Hamminkeln/Duisburg Auftakt im Kellerkind-Prozess
Hamminkeln · Von Freitag an müssen sich eine Mutter und ihr Lebensgefährte vor dem Landgericht in Duisburg verantworten. Sie hatten im September 2010 in Mehrhoog einen Jungen (7) nackt im Keller eingesperrt und waren weggefahren.
In der kleinen, verkehrsberuhigten Stichstraße in Mehrhoog herrscht längst wieder Normalität. Das war nie anders. Nur einmal tauchte die Siedlung für kurze Zeit auf traurige Weise aus der alltäglichen Ruhe. Im September 2010 erschütterte das Schicksal eines damals sieben Jahre alten Jungen die Menschen im ganzen Land. Seine Mutter und ihr neuer Lebensgefährte hatten ihn nackt in den Keller des Reihenhäuschens eingesperrt und waren weggefahren. Von heute an müssen sie sich vor dem Landgericht in Duisburg verantworten. Die Anklage lautet: Misshandlung von Schutzbefohlenen. Darauf stehen sechs Monate bis zehn Jahre Gefängnis.
Der Junge lebt inzwischen bei seinem Vater außerhalb des Kreises Wesel. Auch seine Mutter und ihr neuer Partner haben mit den beiden Halbgeschwistern des Jungen Mehrhoog längst verlassen. Damals lebte die Familie zunächst recht unauffällig im Dorf, galt als "nett und hilfsbereit". Dennoch schöpften Nachbarn im Laufe der Zeit Verdacht. Die Mutter und ihr Lebensgefährte hätten oft im Garten gesessen und ihren kleinen Kindern beim Spielen zugeschaut. Der Siebenjährige aber sei nie dabei gewesen. Auf Nachfrage habe die Mutter gesagt, ihr Ältester sei "schwierig" sei und "lieber in seinem Zimmer".
Ein Nachbar, den die Eltern mal gebeten hatten, nach den Kindern zu schauen, erzählte, dass der "aufgeweckte und freundliche Junge" ihm bei der Gelegenheit sein "notdürftig eingerichtetes Zimmer" gezeigt habe. Dieser Nachbar war es auch, der am besagten Samstag Jugendamt und Polizei alarmiert hat, als die Eltern mit ihren beiden Kindern offensichtlich zu einem längeren Ausflug aufgebrochen waren.
Mit Hilfe eines Schlüsseldienstes gingen die Behörden ins Haus. Ein Einsatz, den auch die Polizisten und Jugendamtsmitarbeiter stark mitgenommen hat. Sie fanden den Jungen in seinem mit Bauschutt zugemüllten Kellerverlies — nackt auf einer Matratze, ohne Essen und Trinken. "Das Kind hat fürchterlich geweint und war erst überhaupt nicht zu beruhigen", erzählte der Nachbar. Wie sich herausstellte, hatten besorgte Nachbarn und Großeltern schon Anfang des Jahres das Jugendamt des Kreises Wesel alarmiert. Auch die Rektorin der Grundschule hatte angezeigt, dass der Junge häufig unentschuldigt fehle. Das Jugendamt war daraufhin ein halbes Dutzend Mal bei der Familie und hat intensiv mit den Eltern gesprochen. Anhaltspunkte für Misshandlung oder Verwahrlosung habe es nicht gegeben, hieß es. Auch das Familiengericht war eingeschaltet. Erst die erschütternde Entdeckung des Keller-Gefängnisses habe den Behörden die Möglichkeit eröffnet einzugreifen.