Fit in den Vereinen in Wermelskirchen Wenn Gymnastik den Alltag rettet

Wermelskirchen · Kleine Übungen mit großem Effekt: Die Sitzgymnastik der „Initiative 84“ unterstützt Patienten im Kampf gegen die Multiple Sklerose.

 Übungen für Körper und Seele: Jeden Mittwoch bietet die „Initiative 84" die Sitzgymnastik für Menschen mit Multipler Sklerose an.

Übungen für Körper und Seele: Jeden Mittwoch bietet die „Initiative 84" die Sitzgymnastik für Menschen mit Multipler Sklerose an.

Foto: Theresa Demski

Karin Jäger strahlt in die Runde. Ihr Blick folgt ihrem Arm, der langsam nach hinten schwingt. „Dank dieser Übung komme ich nachher ein ganzes Stück weiter“, sagt sie. Und dann legt sie noch eine Extra-Runde der Trainingseinheit ein. Auf Schulterhöhe schwingt der Arm weiter nach hinten. Das sind genau jene Momente, in denen der Körper bei Menschen mit Multipler Sklerose gerne versagt. In denen er den Patienten Grenzen aufweist. Dann sorgt die neurologische Erkrankung dafür, dass Menschen immer eingeschränkter werden in ihren Bewegungen, dass ihnen Arme und Beine, Hände und Füße nicht mehr gehorchen.

„Ohne Übungen würde der Körper vieles gar nicht mehr machen können“, sagt auch Arnd Greinacher. Aber so leicht wollen die Teilnehmer der Sitz-Gymnastik der „Initiative 84“ es der Krankheit nicht machen. Und deswegen treffen sie sich jeden Mittwochnachmittag im Sportraum der Kattwinkelschen Fabrik und trainieren.

„Gerade sitzen“, erinnert Arnd Greinacher. Dann holt er den kleinen, grünen Ball aus der Tasche. Jede Übung trägt hier den Namen eines Teilnehmers – auch um sie sich besser einprägen zu können. Der Ball macht nun die Runde. Einmal auftitschen, dann über dem Kopf die Hände wechseln und an den Sitznachbarn weitergeben. Das alles in der richtigen Reihenfolge über die Bühne zu bringen, bedarf der Konzentration. „Und damit sind wir mittendrin in unserem Konzept“, sagt Greinacher. Das nämlich fußt auf drei Säulen: Reaktion, Koordination und Konzentration. Jede Säule ist während der gemeinsamen Stunde Sitzgymnastik für MS-Patienten gleichermaßen gefragt. Wenn die Arme in verschiedene Richtungen schwingen, wenn die Ellbogen die Knie berühren oder die Füße kleine Schritte tun, dann beginnt der Körper spürbar zu arbeiten. Dann kommt der Kreislauf in Schwung, der Körper in Bewegung.
„Jeder macht das, was ihm möglich ist“, sagt Arnd Greinacher. Denn die Teilnehmer der Gruppe befinden sich in ganz verschiedenen Stadien der Krankheit. Eine Dame kommt im Rollstuhl zum Kursus, einer anderen merken Außenstehende die Spuren der Multiplen Sklerose gar nicht an. Einer kann seine Knie nicht bewegen, der andere hat Probleme in den Armen. Manchmal machen die Teilnehmer dann gut gelaunt einen Witz. Sie würden die Übungen selbstverständlich mental mitmachen, sagen sie dann lachend und wischen sich den Schweiß von der Stirn. Obwohl alle Übungen im Sitzen stattfinden: Der Körper wird gefordert. Und dafür bedankt er sich. „Wir sind im Laufe der Zeit richtig gut geworden“, sagt Karin Jäger. Nach den Ferien spüren die Teilnehmer die Pause in jedem Knochen. „Was wir hier machen, das machen wir für uns“, sagt Karin Jäger.

Und dann kommt sie noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen: „Das hier ist für mich der wichtigste Termin in der ganzen Woche“, erklärt sie. Und zwar vor allem wegen des sozialen Faktors. Hier gebe es Raum zum Gespräch mit Menschen, die mit ähnlichen Hürden zu tun haben. „Hier lachen wir zusammen“, sagt Karin Jäger.

Und wenn die Sitzgymnastik nach 60 Minuten endet, dann steht ein gemeinsames Kaffeetrinken auf dem Programm. „Das tut dann der Seele gut“, sagt Karin Jäger. Und so entpuppt sich der wöchentliche Kursus der „Initiative 84“ als Gewinn für den Körper und für die Seele.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort