Hamminkeln Alte Herrlichkeit dreht bäuerliche Zeit zurück

Hamminkeln · Auf dem Acker in Wertherbruch wurde gestern traditionell mit Pikhork und Sichte Getreide geerntet. Die frühere Mühsal machte allen Spaß.

 Eine Kunst, die nur noch wenige Männer können: Werner Schwiening mähte das Korn gekonnt von Hand. Die Frauen mussten die Gaben binden.

Eine Kunst, die nur noch wenige Männer können: Werner Schwiening mähte das Korn gekonnt von Hand. Die Frauen mussten die Gaben binden.

Foto: Malz

Paul Schlebusch (77) war gestern voll in seinem Element. Auf dem Acker des Wertherbrucher Finkenhofes hielt er in der rechten Hand die Sichte, ein messerscharfes Schlagwerkzeug, mit dem er das Getreide schnitt. Mit dem Pikhork, einem kurzen spitzen Haken, schob er es auf einen Haufen zusammen. Schnell wurde klar: Er ist ein Mann vom Fach. Die Sonne knallte zwar herab, das schien aber dem rüstigen Senior nichts auszumachen. Ohne Pause und immer im gleichen Tempo mähte er die reifen Halme.

"Paul, jetzt mach' mal 'ne Pause", riefen ihm die Ernte-Helfer zu. Vor mehr als 60 Jahren war's ein Schnäpschen, gestern lockte ein kühles Bier zu einer kurzen Auszeit. "Vor allem bei dem Wetter sind Pausen wichtig", sagte der 77-Jährige, der bereits einige Quadratmeter gemäht hatte.

Natürlich werden Pikhork und Sichte schon lange nicht mehr zum Ernten benutzt. Aber Paul Schlebusch und seine Kollegen drehten beim Erntefest der "Alten Herrlichkeit Wertherbruch" gestern die Zeit zurück. Sie ernteten wie in der alten bäuerlichen Vergangenheit. "Heute ist alles nur Hobby. Es soll Spaß machen", sagte er. Aber vor der Zeit der Mähdrescher war die Ernte Knochenarbeit. Das hat er als Jugendlicher miterlebt. "Das war unglaublich anstrengend. Und auch vor 60 Jahren war es im Sommer schon heiß", sagte Anni Schlebusch, die mit aufs Feld musste, seit sie 13 war. "Da war man froh, wenn der Tag vorbei war", sagte die ebenfalls 77-Jährige, die allerdings eine andere Aufgabe hatte als ihr Mann.

Die Frauen waren zuständig fürs Gabenbinden. Auch hier war Geschick gefragt. Und was Frau einmal kann, das verlernt sie nicht so schnell. So war es für Anni Schlebusch kein Problem, das Stroh zu binden. Es werden wenige Halme um die Gabe gewickelt und durch einen speziellen Knoten festgebunden. "Man lernt's schnell. Die Hände brauchen aber am Ende des Tages Pflege", sagte sie. Gestern machten sie und die anderen Arbeiter ihren Job gern. Das war ihnen anzusehen. Die Frauen trugen Hauben, die Männer Strohhüte und ein kariertes Hemd. Wie's früher üblich war.

Ein Tüchtiger fiel auf dem Feld aber ein wenig aus dem Rahmen. Heinz-Bernd Westerhoff versuchte sich mal mit Sichte und Pikhork. "So ganz will es noch nicht funktionieren. Gar nicht so einfach", sagte der 44-Jährige. Vom Ehrgeiz getrieben, schaffte er es aber doch, einige Halme abzutrennen. Vater Wilhelm Westerhoff beobachtete den Laien. Der Familie gehört das Feld, auf dem das Erntefest stattfand. Auch der 70-Jährige beherrscht die Technik der traditionellen Ernte. Wegen Asthma-Problemen schaute er den Nachbarn bei der Arbeit zu.

Jährlich wechselt die "Alte Herrlichkeit" zwischen vier Erntefeldern. Die jeweilige Nachbarschaft muss dann ran. "Eine tolle Sache. Wir wollen die Tradition so lange wie möglich erhalten", so Johannes Verbücheln (49) vom Vorstand des Heimatvereins.

(feli)
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