Zukunft zu Schulform und Schulstandort in Wermelskirchen Politik muss jetzt viele Aspekte verdauen

Wermelskirchen · Neben den Finanzen spielen Raumkonzepte, Pädagogik und Klassenstärken eine Rolle bei der Entscheidung über Schulform und Schulstandort in Wermelskirchen. Die Fraktionen im Stadtrat haben jetzt gut einen Monat Zeit für ihre Beratungen.

 Die Erweiterungsbauten der Sekundarschule – als Modulbauweise als Übergangslösung auf dem Gelände der ehemaligen Grundschule und der Sporthalle errichtet.

Die Erweiterungsbauten der Sekundarschule – als Modulbauweise als Übergangslösung auf dem Gelände der ehemaligen Grundschule und der Sporthalle errichtet.

Foto: Udo Teifel

Es geht um eine Stange Geld, die die Stadt Wermelskirchen als Schulträger in die Zukunft der weiterführenden Schulen investieren muss. Neben den ursprünglich für einen Neubau der Sekundarschule an der Rot-Kreuz-Straße veranschlagten 47 Millionen Euro stehen seit der jüngsten Schulausschussitzung nun auch zwischen 13,7 und 22,7 Millionen Euro an Kostenprognose für einen Umbau des Schulstandorts Wirtsmühler Straße/Weyersbusch zur Gesamtschule im Raum. Nicht kalkulierbare Preissteigerungen im Bausektor, vom Technischen Beigeordneten Thomas Marner als „Dynamik des Baumarktes“ bezeichnet, erfassen diese Beträge nicht. Die Stadtratsfraktionen müssen die Informationen aus Schulentwicklungsplan inklusive Elternbefragung (aufgestellt von „Biregio“) und die Einschätzungen zu den Möglichkeiten am Weyersbusch vom Ingenieurbüro Hitzler nun verdauen und beurteilen – die Entscheidungen über Schulform und Schulstandort sollen dann ab dem 24. Februar fallen.

Finanzen Auch wenn Geld zurzeit noch günstig auf dem Kapitalmarkt leihbar ist, kann die Stadt Wermelskirchen dennoch nicht aus dem Vollen schöpfen. Notwendige Gebäudesanierungen nicht zuletzt an anderen Schulen, Sporthallen sowie deren Vergrößerung, oder das Hallenbad sind kein Kleinvieh und stehen ebenfalls auf der Agenda. Obendrein drängt die Zeit, denn Kosten für beispielsweise tiefergehende Planungen, die erst nach abschließenden Entscheidungen starten können, müssen im anstehenden Doppelhaushalt 2022/2023 angesetzt werden.

Modular-Neubau Weyersbusch Um den erhöhten Raumbedarf (etwa 2000 Quadratmeter) am Standort Weyersbusch zu erfüllen, empfehlen die Hitzler-Ingenieure einen Neubau auf dem heutigen Sekundarschul-Schulhof. Modularbauten stünden der klassischen Bauweise in nichts nach, betonte Thomas Marner. Sie seien auch nur marginal günstiger als herkömmliche Bauten. Die Vorteile seien die schnellere Bauzeit (am heutigen Sekundarschul-Standort gehen die Fachleute für den zusätzlichen Neubau von sechs Monaten aus) und die geringere Lärm- sowie Schmutzemmission, da die Bauteile bereits in Werkstätten vorgefertigt würden. Nachteil von Modularbauten ist die geringe Flexibilität bei Umbauten, da sich diese Gebäude zum Beispiel wegen der Statik an bestimmte Raster halten müssen, erläuterte Lukas Schürger vom Hitzler-Büro im Schulausschuss.

Sanierung Weyersbusch Bei der Sanierung der bestehenden Schulgebäude am Weyersbusch schlagen die Hitzler-Fachleute eine ähnliche Folgenutzung einzelner Trakte vor, um den Umfang der Umbaumaßnahmen möglichst gering zu halten. „Dort, wo sich jetzt die VHS befindet, könnte der Lehrerbereich untergebracht werden. Das wäre aber genauso dezentral möglich, indem Teambereiche unmittelbar in den Bereichen der einzelnen Jahrgänge angesiedelt werden“, blickte Schürger aus.

Raumbedarf Um eine Gesamtschule, die Schulform mit dem größten Raumbedarf, am Weyersbusch zu ermöglichen, errechneten die Hitzler-Experten eine benötigte Bruttogrundfläche von etwa 8000 Quadratmetern, von denen etwa 6000 existent seien. Der Bedarf für unter anderem einen kompletten Jahrgang, Bibliotheken oder Informatik- und Kunsträume könne auf der vorhandenen Fläche nicht gedeckt werden. Durch Einrichtung eines Multifunktionsbereichs wäre es möglich, dass eine Fläche sowohl als Mensa als auch als Aula diene.

Barrierefreiheit Nach Einschätzung des Fachbüros, das sich an Daten des Schulraumprogramms der Stadt Köln orientierte, ließe sich Barrierefreiheit am Weyersbusch durch die Sanierung auch im Bestand sicherstellen. Aufzüge könnten ergänzt, die sanitären Anlagen entsprechend installiert und auditive sowie taktile Signale eingerichtet werden.

Bauzeit Neubau, Sanierung und Abriss der schadstoffbelasteten ehemaligen Grundschule am Weyersbusch haben die Hitzler-Ingenieure in einzelnen Etappen aneinandergereiht, damit stets gleichzeitig ein Schulbetrieb möglich ist. Laut diesem Plan ergibt sich eine Zeitschiene von sechs Jahren bis alle Maßnahmen an einer neu gestarteten Gesamtschule am Weyersbusch abgeschlossen wären. Im Klartext: Ein Kind, dass in der fünften Klasse im ersten Jahrgang der Gesamtschule startet und die Schule nach einer regulären Laufbahn mit einem Haupt- und Realschulabschluss verlässt, erlebt dort die Beendigung der Arbeiten nicht.

Raumpädagogik Auf Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen stellte Lukas Schürger fest, dass im Vergleich zu einem kompletten Schulneubau bei einer Ansiedlung im Bestand sowohl beim pädagogischen Raumkonzept als auch beim Raumprogramm „geringfügige Einschränkungen“ hinzunehmen sind.

Folgekosten Ebenfalls auf Grünen-Anfrage legten sich die Hitzler-Experten nicht auf eine Einschätzung von Instandhaltungs- oder Risikokosten fest, weil diese abhängig vom Zustand der Substanz und der technischen Anlagen wären. Aber, sagt Schürger: „Die Betriebskosten sind bei einem Neubau in kompakter Bauweise tendenziell günstiger als bei mehreren Bestandsgebäuden.“

Mülldeponie Die vom Hitzler-Büro angedachten Sanierungs- und Neubaumaßnahmen am Weyersbusch sehen kein Antasten des Bereichs der ehemaligen Mülldeponie vor. „Von der Deponie geht keine Gefährdung aus“, betonte Hochbauamtsleiter Hartwig Schüngel. Es sei ein ungestörter Deponiekörper und solle das bleiben: „Beim Abriss der Grundschule lassen wir Bodenplatte und Keller bestehen. Darüber platzieren wir den neuen Schulhof, so die Idee.“

Klassenstärken In Anlehnung an die Schulentwicklungsplan-Prognosen hat das Hitzler-Büro für die Prüfung einer Gesamtschule am Weyersbusch eine fünfzügige Sekundarstufe I und eine dreizügige Sekundarstufe II zugrunde gelegt. „Die Zahlen, die wir verwendet haben, entsprechen dem rechtlich Möglichen – also 29 Schüler pro Klasse“, erläuterte Lukas Schürger. Ergo: Maximallast, denn der Gesetzgeber sieht Klassenstärken von 24 bis 29 vor.

Sporthalle Eine etwaige neue Schulform am Standort Weyersbusch soll, wie die heutige Sekundarschule auch, für den Sportunterricht die Schuberthalle nutzen.

Politische Aussichten Erste Reaktionen aus den Reihen der Kommunalpolitik klangen auf der jüngsten Schulausschusssitzung bereits an. So sagte Heike Lehmann (SPD): „Wir priorisieren den Standort Wirtsmühe/Weyersbusch ausdrücklich, denn wir haben dort den Platz dafür.“ Die Grünen hatten bereits im Vorfeld „erhebliche Zweifel“ angemeldet (wir berichteten), was Ulrike Schorn-Kussi bekräftigte: „Mit der Fünfzügigkeit der Gesamtschul-Sekundarstufe I ist es auf Dauer nicht getan – das sehen wir als Problem an. Und wie attraktiv ist eine Schule für Eltern, die sehen, dass dort lange gebaut und gespart wird?“ Im Gespräch mit unserer Redaktion drückte der Erste Beigeordnete Stefan Görnert seine Hoffnung auf breite politische Mehrheiten für die anstehenden Entscheidungen zur Schullandschaft aus, damit diese eine feste Basis hätten.