Reittherapie in Wermelskirchen Vom Frieden auf dem Rücken der Pferde

Halzenberg · Ursula Weishaupt hat viel von ihren Pferden gelernt. Weil sie um die heilende Wirkung der Vierbeiner weiß, ist sie Reittherapeutin geworden.

 Reittherapeutin Ursula Weishaupt mit Amira (11)  und Beauty (26).

Reittherapeutin Ursula Weishaupt mit Amira (11)  und Beauty (26).

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Amira trottet gemütlich durch den weichen Sand. Als wisse die Haflinger-Stute um ihre wertvolle Fracht, bewegt sie sich ruhig und konzentriert. Das Mädchen auf ihrem Rücken strahlt – und auch Ursula Weishaupt lächelt. „Pferde sind ein Spiegel deiner eigenen Seele“, sagt sie dann und blickt ihrer Stute und dem Mädchen nachdenklich hinterher. Sie selbst hat diese Erfahrung oft gemacht. „Die Pferde sind von ihrem Naturell aus erstmal ganz offen und freuen sich über die Aufmerksamkeit“, erzählt die erfahrene Reiterin, „aber wenn du gestresst und zickig in den Stall kommst, dann spiegeln sie dir schnell dein eigenes Verhalten.“ Ursula Weishaupt kennt diese Momente, in denen ihr Amira oder ihre braune Stute Beauty ganz klar zu verstehen geben: „Beruhig dich, sonst wird das hier heute nichts.“ Und nicht selten halfen die beiden stolzen Tiere ihrer Reiterin auf diese Weise, zur Ruhe zu kommen. „Ich habe so viel gelernt von meinen Pferden“, erzählt sie, „und ich lerne immer noch.“  

Diese Erfahrung will sie nun auch anderen Menschen ermöglichen – Kindern, die es schwer haben im Leben oder Patienten, die unter Spastiken, den Folgen eines Schlaganfalls oder Muskelerkrankungen leiden. Deswegen hat die 39-Jährige eine berufsbegleitende Ausbildung zur Reittherapeutin gemacht – als erfahrene Reiterin und Quereinsteigerin. Und dabei geht es dann um deutlich mehr als Stressabbau. „Das Pferd überträgt seine dreidimensionalen Bewegungen auf den Reiter“, erklärt sie, „er gibt kaum eine andere Möglichkeit, um diese Impulse zu bekommen.“ Und Ursula Weishaupt erlebt, wie eben diese Impulse wirken: Gleichgewicht, Haltung und Balance werden trainiert. Und Muskeln entspannen sich. „Dann steigen Patientinnen, die durch Spastiken ihre Finger nicht mehr strecken und ihre Hände nur sehr eingeschränkt bewegen können, plötzlich vom Pferd und streicheln mit entspannten Fingern das weiche Fell“, erzählt Ursula Weishaupt. Oder eine Frau, die als junges Mädchen Reitunterricht hatte, kehrt nach ihrem Schlaganfall langsam, aber glücklich auf das Pferd zurück. „Die Reittherapie vollbringt keine Wunder, aber sie tut gut und kann viel bewirken“, sagt Ursula Weishaupt. Und vor allem zaubere sie auf so viele Gesichter ein echtes Lachen zurück.

„Meinen Pferden ist es völlig egal, ob Menschen Gehfehler oder Spastiken haben“, sagt die Reiterin. Meistens beginnt es mit einem ersten Kennenlernen, mit Putzen, Streicheln und Spaziergengehen, bevor die Kunden sich in den Sattel setzen. Jeder habe sein eigenes Tempo, sagt Ursula Weishaupt. Und deshalb hat sie diese Einsicht auch zu ihrer Philosophie werden lassen: „Die Ruhe der Pferde“ hat sie ihr Reittherapie-Angebot getauft. Um sie wirken zu lassen, gibt die 39-Jährige Tieren und Patienten viel Raum – und erinnert sich an ihre eigenen Anfänge. „Das war klassisch“, sagt sie, „ich habe mit zehn oder elf ständig Bille und Zottel gelesen.“

Und weil sie keine Ruhe gab, lenkte ihr Vater irgendwann ein und das Mädchen bekam erste Reitstunden auf dem Haflinger Aladin. „Damals wurde ich mit dem Pferdevirus infiziert“, erzählt sie. Und seitdem kann sie sich einen Alltag ohne Pferde nicht mehr vorstellen. Schon als Jugendliche seien ihr die Pferde zum Lehrmeister geworden, sagt sie und erzählt von Haflingerstute Simona – einer eigenwilligen, eingefahrenen alten Dame, die Nerven mitbrachte und ihr selbst Geduld beibrachte. „Damals habe ich auch gesehen, was man mit den Pferden erreichen kann“, erzählt sie. 2002 kaufte sie dann die braune Stute Beauty, acht Jahre später die Haflinger-Stute Amira. Turniere seien nie ihre Sache gewesen, aber in diesem Jahr begann sie mit „Working Equitation“ – Pferd und Reiter messen sich in Dressur, Trail und Rinderarbeit. „Eine gute Schule auch für die Reittherapie“, sagt Ursula Weishaupt, die auch selber nach fast 30 Jahren noch Reitunterricht nimmt. „Man lernt nie aus“, ist sie sich sicher.

Jeden Tag nach der Arbeit im Büro führt sie ihr Weg nun in den Stall nach Halzenberg. Ob ihr das niemals lästig werde? Ursula Weishaupt macht große Augen. „Lästig? Nie!“ Und dann wendet sie sich wieder den beiden Tieren zu, die vertrauensvoll ihre Köpfe auf die Schulter der Reiterin legen.

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