Mit Michael Lenzen "Wir fordern die Halterhaftung"

Wermelskirchen · Michael Lenzen ist passionierter Motorradfahrer und Vorsitzender des Bundesverbands der Motorradfahrer. Im BM-Interview spricht er über den Reiz des Motorradfahrens und die Konflikte, die durch Lärm entstehen können.

 Michael Lenzen auf seiner BMW K 100 am Interviewort in der Nähe des Beverdamms.

Michael Lenzen auf seiner BMW K 100 am Interviewort in der Nähe des Beverdamms.

Foto: BM-Foto Wolfgang Weitzdörfer

Herr Lenzen, wann und wo sind Sie selbst zum letzten Mal auf dem Motorrad unterwegs gewesen?

Michael Lenzen Gerade eben auf dem Weg zu diesem Interview, ich bin über ein paar kleinere Straße hier zum Beverdamm gekommen.

Wie ist denn im Bergischen die Akzeptanz gegenüber den Bikern - Stichwort: Lärmbelästigung?

Lenzen Da bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner, das müssten Sie die Anwohner fragen. Aber viele Klagen über Lärm gibt es hier nicht, Wermelskirchen ist derzeit sicher eine Ausnahme.

Und wie ist die Stimmung bei den Motorradfahrern selbst?

Lenzen Mittlerweile ist das Thema bei den meisten Motorradfahrern angekommen. Sie sind verärgert, dass sie für eine Minderheit, die sich nicht an die Regeln hält, in Sippenhaft genommen werden.

Wo sehen Sie die Hauptkonfliktpunkte?

Lenzen Die Menschen sehnen sich in ihrer Freizeit am Wochenende meistens nach Erholung und Ruhe. Wenn man dann aber an einer von Motorradfahrern viel genutzten Strecke wohnt, ist es eben nicht ruhig. Es gibt bei dem komplexen Thema Verkehrslärm - und ich beziehe ausdrücklich alle Fahrzeuge mit ein, also auch Autos mit Sportauspuff, getuntem Motor, voll aufgedrehter Musikanlage, Quads, Lkw und landwirtschaftlichen Verkehr - eine ganze Anzahl von Konfliktpunkten. Entscheidend ist in meinen Augen, dass der Gesetzgeber, und es sind europäische Gesetze, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen, es versäumt hat, bei der Zulassung von Kraftfahrzeugen Höchstwerte festzulegen, die für den gesamten Betriebszustand eines Fahrzeugs gelten. Zurzeit ist es so, dass die Grenzwerte nur in einem genau definierten Rahmen eingehalten werden müssen. Daran halten sich auch alle Hersteller. Doch außerhalb des definierten Bereiches, dürfen die Fahrzeuge lauter sein. Die Hersteller setzen dabei auf sogenannte Auspuffklappensysteme. Sie sorgen dafür, dass das Motorrad in dem geforderten Bereich die Grenzwerte einhält, darüber öffnet die Klappe und es wird laut. Und das ist leider völlig legal. Die Hersteller könnten ohne Probleme auf diese Systeme verzichten, die meisten der Motorradfahrer, mit denen wir als Verband gesprochen haben, würden das begrüßen. Somit ist also das ganz legale Motorrad schon relativ laut. Wenn der Fahrer jetzt auch noch die Gänge ausdreht, wird es richtig laut. Dazu kommt noch, dass heute viele Motorradfahrer in Gruppen unterwegs sind, so dass sich die Lautstärke noch weiter erhöht. Und es gibt natürlich auch Zweiradpiloten, die ihr Fahrzeug manipulieren, den dB-Eater entfernen oder nicht zugelassene Auspuffanlagen montieren.

Wie kann man diese Konfliktpunkte entzerren?

Lenzen Das ist sehr schwierig und wird seine Zeit dauern. Zum einen ist es ganz wichtig, dass wir weiter Bewusstsein für die Problematik schaffen, und die Motorradfahrer in den sensiblen Bereichen entsprechend möglichst leise, das heißt mit niedriger Drehzahl und in einem hohen Gang, fahren. Dann ist der Gesetzgeber gefordert, die Zulassungsbestimmungen entsprechend zu ändern, die Hersteller müssen reagieren und die Polizei muss in die Lage versetzt werden, diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, auch zur Rechenschaft ziehen zu können. Das geht nur über eine entsprechende personelle und technische Ausstattung. Dazu ist uns aber ein juristischer Aspekt ganz wichtig: Wir fordern die Einführung der Halterhaftung. Das heißt, wenn ein Fahrzeug identifiziert wurde, dessen Fahrer sich nicht korrekt verhalten hat, wird der Halter zur Rechenschaft gezogen. Das geht aktuell nicht.

Gibt es gegenseitiges Verständnis - oder sind die Fronten mittlerweile verhärtet?

Lenzen Ich denke bei den Anwohnern liegen oft die Nerven blank. Sie haben den Eindruck, dass sich niemand des Problems annimmt. Wir haben Verständnis für die Anwohner und versuchen, unseren Beitrag zu leisten, um das Thema Verkehrslärm in den Griff zu bekommen. Aber das können wir nicht alleine. Der politische Druck auf die Verantwortlichen muss von vielen Seiten erfolgen, damit hier eine Änderung eintritt.

Wie viele Strecken sind denn derzeit gesperrt?

Lenzen Rund 165 in ganz Deutschland.

Stichwort: Unfälle. Wie schätzen Sie die Arbeit der Polizei in der Prävention ein?

Lenzen Das ist sicher je nach Dienststelle unterschiedlich. Aber es gibt das erkennbare Bemühen, hier aktiv zu werden. Die Wuppertaler Polizei muss man dabei besonders nennen. Ansonsten ist in mehreren Regionen festzustellen, dass die Polizei auf Kontrollen und Knöllchen setzt.

Können Sie einem Nicht-Biker den Reiz der Geschwindigkeit erklären?

Lenzen Nein, denn den gibt es für mich nicht. Und diejenigen, die das Limit ausloten wollen, sollten das nicht im öffentlichen Raum machen, sondern auf der Rennstrecke. Motorradfahren ist viel mehr als Geschwindigkeit. Für mich es ein ganz besonderer Genuss, er fordert und bedient alle Sinne. Beschwingt durch Kurven zu surfen, aus der Kurve zu beschleunigen, eine Strecke zu lesen, die Natur zu genießen, das macht für mich einen Großteil des Reizes aus. Als Motorradfahrer ist man der Natur näher, man spürt den Wind, die Sonne den Regen, man riecht das Heu oder den feuchten Wald und genießt es, seine Maschine zu beherrschen. Das ist in meinen Augen auch die Voraussetzung für den Genuss. Wer viel fährt und regelmäßig Sicherheitstrainings absolviert, ist souveräner und sicherer unterwegs. Ich bin davon überzeugt, dass er auch viel mehr Freude am Fahren hat.

Wie verändert sich das Fahrverhalten im Lauf einer Biker-Karriere?

Lenzen Sicher nicht anders als beim Autofahrer. Die meisten jungen Menschen wollen sich beweisen, Grenzen austesten. Mit dem Alter steigen Sicherheitsbewusstsein und -bedürfnis. Man kennt seine eigenen Grenzen und die Risiken und fährt entsprechend.

Was fahren Sie selbst?

Lenzen Ich besitze mehrere Motorräder. Zum Interview bin ich mit einem BMW K 100 Gespann gekommen, das jetzt 28 Jahre alt ist.

Welche Einkehrmöglichkeiten schätzen Sie im Bergischen besonders?

Lenzen Ich fahre am liebsten alleine oder mit meiner Frau im Beiwagen. An Gaststätten oder Treffpunkten halte ich nur selten.

Welche ist hier Ihre Lieblingsstrecke?

Lenzen Es gibt hier viele verschiedene schöne Strecken, die ich je nach Lust und Laune verschieden kombiniere.

Und welche international?

Lenzen Schwer zu sagen. Das Stilfser Joch in den Alpen gehört aber auf jeden Fall dazu.

Haben Sie eine Traumstrecke, die Sie unbedingt einmal fahren möchten?

Lenzen Nein. Denn den Traum hätte ich mir schon lange erfüllt.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFER

(wow)
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