Interview mit Optikermeister Daniel Voß „Der Körper ist ein Gesamtkunstwerk“

Wermelskirchen · Daniel Voß ist seit 22 Jahren Optikermeister in Wermelskirchen. Im Interview spricht er über häufige Augenleiden, spezielle Kontaktlinsen für Kinder und die Möglichkeit, die Augen zu schonen.

 Optiker Daniel Voß in seinem Untersuchungsraum an der Eich 18.

Optiker Daniel Voß in seinem Untersuchungsraum an der Eich 18.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Herr Voß, welche ist das häufigste Augenleiden, mit dem Sie zu tun haben?

Daniel Voß Hauptsächlich sind das die Kurz- und Weitsichtigkeiten, die Hornhautverkrümmungen und die Nahleseschwächen. Worauf wir uns zudem spezialisiert haben, ist die Kontaktlinsenkorrektur. Also Sehschwächen und die sogenannte Myopieprävention.

Was ist das?

Voß Das Verfahren betrifft Kinder. Bei dieser Präventionsart kann man durch spezielle Kontaktlinsenanpassung die Verstärkung der Kurzsichtigkeit vermeiden. Die Kurzsichtigkeit bei Kindern wird ja immer schlimmer, und durch diese Kontaktlinsen kann man sie in jungen Jahren stoppen. Das Prinzip ist dabei, dass das Baulängengefüge des Auges nicht zu lang wird. Denn je länger das Auge, umso anfälliger ist es für Folgeerkrankungen.

Die Sehschwächen betreffen aber alle Altersgruppen?

Voß Ja, das ist richtig. Da sind Kunden von 3 bis 105 Jahren hier. Bei der Myopie sind vor allem Kinder von bereits kurzsichtigen Eltern betroffen, da es sich um ein erbliches Problem handelt.

Welche Augenkrankheiten gibt es außerdem noch?

Voß Ja, etwa den sogenannten Keratokonus, das ist eine Verspitzung der Hornhaut, die nur durch Kontaktlinsen ausgeglichen werden kann. Wir sind ein Keratokonus-Zentrum, die Patienten kommen mit der Diagnose vom Augenarzt direkt zu uns und wir machen hier dann die Kontaktlinsenanpassung. Der Einzugsbereich für diese Behandlung ist auch recht groß, wir haben Patienten, die etwa aus Essen oder Köln nach Wermelskirchen kommen.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Augenarzt und Optiker aus?

Voß Wir haben bei Krankheiten am Auge relativ viele Berührungspunkte. Beim gesunden Auge haben wir hingegen wenig Kontakt. Denn dann gibt es ja nichts gesund zu machen. Wir bieten hier auch Netzhautvorsorgeuntersuchungen an, die Daten schicken wir dann zum Augenarzt, der dann die Auswertung übernimmt. Ansonsten bin ich jetzt seit 22 Jahren als Optiker vor Ort in Wermelskirchen, und die Zusammenarbeit mit den Augenärzten ist immer problemlos. Wir ergänzen uns, stehen in keinerlei Konkurrenz zueinander. Bei uns geht es um dasselbe Organ, aber wir haben unterschiedliche Berufe. Wenn wir merken, am Auge könnte etwas erkrankt sein, dann schicken wir den Kunden zum Augenarzt – und umgekehrt schickt er uns den Patienten, wenn es um eine Sehschwäche geht.

Nimmt die Sehkraft der Menschen heutzutage schneller ab als früher?

Voß Die Kurzsichtigkeit nimmt seit mehreren Jahrzehnten zu, besonders die stärkeren Kurzsichtigkeiten. Dieses Phänomen beobachten wir tatsächlich schon länger. Das ist auch gefährlich, weil eben wegen der bereits erwähnten Baulängenfehler der Augen die Wahrscheinlichkeit sehr stark ansteigt, als Folge verschiedene Netzhauterkrankungen zu bekommen. Manche nennen dieses Phänomen auch „Augenpest“, weil die Tendenz dazu seit einigen Jahren so stark angestiegen ist. In Asien ist es etwa so, dass rund 85 Prozent kurzsichtig sind.

Welche Faktoren beeinflussen die Sehkraft der Augen?

Voß Vor allem das verstärkte Gucken im Nahbereich ist eine stetige Belastung für die Augen. Das hat sich auch deutlich verändert, so viel wie Kinder heute im Nahbereich gucken, haben das frühere Generationen nicht getan. Der Nahbereich ist der sogenannte ergreifliche Bereich im Inneren. Fernsehen umfasst etwa den Nahbereich, man sagt, dass der Weitbereich über vier Meter anfängt. Wenn man ein heutiges Kind beobachtet, stellt man fest, dass es 80 bis 90 Prozent im Nahbereich unterwegs ist.

Kann man seine Augen schonen?

Voß Man sollte dieses Fehlverhalten vermeiden, das ist klar, aber das ist heutzutage auch schwierig. Richtige Ernährung spielt eine wichtige Rolle, denn der Körper ist ein Gesamtkunstwerk. Wer sich schlecht ernährt, läuft leichter Gefahr, Augenerkrankungen zu bekommen. Eine ausgewogene Ernährung mit Vitamin A – A für Auge! – und Vitamin C ist wichtig für die Entwicklung des Auges.

Welche Rolle spielt die vermehrte Arbeitszeit vieler Menschen an Bildschirmen?

Voß Auch hier gilt, dass wir merken, dass immer mehr Bildschirmarbeitsplatzbrillen nötig werden. Das Problem hier ist, dass immer mehr Informationen auf einem Bildschirm untergerbacht werden – das heißt: die Bildschirme werden größer. Größer heißt aber nicht nur, dass er breiter wird, sondern auch höher. Und das wiederum bedeutet, dass bei Brillenträgern über 40 Jahren, bei denen der Lesebereich unten ist, die normalen Brillen nicht mehr funktionieren. Sie müssen den Kopf dann so sehr in den Nacken nehmen, dass sie sich die Wirbelsäule hinten quetschen. Die Kopf-Körperhaltung sollte also normal sein, was durch die Bildschirmarbeitsplatzbrillen ermöglicht wird.

Wie sieht es mit Handybildschirmen aus?

Voß Hier ist vor allem das UV-Licht der Displays ein Problem. Die neueren Modelle haben den sogenannten Shutter, der bei Dämmerung oder dunkleren Lichtverhältnissen eine andere Beleuchtungstechnik nutzt. Das kann und sollte man durch spezielle Brillengläser unterstützen, die einen Blaukantenfilter verarbeitet haben. Diese reduzieren das schädliche UV-Licht und erhöhen die Kontrastsehschärfe an digitalen Geräten bei Dämmerung und Nacht. Das ist mit etwa 15 Euro Mehrkosten pro Glas ein erschwinglicher Aufpreis, den man sich bei den heutigen Nutzungszeiten der Mobilfunkgeräte auf jeden Fall leisten sollte. Auch sonst ist es nicht verkehrt, weil immer mehr LED-Licht in unserer Welt vorhanden ist – und das LED-Licht hat das für die Netzhaut schädliche UV-Licht.

Kann es den Augen schaden, wenn man mit zu schwacher Brillenstärke lebt?

Voß Das schadet nicht nur den Augen, sondern dem ganzen Körper. Es kann zu migräneartigen Kopfschmerzen oder zu starken Verspannungen im Nacken und der Wirbelsäule führen. Das Auge ist unser sensibelstes Organ, es ist am stärksten mit den Nervenzellen im ganzen Körper verschaltet. Wenn man etwa ohnmächtig wird, wird einem zuerst schwarz vor Augen, dann kippt man um. Das ist ein Warnsignal. Man sollte diese Warnsignale auf jeden Fall ernstnehmen. Immer wenn etwas nicht so funktioniert, wie gewohnt, sollte man zum Spezialisten gehe – letztlich auch, um Krankheiten auszuschließen.

Welche Signale gibt es, dass mit den Augen etwas nicht in Ordnung sein könnte?

Voß Stärkere Müdigkeit ist ein Signal – das kann natürlich auch etwa mit der Schilddrüse zusammenhängen. Aber eben auch mit Problemen am oder im Auge. Es sind ja schleichende Prozesse, die nicht von Montag auf Dienstag kommen, sondern von Januar bis Dezember. Grundsätzlich gilt der Dreiklang: Prävention, Kontrolle, Vorsorgeuntersuchung. Es ist wie beim Zahnarzt – vielleicht merkt man gar nicht, dass der Zahn kaputt ist, aber wenn man nicht zum Zahnarzt geht, ist er irgendwann kaputt.

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