Artenschutz hat Vorrang vor Bauinteressen Bedrohte Vogelart verhindert Neubau

Wermelskirchen · Die Stadt plante, ein Grundstück des Krankenhauses zu erwerben, um dort Häuser für Flüchtlinge zu errichten. Aber dort brütet eine seltene Vogelart: der Gartenrotschwanz. Sein Schutz hat Vorrang.

Der Gartenrotschwanz  ist an der Rot-Kreuz-Straße heimisch geworden. Dort brütet er auf einem verwilderten Gartengrundstück, das die Stadt eigentlich vom Krankenhaus Wermelskirchen erwerben und bebauen wollte.

Der Gartenrotschwanz  ist an der Rot-Kreuz-Straße heimisch geworden. Dort brütet er auf einem verwilderten Gartengrundstück, das die Stadt eigentlich vom Krankenhaus Wermelskirchen erwerben und bebauen wollte.

Foto: RP/Christoph Kasulke (Nabu)

Die Stadtverwaltung streckt die Fühler nach Grundstücken aus, auch um Wohnraum für Flüchtlinge anbieten zu können. Doch eine Immobilie kann sie wieder von der Liste potenzieller Baugebiete streichen: ein Grundstück in Nähe des ehemaligen Schwesternheims auf dem Areal des Krankenhauses Wermelskirchen. Der Grund: Hier brütet der Gartenrotschwanz, ein Vogel, der auf der Liste bedrohter Arten steht. Und dieser muss nach Auffassung der Behörden geschützt werden.

„Der Artenschutz macht uns einen Strich durch die Rechnung“, sagt Bürgermeister Rainer Bleek enttäuscht, ein wichtiges Projekt nicht umsetzen zu können. Er habe viel Verständnis für den Schutz bedrohter Arten und vielerlei Prüfungskriterien vor einer Ausweisung von neuen Baugebieten. „Aber hier ist doch einiges überreguliert.“ Auf Basis des vorliegenden Gutachtens wurde ein „Bauverbot“ verhängt, denn der Gartenrotschwanz sei „ein planungsrelevanter Vogel“.

Dass Grundstück wollte die Stadt kaufen, um dort Wohnhäuser, gedacht war an Doppelhaushälften oder Reihenhäuser, für Flüchtlinge errichten zu lassen. In jedem sollten mehrere Flüchtlinge eine Bleibe finden. Später, wenn der Bedarf an Flüchtlingsunterkünften wieder sinkt, hätten dort andere Familien einziehen können – ein Zweistufenmodell.

Denn eine Unterbringungsmöglichkeiten soll komplett entfallen: In dem ehemaligen Polizeigebäude leben derzeit noch Asylbewerber, doch für dieses Objekt gibt es nach dem Willen der Politik andere Pläne, die in Zusammenhang mit dem Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzept stehen. So soll dort eine Quartiersbegegnungsstätte mit einem Beratungspool entstehen.

Eigentlich wollte die Stadt das Wohnbauprojekt am Krankenhaus schon 2017 angehen, der Bebauungsplan hätte aktualisiert werden müssen, so Bleek. Der Aufsichtsrat des Krankenhauses hatte im September 2017 dem Verkauf des knapp 600 Quadratmeter großen Grundstücks an der Rot-Kreuz-Straße auf der gegenüberliegende Seite des ehemaligen Schwesternheims zugestimmt, sagt Christian Madsen, Geschäftsführer des Krankenhauses Wermelskirchen, auf Nachfrage dieser Redaktion. Der Verkaufspreis wurde nach dem Richtwert für Grundstücke in diesem Bereich ermittelt: 115.000 Euro. „Den Erlös haben wir nicht in unseren Etat eingeplant“, so Madsen. Allerdings wäre der Betrag angesichts des Investitionsbedarfs im Hause und der tatsächlichen finanziellen Ausstattung der Krankenhäuser durch das Land willkommen gewesen. Nun bleibe nichts anderes übrig, als das Grundstück liegen zu lassen. Nach der Kaufoption erfolgte schließlich die Artenschutzprüfung. Während der Vegetationsperiode nahm ein vom Kreis beauftragter Experte das Areal unter die Lupe und entdeckte, dass sich der vom Aussterben bedrohte Vogel dort auf dem verwilderten Gartengrundstück niedergelassen hatte und brütet, berichtet Rainer Bleek.

Es gebe zwar zwei Optionen, das Grundstück dennoch zu bebauen, aber die kämen eher nicht in Frage: eine Strafe zahlen oder den Gartenrotschwanz umsiedeln. Dazu müsste ein passendes Areal für die Vogelart hergerichtet, das heißt, entsprechend bepflanzt werden. Zudem müssten ihm Nisthöhlen angeboten werden. „Das dauert drei bis fünf Jahre, eine Erfolgsgarantie gibt es aber nicht“, sagte Bleek im Gespräch.

Der Gartenrotschwanz ist ein Zugvogel. Er brütet von April bis August auch in Deutschland, er überwintert jedoch in südlichen Gefilden. Mit dem Auflichten von Wäldern, der Anlage parkartiger Landschaften und Streuobstwiesen hatte der Mensch jahrhundertelang günstige Lebensräume für den Gartenrotschwanz geschaffen, doch die heutige Landschaft biete ihm allerdings nach Angaben des Nabu immer weniger Raum. Auch Veränderungen im Winterquartier, das in afrikanischen Savannen liegt, haben seine Bestände drastisch schrumpfen lassen.

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