Kammertheater Rheinland Szenische Lesung zur Reichspogromnacht fesselt

Wermelskirchen · Seit 2004 ist das Kammertheater Rheinland mit einer szenischen Lesung auf Tour. „Empfänger unbekannt“ heißt das Stück, das Wolfgang Müller-Schlesinger und Michael Meierjohann in beeindruckender Weise präsentieren.

 Die Zuschauer im Haus Eifgen verfolgten mit großer Aufmerksamkeit dem Stück des Kammertheaters Rheinland.

Die Zuschauer im Haus Eifgen verfolgten mit großer Aufmerksamkeit dem Stück des Kammertheaters Rheinland.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Mit einem offiziellen Schreiben der Parteiführung der NSDAP wurden jüdische Gotteshäuser und Geschäfte im Vorfeld des 9. November 1938 zur Zerstörung und Plünderung freigegeben. Nicht heimlich, nicht versteckt, ganz offen wurden Zerstörung und Mord legalisiert. „Ich glaube, die berühmte Stecknadel ist gefallen“, sagte Moderator Uwe Engelbracht, nachdem die Lesung beendet war und die beiden Schauspieler mit viel Applaus bedacht wurden. Mehr als eine Stunde hatten die Zuhörer gebannt dem Geschehen gelauscht.

Seit 2004 ist das Kammertheater Rheinland mit der szenischen Lesung auf Tour. „Empfänger unbekannt“ heißt das Stück, das Wolfgang Müller-Schlesinger und Michael Meierjohann in beeindruckender Weise präsentieren. Die Handlungsorte sind New York und München. Die beiden Freunde Max und Martin betreiben einen Kunsthandel und eine Galerie in Amerika. Sie sind geschäftlich sehr erfolgreich. Es besteht ein reger Briefwechsel, der abwechselnd an den beiden Handlungsorten dargestellt wird.

Erschreckend ist die Veränderung von Martin, der in Deutschland immer mehr in den Sog der Nationalsozialisten gerät. Es sind persönliche und geschäftliche Vorteile, aus denen trotz anfänglichen Zweifeln, Überzeugung und letztendlich auch eine Mitschuld entsteht.

Max in New York ist Jude, und sein Freund distanziert sich immer weiter von ihm. Der wiederum sendet erfundene verschlüsselte Nachrichten, die den ehemaligen Freund in Deutschland in Verdacht bringen. Das Stück endet mit dem Hinweis „Empfänger unbekannt“. Das bedeutet, dass der Empfänger nicht mehr existiert.

Die Entwicklung wird so nachvollziehbar dargestellt, dass den Zuschauern Angst wird. Bedrückend, dass so eine Entwicklung auch heute möglich wäre. „Deshalb sind wir unterwegs und spielen dieses Stück hauptsächlich in Schulen“, sagt Schauspieler Müller-Schlesinger.

Mindestens 1200 rechte Übergriffe im Jahr 2017 machen die Dramatik deutlich. Als sich Hans-Joachim Lietzmann, Sprecher des AfD-Vorstands in Wermelskirchen zu Wort meldete, bestand die Gefahr, dass die Veranstaltung kippte. Dank Moderator Engelbracht und Bürgermeister Rainer Bleek konnte dies verhindert werden. „Heute ist kein Platz für eine parteipolitische Diskussion“, sagte Bleek. „Die völkisch nationalen Töne sind ein Echo aus dem Dritten Reich“, sagte Stefan Janosie. „Die NSDAP hatte am Anfang auch nur 2,6 Prozent der Stimmen. Da ist die AFD heute schon viel weiter“.

Bedrückend sei die Frage, ob sich die Entwicklung wiederholen kann und wie jeder Einzelne reagiert. Die Ausgrenzung habe begonnen. Übergriffe auf Juden nähmen zu, und die Sündenböcke seien heute Asylanten und Flüchtlinge. Jeder müsse sich da die Frage stellen: „Habe ich den Mut, das Richtige zu tun?“.

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