Verkehr in Wermelskirchen Rettungsfahrten werden oft ausgebremst

Wermelskirchen · Lautes Musikhören, Überforderung oder Dreistigkeit verursachen oft brenzlige Situationen für Einsatzkräfte.

 Haben schon viele Fahrten zusammen gemeistert: Notarzt Carsten Wagner (r.) und Feuerwehrmann Stephan Hasse am Steuer.

Haben schon viele Fahrten zusammen gemeistert: Notarzt Carsten Wagner (r.) und Feuerwehrmann Stephan Hasse am Steuer.

Foto: Deborah Hohmann

Als Verkehrsteilnehmer kennt man die Situation: Man sitzt im Auto, möglichst noch im dichten Berufsverkehr, und plötzlich hört man Sirenen oder sieht Blaulicht hinter sich aufblinken. Die Insassen der Einsatzfahrzeuge kennen die Situation umso besser, werden ihre Fahrten, bei denen es auf Sekunden aufkommt, häufig durch unaufmerksames oder rücksichtsloses Verhalten behindert.

„Eigentlich sollte man meinen, unser Martinshorn ist laut genug“, sagt Carsten Wagner, Notarzt aus Wermelskirchen. Tatsächlich übertöne jedoch häufig die Musik im Auto die Geräusche von draußen. „Die Leute haben teilweise eine Disco im eigenen Auto, da kann es dann schon eine Weile dauern, bis wir wahrgenommen werden.“ Dabei drängt bei Einsätzen, zu denen Wagner mit dem sogenannten Notarzteinsatzfahrzeug (kurz: NEF) gebracht wird, die Zeit: Denn er wird immer dann gerufen, wenn ein Rettungswagen mit Notfallsanitätern nicht ausreicht. „Das NEF ist sogesehen der Zubringer des Notarztes“, erklärt Wagner, der während seines Medizinstudiums am Steuer von Rettungswagen saß – jetzt erlebt er die Fahrten vom Beifahrersitz aus.

Neben ihm sitzt oft Feuerwehrbeamter Stephan Hasse, der seit rund 15 Jahren das NEF durch den Wermelskirchener Verkehr steuert. Auch er sieht im lauten Musikhören eine der größten Ursachen dafür, dass Autofahrer die Sirene nicht hören. „Das hat sich schon verstärkt“, sagt er. „Natürlich haben Leute immer schon Musik und Radio im Auto gehört – aber nicht in der Lautstärke.“ Doch nicht immer sei das Musikhören oder anderweitige Unaufmerksamkeit schuld. „Oft sehen oder hören uns die Leute zwar“, berichtet Notarzt Wagner, „geraten dann aber in Panik und handeln genau entgegengesetzt dessen, was uns voranbringen würde.“

Das Beste, das man bei Blaulicht und Sirenen hinter sich machen kann? „Rechts ranfahren, anhalten und erstmal stehen bleiben“, sagt Wagner. „Und zwar wirklich anhalten und nicht langsam weiterrollen.“ Denn das bringe so gut wie gar nichts. „Wir müssen ja beim Überholen auch auf den Gegenverkehr achten und uns deswegen darauf verlassen können, dass die Autos, die wir überholen, stehen.“ Was häufig passiere: Autos bleiben parallel zu Verkehrsinseln oder in Kurven stehen. „Das ist zwar gut gemeint, überholen können wir dann aber trotzdem nicht“, sagt Hasse. Und es gibt einen weiteren Klassiker, den der Feuerwehrmann verrät: „Es scheint eine Gesetzmäßigkeit zu sein, dass Autos in beiden Fahrtrichtungen exakt auf derselben Höhe anhalten – so dass wir nicht durchpassen.“

Unsicherheit scheint also eine große Rolle zu spielen, die sich auch im Befolgen der Verkehrsregeln widerspiegelt. „Wir erleben es immer wieder, dass wir an eine Kreuzung ranfahren und dann von einem Auto blockiert werden, das vor der roten Ampel steht und sich nicht wegbewegt“, berichtet Wagner. Wer jedoch Platz für ein Einsatzfahrzeug schafft, darf dafür auch eine rote Ampel überfahren. Wenn dabei geblitzt wird, lässt sich das im Nachhinein klären. Natürlich müsse man in erster Linie darauf achten, niemanden zu gefährden, sagt Wagner. „Deswegen gilt: nicht blind über die rote Ampel fahren sondern vorsichtig rantasten.“ Die Regeltreuheit treffe übrigens nicht nur auf Autofahrer zu. „Manchmal läuft auch ein Fußgänger in aller Seelenruhe quer vor uns über die Straße – weil er grün hat.“

Die Einsatzfahrten erlebt also auch Wagner auf dem Beifahrersitz nicht weniger intensiv. „Wenn man dann mit Blaulicht über eine Kreuzung fährt und von rechts ein Auto auf sich zurasen sieht, dann hofft man einfach, dass alles gut geht.“ Zwei Unfälle während des Einsatzes hat er schon miterlebt, bei denen einmal ein Bus und das andere Mal ein PKW in den Einsatzwagen reinfuhr – in beiden Fällen hatten die Fahrer den Wagen trotz Blaulicht übersehen.

Doch Wagner und Hasse vermelden auch eine positive Entwicklung: Die Rettungsgasse, das bekräftigen beide, funktioniere zunehmend besser. „Viele meinen jedoch, sobald ein Einsatzwagen durchgefahren ist, kann man sie auflösen“, so Wagner. Meistens kämen aber noch Fahrzeuge wie ein zusätzlicher Rettungswagen oder ein Abschleppwagen hinterher. Deswegen sollte ein paar Minuten abgewartet werden. „Doch auch hier gibt es dann die ganz dreisten, die sich in die Rettungsgasse einschleusen, manchmal hinter uns, manchmal sogar noch vor uns, und Gas geben“, berichtet Wagner.

Trotz der oft erlebten brenzligen Situationen im Straßenverkehr und des Drucks, möglichst schnell am Einsatzort anzukommen, sei von Adrenalin im Einsatz keine Spur. „Mit der Routine kommt die Sicherheit“, so Wagner. Trotzdem sei kein Einsatz wie der andere. Deshalb sei es wichtig für beide, Fahrer und Notarzt, sich aufeinander verlassen zu können. Das ist bei den beiden offensichtlich der Fall: „Wenn man viel zusammen fährt, dann weiß man, was der andere macht – auch wenn man gerade nicht hinguckt.“

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