Wermelskirchener Erklärung Die Zivilgesellschaft muss Gesicht zeigen

Wermelskirchen · Mehrere Privatpersonen haben die „Wermelskirchener Erklärung“ für Zusammenhalt und Solidarität, für Demokratie, Aufklärung und Stadtkultur veröffentlicht. Es gibt mehr als 250 Unterzeichner – darunter auch die Bürgermeisterin.

 Hückeswagener demonstrierten am Montagabend gegen die „Spaziergänger“. Dazu aufgerufen hatte die Bürgergruppierung „Wir sind mehr im Bergischen“.

Hückeswagener demonstrierten am Montagabend gegen die „Spaziergänger“. Dazu aufgerufen hatte die Bürgergruppierung „Wir sind mehr im Bergischen“.

Foto: Jürgen Moll

Das Wort „Spaziergang“ hat im Jahr 2021 seine Unschuld verloren. Spätestens seit die sogenannten Querdenker, deren verschwörungsmythologische und demokratiefeindliche Ausrichtung mittlerweile als gefestigt gilt, nicht mehr nur alleine durch die Straßen gehen, sondern sich immer mehr auch Rechtsextreme und Neonazis daruntermischen, kann es passieren, dass man befremdete Blicke erntet, wenn man den einst harmlosen Satz sagt: „Ich gehe auf einen Spaziergang.“ Auch in Wermelskirchen gibt es solche „Spaziergänger“, die als Vorwand für ihre Betätigung ihre Unzufriedenheit mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie angeben, sich in Wirklichkeit aber gegen die Demokratie und die Mehrheitsgesellschaft positionieren.

Der Wermelskirchener Wolfgang Horn sieht diese Bewegung sehr kritisch. „Wenn man sich in Telegram-Gruppen wie ‚Widerstand in Wermelskirchen‘ umsieht, dann ist das sehr befremdlich bis sogar gefährlich, was man dort zu lesen bekommt“, sagt er. Zusammen mit Gleichgesinnten, darunter die Pfarrerin Dorothea Hoffrogge sowie die Journalisten Thomas Wintgen und Armin Himmelrath, hat Horn sich dann überlegt, dagegen ein Zeichen setzen zu wollen. „Es gibt ja bereits die ‚Gummersbacher Erklärung‘ in Oberberg, die haben wir uns ein wenig als Vorbild genommen“, sagt Horn. Gemeinsam habe man eine „Wermelskirchener Erklärung“ formuliert, die am vergangenen Donnerstag auf der Internetseite Forum Wermelskirchen veröffentlicht wurde – und direkt eine stattliche Zahl von Erstunterzeichnern gefunden hat. „Es hat eine gewisse Eigendynamik gewonnen, weil wir die Erklärung an alle unsere Kontakte geschickt haben – die haben sie dann wiederum weitergeleitet und so fort“, sagt Horn.

Mit dabei ist auch Wermelskirchens erste Bürgerin Marion Lück. „Ich habe unterschrieben, weil ich es wichtig finde, an dieser Stelle ein Zeichen zu setzen“, sagt die Bürgermeisterin. Die Corona-„Spaziergänge“ seien im Moment noch überwiegend friedlich, würden aber zunehmend von anderen Gruppierungen unterwandert, die sie für ihre Zwecke missbrauchten. „Diese Veranstaltungen finden unter bewusster Missachtung unserer demokratischen Mittel der Meinungsäußerung statt – das ist gefährlich und schadet unserer Demokratie“, sagt Marion Lück. Es sei wichtig, zu zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen mit den Maßnahmen einverstanden sei, die Notwendigkeit von Impfungen verstehe und für die demokratischen Werte einstehe.

Auch Moderator Horst Kläuser aus Remscheid hat unterzeichnet. „Spazieren ersetzt nicht Vernunft“, sagt er. Und ergänzt: „Und querdenken keine Tatsachen.“ Wer die Corona-Gefahr in Frage stelle, stelle sich gegen Gesellschaft und das Gemeinwohl. „Erst recht, wenn man Rechtsextreme an seiner Seite duldet“, sagt Kläuser. Für Dorothea Hoffrogge war es keine Frage, an der Erklärung teilzunehmen. „Die Demokratie, basierend auf unserem Grundgesetz, hat dazu geführt, dass ich mein Leben in Frieden und Freiheit verbringen darf. Aus der Geschichte heraus, sehe ich es als meine Verantwortung, die Gefährdung der Demokratie offen und öffentlich anzusprechen“, sagt sie.

Und auch die pensionierte Lehrerin Marie-Louise Lichtenberg hat sich sofort für die Unterschrift entschlossen. „Ich will mich solidarisch mit denen zeigen, die gegen Hetze, Hass, Wissenschafts- und Demokratieverständnis, Verschwörungsmythen und rechtsgerichtete Gruppierungen sind. Besonders durch die sozialen Medien können sehr schnell und meist anonym Menschen beeinflusst und aufgehetzt werden“, sagt sie.

 Marion Lück 
  Foto: moll (archiv)

Marion Lück Foto: moll (archiv)

Foto: Jürgen Moll

Es sei die übergroße Mehrheit, die so denke, da ist sich Horn sicher. „Die Zivilgesellschaft muss wahrgenommen werden. Weil die ‚Spaziergänger‘ viel lauter sind, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Gesellschaft auf der Kippe steht. Das ist aber nicht der Fall“, sagt Horn. Allerdings müsse man wachsam bleiben. Denn nach der vergleichsweise harmlosen Corona-Krise, stehe die Klimakrise an. „Und diese wird mit ihren Auswirkungen auf die Menschen und die Gesellschaft wesentlich schlimmer“, sagt Horn. Jetzt würden die Samen für eine potentielle Spaltung der Gesellschaft gelegt, die sich dann später umso schlimmer auf die Demokratie auswirken könnten. „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, auch wenn wir das lange Zeit sicher so gedacht haben“, sagt Horn. Man müsse wachsam bleiben und immer dazu bereit sein, sich für die Demokratie einzusetzen. „Und wir müssen Gesicht zeigen“, betont er.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort