Vorträge vom Krankenhaus Wermelskirchen im Bürgerzentrum Tabuthema Inkontinenz aufbrechen

Wermelskirchen · Anlässlich der weltweiten Kontinenz-Woche veranstaltet das Krankenhaus Wermelskirchen eine Informationsveranstaltung unter dem Titel "Was tun, wenn der Halt fehlt" im Bürgerzentrum.

 Stephan Ganz, Chefarzt der Gynäkologie am Wermelskirchener Krankenhaus bei seinem Vortrag zum Thema: Inkontinenz.  Foto: Jürgen Moll

Stephan Ganz, Chefarzt der Gynäkologie am Wermelskirchener Krankenhaus bei seinem Vortrag zum Thema: Inkontinenz. Foto: Jürgen Moll

Foto: Jürgen Moll

Inkontinenz ist immer noch ein Tabuthema. Das will die Krankenhaus Wermelskirchen anlässlich der 14. Welt-Kontinenz-Woche, die noch bis zum 26. Juni andauert, aufbrechen. Mit drei Vorträgen im Rahmen einer Informationsveranstaltung unter dem Titel „Was tun, wenn der Halt fehlt“ beleuchteten die Referenten sowohl Harn- als auch Stuhl-Inkontinenz, Ursachen und Therapien. „Das ist ein Thema, über das man nicht gerne spricht“, konstatierte Dr. Arif Yaksan. Der Moderator leitete zum Chefarzt der Gynäkologie im Krankenhaus, Stephan Ganz, über: „Harn-Inkontinenz betrifft vorrangig die Gynäkologie.“ Ganz seinerseits bezeichnete die Inkontinenz als Hauptaufgabe seiner Abteilung: „Es gibt kein Gießkannenprinzip zur Therapie, denn unterschiedliche Ursachen lösen verschiedene Formen der Harn-Inkontinenz aus.“

Dass häufig Frauen von dem Problem betroffen sind, habe seine Ursache in Geburten. „Dabei werden Bindegewebseffekte gesetzt“, stellte Stephan Ganz fest: „Oft fällt das nicht in jungen Jahren, sondern erst später auf.“ Auslöser von Harn-Inkontinzenz könnten Östrogenmangel, Medikamente wie Antidepressiva, operative Traumata, Unfälle, Tumore, Harnwegsinfekte (Ganz: „Nicht jeder dieser Infekte tut weh, so dass sie teils unbemerkt bleiben“) oder generell Alter sein. Zu unterscheiden wären Stress- und Drang-Harn-Inkontinenz. Bei erstgenannter ist der Schließmuskelapparat zu schwach, Therapie wären Stärkung der Muskulatur, Tampons, Pessare und die Unterfütterung der Blase, gegebenenfalls operativ, und eine lokal-vaginale Östrogenisierung. Bei der Drang-Harn-Inkontinenz, bei der der Harndrang plötzlich einsetzt, wäre genauso die Muskulaturstärkung angezeigt. Darüber hinaus Medikamente, das Wasserlassen „nach der Uhr“ und möglicherweise das Spritzen von Botox in die Blase, wodurch diese erschlafft und der Harndrang reduziert wird. Denn: DIe Drang-Harn-Inkontinenz gibt es in trockener (man muss, es kommt aber nichts) und nasser Form.

Oberarzt Maximo Corominas Cishek lenkte den Fokus auf Stuhl-Inkontinenz, die fünf bis sieben Prozent (plus Dunkelziffer) der Bevölkerung beträfe. Auf einen Fall mit männlichem Betroffenen entfielen vier bis fünf weibliche Patientinnen. „Die Diagnostik ist sehr kompliziert, wegen vieler Faktoren, die eine Rolle spielen“, sagte Maximo Corominas Cishek: „Auch bei Stuhl-Inkontinenz ist Beckenbodentraining immer hilfreich.“ Konservative Therapien bestünden durch Medikamente, anale Irrigation oder Hilfsmittel wie Analtampons. Operative Therapien ermöglichten eine Schließmuskel-Rekonstruktion, eine Korrektur des Analtraktes oder eine Rektopexie (operativer Eingriff am Enddarm). Dazu könnte eine sakrale Nervenstimulation hilfreich sein.

Vor den 35 Zuhörern schloss Sabine Schröder von der Firma Heise Medizintechnik aus Dortmund den Vortragsreigen ab, in dem sie auf das Biofeedback-Verfahren einging. Dabei wird eine Art Sonde in den After oder die Vagina eingeführt, um Impulse an die Muskulatur abzugeben, was den Beckenboden stimuliert. Die Impulsstärke lasse sich einstellen, auf fünf Sekunden Muskulaturanspannung folgten zehn Sekunden -entspannung. „Pflicht ist dabei einmal täglich 20 Minuten. Die Kür ist die Anwendung zweimal täglich je 20 Minuten“, erklärte Sabine Schröder.

Einen abschließenden Appell richtete Dr. Arif Yaksan an die von Inkontinenz betroffenen Menschen, die unfreiwilig unter sozialen und hygienischen Problemen leiden würden: „Nutzen sie die Sprechstunde im Krankenhaus.“
Stephan Singer

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