Amtsgericht in Wermelskirchen Verfahren gegen 69-Jährigen wegen Beleidigung eingestellt

Wermelskirchen · In der ersten Verhandlung nach der bundesweiten vorübergehenden Aussetzung aller Verhandlungen wurde mit Abstandsregeln, Acrylglasscheiben vor der Richterbank und Masken für alle Anwesenden verhandelt.

 Vor dem Wermelskirchener Amtsgericht musste sich jetzt ein 69-jähriger Mann aus Wermelskirchen verantworten.

Vor dem Wermelskirchener Amtsgericht musste sich jetzt ein 69-jähriger Mann aus Wermelskirchen verantworten.

Foto: dpa/Uli Deck

Da saß er selbst nicht mal hinterm Steuer, als der Wagen in eine Verkehrskontrolle kam, doch weil er die Kontrolle nicht einfach so hinnehmen wollte, fand sich ein 69-Jähriger jetzt vor dem Wermelskirchener Amtsrichter wieder. In der ersten Verhandlung nach der bundesweiten vorübergehenden Aussetzung aller Verhandlungen wurde mit Abstandsregeln, Acrylglasscheiben vor der Richterbank und Masken für alle Anwesenden verhandelt. Ungewohnt, aber letztlich nötig – und angesichts der ohnehin sehr hohen Auslastung der Gerichte wohl auch sehr sinnvoll.

Was war passiert? Der 69-Jährige war an einem Abend im Juli 2019 zusammen mit drei Freunden auf der Dhünner Straße vom Haus Eifgen aus in Richtung Busbahnhof unterwegs, als die Polizeibeamten den Wagen stoppten. An sich sei es eine Routinekontrolle gewesen, der die Fahrerin auch nachgekommen sei. Der angetrunkene 69-Jährige habe, so stand es in der Anklageschrift, jedoch nicht an sich gehalten und seinen Unmut in provozierenden und beleidigenden Kommentaren kundgetan. So solle er zur 22-jährigen Polizeianwärterin gesagt haben: „Ey Mädchen, komm mal her, zeig dich, ich will dich ansehen.“ Zu den drei Polizisten vor Ort habe er gesagt: „Das ist doch scheiße, habt ihr nicht anderes zu tun?“ Zudem solle er gedroht haben, „eine schöne Geschichte für den Wermelskirchener Anzeiger“ über die Kontrolle schreiben zu wollen. Die Aussagen hätten dann in einem „Ihr seid Scheißer. Schreiben Sie das auf: Sie sind alle Scheißer“ gegipfelt. Er könne sich nicht mehr an jedes einzelne Wort erinnern, sagte der 69-Jährige, räumte aber die Aussagen grundsätzlich ein. „Bis auf die letzten Sätze habe ich das so gesagt. Aber ich sehe das nicht als Beleidigung an“, sagt er. „Zu Ihrer Kenntnis: Alleine das Duzen der Polizistin ist schon Missachtung“, warf der Staatsanwalt ein. „Beleidigung ist aber etwas anderes als Missachtung“, gab der Angeklagte zurück. Insgesamt waren fünf Zeugen geladen, zwei Mitfahrer im Auto und drei Polizeibeamte. Die Fahrerin und ihr Partner mühten sich, den Angeklagten in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Dabei übertrieb es vor allem die 34-jährige Zeugin etwas, so dass sowohl Richter als auch Staatsanwalt sie darauf hinwiesen, dass sie im Zeugenstand die Wahrheit zu sagen habe.

Nach dem Ende der Beweisaufnahme sagte der Richter zum Staatsanwalt und dem Angeklagten: „Ich denke mal laut. Sie sind an diesem Abend übers Ziel hinausgeschossen. Ich bin auch davon überzeugt, dass Sie den Satz ‚Ihr seid Scheißer‘ gesagt haben. Aber ich möchte Sie, der Sie nicht vorbestraft sind, jetzt auch nicht wegen einer vergleichsweise kleinen Angelegenheit verurteilen.“ Der Staatsanwalt sah das ähnlich, warf aber noch ein: „Ich hätte es charmant gefunden, wenn Sie die Gelegenheit genutzt hätten, um sich bei den Beamten für Ihr Verhalten zu entschuldigen. Dennoch stimme ich zu, das Verfahren gegen die Zahlung von 750 Euro an eine caritative Einrichtung einzustellen“, sagt er.

Auch der Angeklagte stimmte dem Vorschlag zu, betonte aber in seinen letzten Worten nochmals, nicht „Ihr seid Scheißer“ gesagt zu haben. Den Geldbetrag soll der 69-Jährige an die Deutsche Hirntumorhilfe zahlen.

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