Kommunalpolitik Wermelskirchener Stadtrat verstrickt sich in Grabenkämpfen
Wermelskirchen · Einstimmige Entscheidungen müssen nicht auf Einmütigkeit hindeuten – auch dann nicht, wenn die Einstimmigkeit nur für die Vertagung gilt, wie in zwei Fällen auf der jüngsten Sitzung des Kommunalparlaments geschehen.
Trotz vieler einstimmiger Entscheidungen täuschte diese Einmütigkeit auf der jüngsten Sitzung des Stadtrats nicht über sichtbare Grabenkämpfe hinweg: Denn allein mit zwei einstimmigen Entscheidungen beschloss der Rat lediglich die Verschiebung der jeweiligen Tagesordnungspunkte in die nächste Ratssitzung im Mai. Die Begründung: Es gibt weiteren Beratungsbedarf. Wird der von einer Fraktion angemeldet, gehört es in Wermelskirchens Kommunalparlament zum guten Ton, dieser Bitte Folge zu leisten. Aber: Damit ist dieses Vorgehen auch ein probates Mittel zumindest bis auf Weiteres das Visier nicht öffnen zu müssen.
Vertagt ist die Entscheidung über den Tagesordnungspunkt „Änderung der Zuständigkeiten in Sachen Grundstücksverkäufe“. Der hatte zuvor für eine Diskussion gesorgt, bei der sich die Fraktionen der Freien Wähler und der Grünen selten einig zeigten. „Wir haben als Rat relativ viele Themen vor der Brust – sprich ziemlich viel Arbeit – und sprechen jetzt über Zuständigkeiten, die wir uns zurückholen sollen, obwohl wir keine Probleme haben“, fasste der Freie Wähler-Fraktionsvorsitzende Henning Rehse seine Sicht der Dinge zusammen und fügte hinzu: „Man meint, man steht im Wald.“ D
amit wies Rehse in die Richtung, um die es geht: Seit ihrem Amtsantritt im November 2020 hat Bürgermeisterin Marion Lück alle Interessensbekundungen für den Kauf städtischer Waldstücke abgelehnt. Das begründete die Verwaltungschefin im Rat: „Weil wir einen unfassbar dringenden Bedarf an Ausgleichsflächen haben. Ich gebe zu, dass das nicht mit den Rat abgestimmt war.“ Entsprechend machte die Sitzungsvorlage der Verwaltung den Vorschlag, dass der Rat die Entscheidungsfindung über Verkäufe an sich nimmt – aus Sicht der Bürgermeisterin fast schon eine Art Vertrauensfrage.
Dieses Vertrauen sprach Henning Rehse jedoch nicht ab: „Die Verwaltung hat richtige Entscheidungen getroffen.“ Es hake an einem prominenten Fall, deutete Rehse, ohne Ross und Reiter zu nennen und sich damit in datenschutzrechtliche Verbotszonen zu bewegen: „Das ist der Stoff, aus dem Amigo-Storys sind. Unsere Fraktion macht das nicht mit.“ Für die Sozialdemokraten beantragte der Fraktionsvorsitzende Jochen Bilstein die Verschiebung in den Mai und konstatierte: „Das ist eine nicht unwichtige Angelegenheit.“ Dem Ansinnen zur Vertagung stimmte Stefan Janosi, Fraktionssprecher der Grünen, zu, sagte aber auch: „Ansonsten sind wir sehr bei Henning Rehse, was selten vorkommt.“
Nach Informationen unserer Redaktion will ein Mitglied des Rats eine Waldparzellle von der Stadt kaufen und sich nicht mit der Entscheidung der Bürgermeisterin abfinden, generell kein solches Grundstück verkaufen zu wollen. Diese Unstimmigkeit könnte zu einem Rechtsstreit führen, indem das Vorgehen der Stadtspitze juristisch angefochten wird.
„Es scheint einen Konflikt um ein Waldgrundstück zwischen einem Kaufinteressenten und der Stadt zu geben. Wir haben hier einen etwas brisanteren Fall mit etwas üblem Beigeschmack“, umschrieb Oliver Platt, Fraktionsvorsitzender des Bürgerforums (Büfo), sein Bild: „Bei solch einem Verkauf muss doch ein Nutzen für die Stadt bestehen.“ Er könne sich mit der Vorlage, wonach der Rat zukünftig entscheiden solle, anfreunden, weil: „Dann hätten wir das Ding im nicht-öffentlichen Teil beendet.“ Im Klartext: Einem Grundstücksverkauf nicht zugestimmt, denn: „Ich glaube, gespürt zu haben, dass das Ding niemals mehrheitsfähig ist.“
Für die CDU warf Dr. Christian Klicki ein: „Die Politik muss nicht die Verwaltung führen. Aber Wertigkeiten und strategische Ziele können als Leitlinien in einem Liegenschaftsmanagementkonzept gesetzt werden.“ Dem hielt Henning Rehse entgegen, dass er in der Anführung des Bedarfs von Ausgleichsflächen für Flächen, die zukünftig bebaut werden sollen, durchaus eine gute Begründung und auch ein strategisches Ziel sehe: „Warum kommt das jetzt auf den Tisch – weil es in einem Fall geknallt hat, während es in anderen Fällen geklappt hat. Diese eine Parzelle, um die es da geht, ist die Diskussion nicht wert.“
Ebenfalls wegen Beratungsbedarf einstimmig verschoben (auf Vorschlag der Grünen) hat der Stadtrat einen gemeinsamen Antrag von CDU, Büfo und Freien Wählern zur Änderung der Zuständigkeitsordnung. Demnach sollen einzelne Aufgaben den jeweiligen Ausschüssen konkreter zugewiesen werden: zum Beispiel, ob für die Musikschule der Ausschuss für Kultur, Freizeit und Tourismus oder der Schulausschuss zuständig ist. Wenngleich der Zukunftsausschuss mit seinen Aufgaben noch in das Papier aufgenommen werden müsse, bezeichnete Karl-Heinz Wilke (CDU) den Antrag als stimmig: „Das Thema ist zwei Jahre alt und da hatten wir Konsens.“
Dass es keine Verteilung von Aufgaben nach „Nasen“ geben dürfe, mahnte Henning Rehse an: „Das ist eigentlich dem Rat unwürdig, denn wir machen Satzungen fachbezogen.“ Dass eine solche Zuständigkeitsordnung zur Vorberatung in den Haupt- und Finanzausschuss und danach zur Entscheidung in den Stadtrat gehöre, betonte Frank Kaluscha von den Grünen: „Es gibt hier gerade überhaupt keinen erkennbaren Konsens.“