Pflegelotsen in Wermelskirchen Steintex hilft pflegenden Angehörigen

Wermelskirchen · Die Zahl der Angestellten, die ihre Eltern oder Ehepartner pflegen, steigt. Damit Unternehmen ihren Mitarbeitern helfen können und keine Fachkräfte verlieren, schult die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderung die Arbeitgeber.

 Ayse Tomris ist Betriebliche Pflegelotsin bei der Firma Steintex. Die 49-Jährige ist durch die Weiterbildung nochmals sensibilisiert worden für die Lebenssituation der Mitarbeiter.

Ayse Tomris ist Betriebliche Pflegelotsin bei der Firma Steintex. Die 49-Jährige ist durch die Weiterbildung nochmals sensibilisiert worden für die Lebenssituation der Mitarbeiter.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

In dem einen Moment läuft der Alltag strukturiert und geplant, im nächsten hat der Ehepartner einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder schlimmen Unfall. „Das sind persönliche Tragödien“, sagt Ayse Tomris, Geschäftsführerin bei Steintex. Von einem Tag auf den anderen ändere sich die Lebenssituation: Dann gesellen sich zu dem großen Leid unzählige Fragen. Männer und Frauen werden plötzlich und unvorbereitet zu pflegenden Angehörigen. „Dazu kommen jene Situationen, in denen Eltern zum Pflegefall werden“, sagt Ayse Tomris, „das ist manchmal auch ein schleichender Prozess, der Einfluss auf den eigenen Alltag ist trotzdem gravierend.“

In diesen Situationen wollen immer mehr Betriebe eine Stütze für ihre Mitarbeiter sein – und lassen sich entsprechend beraten. Als eines der ersten Unternehmen in der Region hat die Firma Steintex in Wermelskirchen das Zertifikat „Betriebliche Pflegelotsen“ erhalten und sich damit dem Thema gestellt. „Wenn es um Elternzeit geht, sind wir schon lange dabei mit individuellen Modellen“, sagt Ayse Tomris. Das sei ein fröhliches Thema.

Aber wenn Mitarbeiter in die Situation kommen, Partner oder Eltern zu pflegen, ist die Not groß. „Dann brauchen wir erst recht Modelle, die unsere Mitarbeiter unterstützen“, sagt die Steintex-Geschäftsführerin. Auch im eigenen Interesse: Denn in Zeiten des Fachkräftemangels könne kein Unternehmen auf gute und oft langjährige Mitarbeiter verzichten. „Die weichen Faktoren werden auch bei der Entscheidung für eine Stelle immer entscheidender“, sagt Ayse Tomris. Und dazu gehöre inzwischen auch der Umgang eines Unternehmens mit Mitarbeitern, die Angehörige pflegen. Zumal das Thema immer häufiger auftauche, ergänzt sie. Auch früher schon habe es in dem Wermelskirchener Familienunternehmen diese Situationen gegeben. „Wir sprechen darüber und suchen nach Entlastungsmöglichkeiten, so wie Familien das eben tun“, sagt Ayse Tomris. Aber dank der Schulung durch die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderung, externer Referenten und der Zertifizierung könne dieser Prozess jetzt viel professioneller angegangen werden.

Das bedeutet konkret: Ein Mitarbeiter bei Steintex, dessen Elternteil oder Partner plötzlich im Krankenhaus liegt und künftig intensive Pflege braucht, wendet sich an die Pflegelotsin. Diese Aufgabe hat bei Steintex Ayse Tomris selbst übernommen. Sie zeigt dann im ersten Schritt betriebliche Möglichkeiten auf: Das reicht von notwendigen Telefonaten während der Arbeitszeit über Gleitzeiten bis hin zu Freistellungsmöglichkeiten bis zu zehn Tagen, die im Gesetz für genau diese Situationen vorgesehen seien. Es gebe viele Möglichkeiten, dem Mitarbeiter in der akuten Notsituation entgegenzukommen und ihm Rückhalt zu signalisieren. Effektiv und ohne großen Aufwand. Und: „Ich bin Teil eines Netzwerks geworden“, sagt Ayse Tomris.

Fragen nach der Beantragung eines Pflegegrads, nach Gutachten oder der Kontaktaufnahme mit Pflegediensten kann sie nicht in allen Fällen selbst beantworten, ihrem Mitarbeiter aber die Kontaktdaten der Fachleute benennen. „Das heißt: Ich bin da, biete meine Unterstützung für gemeinsame Wege und Orientierung in einer schweren Zeit an“, erklärt die Geschäftsführerin und stellt den dicken Ordner mit Kontaktdaten und Informationen vor. Einen ganzen Werkzeugkoffer mit Hilfsmittel habe sie an die Hand bekommen. Und sie sei, dank der Weiterbildung, auch noch mal sensibilisiert worden für die Lebenssituationen der Mitarbeiter.

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