Ausstellung im Wermelskirchener Rathaus Porträts erzählen Geschichte der Flucht

Wermelskirchen · 70 Besucher waren zur Vernissage der Foto-Ausstellung „Flucht früher und heute“ von Marie-Louise Lichtenberg ins Rathaus gekommen. Die Ausstellung ist bis Anfang November zu sehen.

 Marie-Louise Lichtenberg vor zwei Porträts ihrer Ausstellung im Wermelskirchener Rathaus. Ihr Wunsch: Sie will in den Dialog treten, über die Bilder, über die Geschichten, über die Menschen.

Marie-Louise Lichtenberg vor zwei Porträts ihrer Ausstellung im Wermelskirchener Rathaus. Ihr Wunsch: Sie will in den Dialog treten, über die Bilder, über die Geschichten, über die Menschen.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Es sind großformatige Porträtfotos, sie hängen an den Wänden im ersten Stock des Rathauses. Sie zeigen Menschen. Geflüchtete Menschen. Menschen, die vor vielen Jahrzehnten als Folge des Zweiten Weltkriegs fliehen mussten, sie hängen auf der einen Seite. Menschen, die wegen der Gefahr durch Krieg und Terror im 21. Jahrhundert keinen anderen Ausweg als die Flucht sahen. Ihre Porträts hängen auf der anderen Seite. Sie alle sind Teil der Ausstellung „Flucht früher und heute“ der Wermelskirchener Künstlerin und Autorin Marie-Louise Lichtenberg, die Montagabend eröffnet wurde. 70 Menschen waren gekommen, um sich die Bilder anzusehen und die Geschichten dazu auf Texttafeln zu erfahren. Entnommen hatte Lichtenberg die Lebens- und Fluchtgeschichten ihren beiden Büchern, auf denen die Ausstellung fußt.

Bürgermeister Rainer Bleek wies auf das Thema Flucht hin. Sie habe sowohl in der jetzigen Zeit eine große Bedeutung, Wermelskirchen habe aber auch im Nationalsozialismus Fluchterfahrungen gemacht. Beide Zeitebenen würden sich in den Bildern wiederfinden. „Ich bin mir sicher, dass die Porträts und die Geschichten, die dahinter stecken, zum Nachdenken bringen werden“, sagte Bleek. Die unterschiedlichen Zeiten könnten dem Betrachter helfen, eine neue Perspektive und einen neuen Zugang zum Thema Flucht zu geben. Er freute sich zudem über den regen Zuspruch zur Vernissage: „Es ist auch nicht so, dass die Stadt regelmäßig solche Ausstellungen anbietet. Insofern freut es mich besonders, dass so viele Menschen gekommen sind“, sagte Bleek.

Marie-Louise Lichtenberg ging auf das buntgemischte Publikum ein. „Das habe ich mir gewünscht – dass viele Menschen aus unterschiedlichen Generationen und Ländern hier sein werden.“ Das 20. Jahrhundert sei ein Jahrhundert der Flucht gewesen, sagte die Autorin und ging auf die Epochen seit dem Ersten Weltkrieg ein, in denen Menschen sich auf die Flucht begeben hätten müssen. Nur um dann zu ergänzen: „Aber die Flucht ist ein wiederkehrendes Thema in der Geschichte der Menschheit. Es ist kein neues Thema.“ So verwies sie etwa auf die heiligen Schriften des Judentums und des Christentums, in denen immer wieder von Flucht und Vertreibung die Rede sei. Und auf einen Ausspruch des römischen Schriftstellers Cicero: „Ich weiß sehr wohl, vor wem ich flüchten muss. Nicht aber wohin“, habe Cicero zu Zeiten der römischen Bürgerkriege geschrieben.

Die Zahlen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen würden eine deutliche Sprache sprechen: „Ende 2018 waren weltweit 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht. Im Schnitt werden jede Minute 25 Menschen zur Flucht gezwungen. Es lohnt sich, sich mit diesen Zahlen zu beschäftigen. Man wird schnell erkennen, dass die Menschheitsgeschichte eine Migrationsgeschichte ist“, sagte Marie-Louise Lichtenberg.

Die Geschichten, die die Autorin in ihren Büchern aufgeschrieben hat, mögen aus unterschiedlichen Zeiten stammen – sie ähneln sich jedoch. „Und dabei spielt es keine Rolle, ob sie 1945 spielt und der Mensch aus den damaligen Ostgebieten zurück nach Wermelskirchen musste oder ob eine junge Frau aus Syrien nach Deutschland fliehen muss“, sagte Marie-Louise Lichtenberg. Angst und Misstrauen in der neuen Heimat, der Verlust von Arbeit, Freunden, Familie und Vertrautheit der alten Heimat – all das teilten Menschen auf der Flucht zu jeder Zeit. Aber sie würden auch von der Hoffnung erzählen – auf ein neues und besseres Leben.

Lichtenbergs Wunsch für ihre Ausstellung sei es, in den Dialog zu treten. Über die Bilder, über die Geschichten, über die Menschen. „Denn wenn wir das vormals Unbekannte kennenlernen, dann verschwindet auch die Angst davor“, sagte sie.

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