selten, dass oft Qualifikationsnachweise nicht vorhanden sind.  Rüdiger Paus-Burkard von der Akademie Klausenhof in Hamminkeln-Dingden, erklärt dazu: „Als Bildungspartner erleben wir es regelmäßig, dass wir mit Engelszungen auf die jungen Migranten einreden und ihnen erklären, dass es nicht reicht, wenn sie in ihrer Heimat beispielsweise als Elektriker gearbeitet haben. In Deutschland benötigt man für die eine oder andere Tätigkeit entsprechende Nachweise.“ Generell könne man deshalb jedem nur raten, nicht einfach irgendeine Arbeit aufzunehmen, sondern eine duale Ausbildung zu machen, um „die Formqualifikation während des Berufslebens nachweisen zu können“.

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