Wesel Aus dem Leben eines Fotografen
Wesel · Ekkehart Malz (66) hat über vier Jahrzehnte für die Rheinische Post in Wesel Bilder gemacht. Vor Kurzem hat sich der freischaffende Foto-Profi zur Ruhe gesetzt. Wir haben ihn gebeten, besondere Bilder seiner Fotografenzeit zu finden, die ihm viel bedeuten, die Geschichte erzählen.
Das bohèmehafte Auftreten, das Stargehabe anderer Fotografen, war Ekkis Sache nie. Wo andere den lauten Auftritt hinlegten -polternd rein in den Saal: "Alle mal aufstellen, ich muss gleich wieder weg" - da kam Ekkehart Malz leise und zurückhaltend, fragte höflich, ob er die Veranstaltung kurz für ein Foto unterbrechen dürfe, fuhr dann zum nächsten Termin. 40 Jahre hat er für unsere Zeitung Bilder gemacht, 40 Jahre für die Ausgabe Wesel fotografiert. Diese Beständigkeit ist selten. Seit Kurzem nimmt der heute 66-Jährige keine offiziellen Fototermine mehr wahr. Er hat sich zur Ruhe gesetzt. Was aber macht ein Mann, der schon im Einsatz die ruhige Art pflegte? Er arbeitet in Ruhe weiter. Immer wieder kommt Ekki, wie ihn die Redaktion nur nennt, in unser Redaktions-Büro, tauscht mit uns Neuigkeiten aus. Einmal Fotojournalist, immer Fotojournalist.
Anlässlich seiner 40 Fotografenjahre wollen wir die Geschichte eines Mannes erzählen, der Wesel und die Region wie nur wenige kennengelernt hat, abertausende von Kilometern auf den Straßen abgespult hat, um abends manchmal unter größtem Druck noch das letzte Bild der Redaktion zu übergeben. Die Zeitung ist immer erschienen. Und Ekkis Bilder waren meist drin.
Geboren wurde Ekkehart Malz 1951 in Magdeburg. Kurz vor dem Mauerbau, Weihnachten 1958, ging er mit seinen Eltern über Ost-Berlin nach Darmstadt. Dort erlebte er in einer AG am Lichtenberg-Gymnasium erstmals die Faszination des Fotos. In einer Dunkelkammer entwickelte er seinen ersten Film. Dieses haptische Erlebnis, dem Bild beim Entstehen zusehen zu können. Dieses Gefühl, wenn ein Foto am Ende wirklich gelingt. Malz fing also Feuer. Er studierte in Darmstadt Kommunikationsdesign ("Meinen Eltern musste ich erst einmal erklären, was das ist"), schloss mit Diplom ab. "Dann war ich erst einmal arbeitslos." Alles hat sich gefügt im Leben das Fotografen Malz und so lernte er seine spätere Frau Hildegard aus Kleve kennen, deren Vater wiederum der am Niederrhein bekannte Karikaturist Walter ("flint") Flinterhoff war. Flint schlug Malz vor, dass er doch Zeitungsbilder machen könne. Und im Jahr 1976 wurde Ekki vom damaligen RP-Fotografen Bernd Schmaling gefragt: "Willst Du mein Nachfolger werden?" Schmaling zog es damals nach Ratingen. Plötzlich war Malz, der diplomierte Kommunikationsdesigner, im Auftrag des Kommunikationsmediums Zeitung unterwegs.
"Ich habe viele kommen und gehen sehen", sagt Malz. Die Zeit mit den schreibenden Journalisten habe er sehr genossen. Die hätten ihn am Anfang auch ermuntert, die Schüchternheit abzulegen. "Plötzlich bist Du bei einem Termin und musst auf die Bühne der Niederrheinhalle steigen, dort ein Bild vor 1000 Menschen schießen. Und am nächsten Tag kann es jeder in der Zeitung sehen. Das muss man lernen, aber nach einem Jahr hat man die Angst abgelegt."
Das Zeitungsgeschäft hat sich gewandelt. Die Digitalisierung hat alles verändert. Anfangs, als die Rheinische Post noch in Geldern gedruckt wurde, fuhr jeden Abend ein Kurier von Wesel über den Rhein nach Geldern. Malz fuhr manchmal mit, wollte den Entstehungsprozess der Zeitung beobachten. "Hochspannend." Es habe in den 40 Jahren aber auch Phasen gegeben, in denen es anstrengend war, sich zu motivieren. Schon wieder das gleiche Brauchtumsfest oder die gleiche Karnevalsveranstaltung. Dann sei es manchmal das Gespräch mit dem Redakteuren gewesen, das ihn ermuntert habe, eben doch wieder das besondere Bild zu machen.
"Ich habe immer versucht, die Leute gut aussehen zu lassen. Manche beherrschten das Spiel mit der Kamera, wie die Politiker." Auf lokaler wie auf Bundesebene hat er viele Persönlichkeiten fotografiert: Die Kanzler Kohl und Schröder, etliche Minister bei Gastspielen in Wesel, auch Künstler. "Die wissen, wie man sich vor der Kamera gibt", sagt Malz. Selbst die Politiker auf lokaler Ebene hätten ein Gespür dafür, sich vor der Kamera zu inszenieren. Aber es gebe eben auch viele, die unbedarft vor der Kamera stehen. Die waren ihm mindestens ebenso sympathisch. Ekki ist ein Menschenfreund. Das ist sein Naturell. Die Zeitungsfotografen sind immer auch Künstler, sie haben das Privileg, manchmal wie Freaks herumlaufen zu können. Malz aber wollte nie durch sein Äußeres auffallen. Er habe immer versucht, sich dem Anlass entsprechend anzuziehen. "Wenn ich bei einer Beerdigung fotografiert habe, dann bin ich da nicht im bunten Hemd hingegangen. Ich wollte nicht auffallen, ich wollte unbemerkt meine Fotos machen."
Seine schönste Zeit als Fotograf? Ekki zögert nicht lange. "Das war immer dann, wenn die Redaktion ein schmückendes Bild verlangte." Er sei dann rausgefahren, in die Natur, habe nach dem besonderen Motiv gesucht - und sei am Niederrhein immer wieder fündig geworden. So sind schöne Aufnahmen wie die Kühe auf einer Pappelallee in Wertherbruch entstanden. Dezente Bilder, ruhige Motive. Das ist Ekkis Welt. Dabei hat ihn die Niederrhein-Landschaft anfangs irritiert. In Darmstadt, seiner alten Heimat, habe es Weinberge gegeben, und viel viel Wald, schwärmt er. In den Niederrhein, von dem behauptet wird, alles sei so flach und man könne so weit schauen, musste er sich erst hineindenken. "In Wahrheit sieht man hier auch nicht so weit. Da steht doch immer ein Baum oder ein Deich." Aber dann habe er die Landschaft mit den Jahren schätzen gelernt. Besonders den niederrheinischen Nebel. "Wo ist der eigentlich hin?", fragt Malz.
Jetzt hätte er Zeit zu warten - auf Nebel, auf das perfekte Motiv. Die Kamera aber legt er jetzt oft bewusst zur Seite. Ekki beobachtet ohne Linse, manchmal still. Vielleicht ist es gerade diese Schüchternheit, diese Fähigkeit, distanzierter Beobachter ohne Hektik zu sein, die Malz' Bilder prägen. Gerade in einem wilden Betrieb wie einer Zeitungsredaktion braucht es ruhende Pole. Malz ist so einer.