Spannende Arbeit an der Kreuzstraße Archäologen finden Brücke zur Zitadelle
Wesel · Auf der Baustelle an der Kreuzstraße kommt immer mehr Neues aus alter Zeit ans Licht. Dazu gehören auch Grabenstrukturen, die deutlich vor dem Bau der Zitadelle angelegt wurden, und Fahrspuren von Transportkarren.
Eva Neuber, Nina Elsebrock und André Blömeke sind dick eingepackt und haben wärmende Getränke immer in Reichweite. Das Trio studiert Archäologie in Bochum beziehungsweise Köln und gehört zum Team von Thorsten Quenders, dessen Firma LQ Archäologie (Waltrop) die Festungsfunde auf der Baustelle der Bauverein Wesel AG an der Kreuzstraße dokumentiert (wir berichteten mehrfach). „Das ist spannend, mal was ganz Anderes“, sagt Blömeke. Auch Neuber freut sich über die „seltene Gelegenheit, so eine Anlage“ bearbeiten zu dürfen. Quenders selbst berichtete am Mittwoch vom Stand der Ermittlungsarbeit, die kurz vor Weihnachten aufgenommen worden war. Sie brachte immer wieder Neues ans Licht, denn die nun freigelegten Vorwerke der Zitadelle an der Stadtseite waren so bisher keinen bekannten Karten zu entnehmen.
Laut Quenders wird das Mauerwerk wohl spätestens im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts errichtet worden sein. Bemerkenswert aber sei, dass es Grabenstrukturen deutlich älteren Datums durchschneidet. Diese könnten erweiterte Stadtbefestigungen aus der Zeit vor dem Baubeginn der Zitadelle 1688 sein. Die Annahme fußt darauf, dass bessagte Gräben mit anderswo gewonnenem gewachsenen Boden gefüllt worden seien. Die Archäologen fanden unter anderem Fahrspuren in West-Ost- sowie Nord-Süd-Richtung, die darauf schließen lassen, dass hier reger Transportverkehr von Karren im Zusammenhang mit dem Festungsbau stattgefunden haben. Offenbar folgten diese einem bestimmten Schema. „Die Arbeitsschritte waren streng vorgeschrieben. Es gab klare An- und Abfahrtswege“, sagt Thorsten Quenders. Wie das ausgesehen haben könnte, wisse man aus zeitgenössischen Darstellungen von anderen Baustellen.
Als ebenfalls bemerkenswert bezeichnet Quenders einen Durchlass mit Brücke nahe der Kreuzstraße. Die einst hölzerne Zugbrücke gibt es natürlich längst nicht mehr, aber die gemauerten Auflager sind als solche erkennbar, ebenso weist eine nahe Rundung in der Mauer daraufhin, dass hier ein Verteidigungsposten installiert war. Der Weseler Architekt Walter Elschner, Mitarbeiter des fürs Bauvereins-Projekt zuständigen Büros Bielefeld (Hamminkeln) und Kenner der Weseler Festung, erklärt, dass dieser Durchlass der erste von Dreien war, der auf dem Weg von der Stadt in die Zitadelle, das militärische Herzstück der riesigen Anlage zu passieren war. Die zweite Brücke lag ein Stück weiter Richtung Haupttorgebäude. das selbst mit der dritten und letzten Brücke gesichert war.
Die Arbeit der Archäologen ist noch nicht beendet, doch spricht Quenders bei der Brückensituation schon von einem einzigartigen Fund. Zwischen den Denkmalbehörden und dem Bauverein als Bauherrn sei ein Kompromiss gefunden worden. Zum einen soll alles abgetragen werden, das dem Projekt samt Tiefgarage im Weg steht, zum anderen soll darunter so viel historische Substanz erhalten bleiben wie möglich. Deshalb wird es eine Pfahlgründung geben. Elschner glaubt, dass die Kosten sich gegenüber der vorigen Planung die Waage halten. Quenders erklärt, man wolle so schnell wie möglich mit der Dokumentation zum Ende kommen, damit der Bau im Normaltempo weitergehen kann.