Serie Eine Stunde Im Ehrenamt Zwei Räder für ein Stückchen Freiheit
Wermelskirchen · Die Fahrradwerkstatt von "Willkommen in Wermelskirchen" in der Luisenstraße reparieren Freiwillige Fahrräder.
WERMELSKIRCHEN Nachdem das Ladenlokal der ehemaligen Bäckerei Epking an der Luisenstraße über ein Jahrzehnt leer stand, ist dort seit Anfang April wieder Leben eingekehrt. Die Fahrradwerkstatt der Initiative "Willkommen in Wermelskirchen" (WkiWk) hat dort ihre Bleibe gefunden. Wenn die ehrenamtlichen Schrauber an drei Nachmittagen in der Woche die Pforten öffnen, geht es zu wie in einem Taubenschlag. Dennoch behält Bijan Golabi, der sich für WkiWk federführend um die Fahrradwerkstatt kümmert, mit gelassener Gemütsruhe die Übersicht über das geschäftige Treiben.
"Es hat sich herumgesprochen, dass es uns gibt", blickt sich Bijan Golabi um. Er wundert sich nicht darüber, dass sich die Besucher der Fahrradwerkstatt die Klinke in die Hand geben: "Wir tragen einen ganz entscheidenden Beitrag zur individuellen Mobilität der Menschen bei. Sie können mit dem Rad zu Behörden oder ihren Kursen radeln, wo sie regelmäßig hinmüssen. Oder fahren zum Arzt oder Einkauf." Die geflüchteten Menschen, die in Wermelskirchen gelandet sind, seien für ein Fahrrad dankbar. "Viele von ihnen würden ein Fahrrad direkt mitnehmen. Das machen wir natürlich nicht. Wir setzen die Räder erst instand und prüfen die sicherheitsrelevanten Teile, damit die Fahrräder verkehrstauglich sind."
Das Aufbereiten von gespendeten Fahrrädern macht 80 Prozent der Arbeit in der Fahrradwerkstatt aus. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter, während der Öffnungszeiten montags, dienstags und mittwochs zwischen 16 und 18 Uhr sind stets mindestens zwei oder drei vor Ort, freuen sich über jeden gespendeten Drahtesel - angefangen vom Rad für Kinder bis bin zum Mountainbike oder Hollandrad für Erwachsene. "Durchschnittlich brauchen wir pro gespendetem Fahrrad knapp zwei Stunden Arbeit und etwa 25 Euro für Ersatzteile, um es wieder fit zu machen", erklärt Herbert Hünninghaus. Der 64-Jährige kümmerte sich bereits in der Zeit, als die Mehrzweckhalle Dabringhausen als Erstaufnahmeeinrichtung diente, um die auf dem Pro Vita-Firmengelände im Dorf eingerichtete Fahrradwerkstatt. Allein in diesen Monaten brachten Hünninghaus und seine Mitstreiter rund 160 Fahrräder auf die Straße. Auch die Fahrradwerkstatt an der Luisenstraße machte bereits viele neue Nutzer glücklich. Zwischenzeitlich hat Herbert Hünninghaus sogar als "Mobiler Fahrradservice" ein Gewerbe angemeldet. Darüber wickelt er aufwendigere Reparaturen ab: "Wenn jemand an seinem Rad gleich eine komplette Gangschaltung getauscht haben will oder eine neue Bremsanlage möchte, dann mache ich das - Hol- und Bringservice inklusive." Kleine Reparaturen erledigt die Fahrradwerkstatt über das Ehrenamt und freut sich dann über eine Spende. Letzteres macht mit 20 Prozent den kleineren Teil der Arbeit an der Luisenstraße aus.
"Durchschnittlich haben wir 15 bis 20 Räder da", erläutert Bijan Golabi. Der 54-jährige Kaufmann mit deutscher Staatsangehörigkeit hat familienbedingt iranische Wurzeln. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse kam er als Übersetzer zu WkiWk und in der Folge eher "zufällig" zur Fahrradwerkstatt: "Vom Schrauben habe ich weniger Ahnung, aber ich kann das Geschehen ganz gut organisieren." Man müsse mal abwarten, ob die Arbeit in der Fahrradwerkstatt in den anstehenden Herbst- und Wintermonaten weniger werde: "Da fehlt uns die Erfahrung."
Gewappnet sind die Fahrradschrauber allemal, denn Ersatzteile wie Reifen, Schläuche, Bremsbeläge und Lichter sind immer vorrätig. Um die Bevorratung der Ersatzteile und ihre Beschaffung kümmert sich Ramin Dehghani, der gemeinsam mit Dawood Dawoodi nie fehlt, wenn an Rädern geschraubt werden muss. Ist ein gespendetes Fahrrad derart verschlissen, dass es nicht mehr einsatzfähig ist, werden zumindest die noch nutzbaren Teile zur Weiterverwertung abmontiert. "Das kommt jedoch selten vor. Die meisten Fahrradspenden sind richtig gut", sagt Bijan Golabi. Beispielsweise ältere Bürger, die sich ein E-Bike angeschafft hätten, würden ihre nicht mehr benötigten Fahrräder zu Verfügung stellen.
"Die Fahrräder, die wir herausgeben, erfüllen natürlich keine hohen Ansprüche. Die haben keine tolle Federung oder sind besonders langstreckentauglich", beschreibt Herbert Hünninghaus, der sich als begeisterten Fahrradfahrer und Schrauber bezeichnet. So sieht sich auch Klaus Wedemeyer: "Ich habe schon als Kind in den 1950er-Jahren an meinen Fahrrädern geschraubt, später dann für meine Kinder und Enkel. Jetzt mache ich das hier in der Werkstatt noch intensiver." Alle Aktiven eint ein Gedanke, den Hünninghaus formuliert: "Es geht darum, Mobilität zu sichern und Kindern mit einem Fahrrad eine Beschäftigung zu geben, die Freude macht. Die Basis für unsere Arbeit ist die Liebe zum Menschen."