Praktiker aus Wesel berichten über die Arbeit Kinder-und Jugendhospizdienst braucht neue Ehrenamtliche

Wesel · Der Kinder-und Jugendhospizdienst Wesel entlastet seit zehn Jahren Familien. Jetzt sucht er weitere ehrenamtliche Mitarbeiter für die Begleitung todkranker Patienten und ihrer Angehörigen. Warum diese dringend gebraucht werden.

 Martin Tschackert vom Kinder- und Jugendhospizdienst Wesel zu Besuch bei seinem Schützling Kjell. Hier haben sie gemeinsam Spaß beim Spiel mit der Konsole.

Martin Tschackert vom Kinder- und Jugendhospizdienst Wesel zu Besuch bei seinem Schützling Kjell. Hier haben sie gemeinsam Spaß beim Spiel mit der Konsole.

„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“: Besser kann man nicht ausdrücken, was die Begleitung todkranker Menschen bedeutet. Das Zitat stammt von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung, und ist für die Akteure der Weseler Hospiz-Initiative der Kern ihres Tuns. Dass diese Initiative seit nunmehr zehn Jahren auch einen ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst betreibt, wissen nur wenige. Das soll sich ändern. Denn die Arbeit ist wichtig und neue Ehrenamtler werden gesucht. Annegret Marquardt ist Koordinatorin des vom Evangelischen Kirchenkreis Wesel getragenen Dienstes. Mit Karl-Heinz Kuhn, der den Kinder- und Jugenddienst im Vorstand der Initiative repräsentiert, stellte sie am Donnerstag vor, worum es geht und was auf Interessenten zukommt.

Dass es eine Herausforderung ist, Familien mit einem lebensverkürzt erkrankten Kind zu begleiten und zu unterstützen, das Thema zudem tabu­behaftet ist, wissen die Praktiker Marquardt und Kuhn nur zu gut. Aber es hat auch sehr viele schöne Seiten, sagen sie. Der 64-jährige Rentner Kuhn beispielsweise betreut einen Jungen (17), der an Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) mit Epilepsie leidet, geistig zurück­geblieben ist und Sprachschwierigkeiten hat. Sein Schützling liebt Bahnfahrten. Einmal in der Woche machen sie das zusammen, fahren zum Beisiel nach Köln, gehen an den Rhein und gucken den Schiffen zu. In Wesel ist auch das Treiben auf dem Flugplatz eine willkommene Abwechslung. Karl-Heinz Kuhn schaut mittlerweile regelmäßig „Die Sendung mit der Maus“, damit er weiß, wovon der Junge spricht.

Für die alleinerziehende und beruftsätige Mutter ist Kuhn eine große Entlastung. Sie kann sich dann anderen Dingen widmen, die sonst zu kurz kämen. „Schrecklich“, bezeichnet Kuhn die Lockdown-Phase, als man allenfals über Facetime in Kontakt bleiben konnte und die betroffenen Familien „sich selbst überlassen waren“. Sorgen, dass etwas Bedrohliches passieren könnte, macht Kuhn sich nicht. Eine Begleitungsdokumentation ist immer dabei, ebenso ein „Notfall-Säckchen“. Und die Erreichbarkeit der Eltern im Ernstfall ist geklärt.

Die Begleitung durch Ehrenamtler des Kinder- und Jugendhospizdienstes kommt oft auch Geschwistern der Erkrankten zugute. Auch sie brauchen Entlastung, sollen schöne Dinge tun können. Zum Beispiel Ausflüge. Kurz: Es geht um individuelle Lösungen, die sich an den Bedürfnissen orientieren. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sollen Vertrauenspersonen werden und sich selbst zurücknehmen. Tenor: „Ich komme, und du kannst bestimmen, was getan wird.“

 Koordinatorin Annegret Marquardt und Vorstandsmitglied Karl-Heinz Kuhn freuen sich auf neue Ehrenamtler.

Koordinatorin Annegret Marquardt und Vorstandsmitglied Karl-Heinz Kuhn freuen sich auf neue Ehrenamtler.

Foto: Fritz Schubert

Wie Annegret Marquardt (54), gelernte Krankenschwester und unter anderem auch ausgebildete Notfallseelsorgerin, berichtet, sind die betroffenen Familien in aller Regel sehr gut aufgestellt und haben Wege gefunden, den oft schwierigen Alltag zu meistern. Gleichwohl gebe es viele Alleinerziehende, die nun ihr ganzes Leben auf die besondere Situation abgestellt haben, in Geldnot sind und deren Kontakte schwinden, weil Bekannte sich zurückziehen. Letzteres vielleicht auch nur aus Unsicherheit, weil sie selbst nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Was Interessenten wissen sollten, sei, dass eine Begleitung Jahre dauern kann. Es entwickele sich eine Beziehung, die tragend und erfüllend sein könne.

Gesucht werden Menschen im Alter von 20 bis 70 Jahren. Gerne sollen junge Leute dabei sein. Schon weil das Klientel selbst jung ist. So war laut Marquardt beim Besuch eines Trampolinparks die Anwesenheit einer 22-jährigen Mitarbeiterin ein Segen. Ältere hätten beim Mitmachen passen müssen. Ebenfalls gesucht werden männliche Interessenten. Erkrankte Jungen können mit ihnen einfach mehr anfangen. Ein Beispiel ist Martin Tschackert, der Kjell begleitet. Der wiederum spielt gern mit der Konsole. Also machen sie das zusammen, wenn Tschackert den Jungen besucht, und haben ihren Spaß. „Jeder Fall ist anders. Es kommt darauf an, wer zu wem passt“, sagt Kuhn und lobt Marquardts Fähigkeit, dies herauszufinden.

Bei einem Infotreffen (siehe Infobox) am Samstag, 21. August, will die Hospiz-Initiative ganz detailliert vorstellen, wie der Vorbereitungskursus für neue Interessenten ausgestaltet ist. Dabei geht es dann unter anderem auch um den eigenen Umgang mit Krankheit, Abschied, Sterben, Tod und Trauer, ebenso um die eigenen Grenzen und Möglichkeiten. Es sollte die Bereitschaft bestehen, regelmäßig und kontinuierlich einmal wöchentlich drei bis vier Stunden am Nachmittag oder Abend zur Verfügung zu stehen. Verbindlichkeit und Verlässlichkeit sind dabei unerlässlich. Supervision und Fortbildungen gehören dazu. Wichtig: Die Mitarbeiter übernehmen keine Tätigkeiten eines Pflegedienstes oder einer Haushaltshilfe.

Aktuell gibt es 16 geschulte ehrenamtliche Mitarbeiter. Sie begleiten sieben erkrankte Kinder, vier Geschwister, eine Mutter und einen 14-Jährigen, dessen Mutter an Krebs erkrankt ist und dessen Vater an Depressionen leidet. Vier der Mitarbeiter sind in Bereitschaft für Besuche von Kindern im Krankenhaus und für Ausflüge, die der Kooperationspartner Löwenzahn und Pusteblume, der Förderverein Kinderpalliativmedizin, organisiert.

Zehn bis zwölf neue Mitarbeiter möchte der Dienst mit dem Vorbereitungskursus gewinnen. Dieser soll im September starten.

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