Arbeiten in Wermelskirchen „Wir brauchen die Menschen auch live“

Wermelskirchen · Als Coach und Mediatorin arbeitet Petra Motte in der Corona-Pandemie nur noch im Homeoffice. Das erfordert durchaus Umstellungen – privat und auch beruflich.

 Petra Motte arbeitet nur noch von Zuhause aus. Für sie als Trainerin, Beraterin, Coach und Mediatorin ist es Fluch und Segen zugleich.

Petra Motte arbeitet nur noch von Zuhause aus. Für sie als Trainerin, Beraterin, Coach und Mediatorin ist es Fluch und Segen zugleich.

Foto: Jürgen Moll

Frau Motte, was machen Sie beruflich?

Petra Motte Mein Beruf umfasst eine große Bandbreite im Themenbereich Kommunikation. Einordnen könnte man es unter der gängigen Sparte: Trainerin, Beraterin, Coach, Mediatorin.

Haben Sie sich durch Corona in Ihrer Tätigkeit verändern müssen?

Motte Oh ja, alle Aufträge, die sich nicht verschieben ließen, mussten online abgewickelt werden.

Wann haben Sie sich dazu entschieden, ins Homeoffice zu wechseln?

Motte Spätestens, als ich zu einem bestimmten Zeitpunkt einen vollständigen Auftragsausfall verzeichnen musste – Not macht erfinderisch.

Gab es für Sie zum damaligen Zeitpunkt Alternativen?

Motte Abgesehen davon, dass ich mich dazu hätte entscheiden können, gar nicht mehr zu arbeiten. Aber das war für mich keine Option.

Wie lange sind Sie jetzt schon im Homeoffice tätig?

Motte Es gab auch zuvor schon Homeoffice – aber immer als freiwilligen Ankerpunkt für Konzeption und Buchhaltung. Das Geld habe ich allerdings immer „draußen“ verdient.

Waren dazu größere Umbaumaßnahmen zu Hause nötig?

Motte Ja, ich habe mein Arbeitszimmer so umgebaut, dass kein virtueller Hintergrund nötig ist, wenn man im virtuellen Meeting sitzt. Außerdem musste ich noch einiges an Peripherie-Geräten anschaffen.

Wie muss man sich selbst umstellen, um so arbeiten zu können?

Motte Mein erster Impuls war, dass ich an sich keine große Ambition hatte, mir die technischen Notwendigkeiten für die Online-Arbeit anzueignen – und bin durch alle Täler gewandert. Da gab es für meine Familie so einiges auszuhalten. Ich bin ein „Menschen-Mensch“ – wenn dann plötzlich alles nur noch über Mausklick funktionieren soll, ist das, als müsse man der Eintagsfliege die Geschichte Chinas erklären. Nach und nach habe ich mich über viele intensive Trainingseinheiten weiter qualifiziert und hatte irgendwann das Gefühl, sicher im Sattel zu sein. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die mentale Frage. Ein alter Glaubenssatz lautet: Vertrauen lässt sich nicht digitalisieren. Da ich mit meinen Kunden und Klienten teilweise schon viele Jahre zusammenarbeite, war das eine riesige Transferleistung. Zum Glück durfte ich einen großen Vertrauensvorschuss genießen, und es war egal, auf welchem Kanal ich denn nun kommen würde – die Hauptsache war, dass wir irgendwie weiterhin zusammenarbeiten konnten. So haben wir uns anfänglich über einige Pannen amüsiert. Keiner hat technische Perfektion erwartet, denn alle standen am Anfang dieser sprunghaften digitalen Entwicklung.

Welche weiteren Umstellungen gab es?

Motte Eine große Umstellung gab es für mich im Coaching-Bereich. Während die großen Live-Workshops einfach auf später verschoben wurden, blieb der Bedarf an Coaching und Beratung akut. Da ist es nicht so, dass man über eine neue Küche parliert, es geht ans Eingemachte. Menschen befinden sich in schwierigen Lebenssituationen, das kann nicht warten. Gerade jetzt kommen viele Ängste und Sorgen hinzu. Das möchte ich sofort mit meinen Klienten angehen können. Es stellte sich für mich die Frage, ob wir diese Vertrautheit auch im digitalen Kontext erreichen können. Schließlich sehe ich von meinem Klienten nur eine kleine Kachel auf dem Bildschirm. Körpersprache und bestimmte Bewegungen werden nicht gezeigt. Also musste ich mich in eine neue Form der Analytik hineindenken und mich mehr auf die Stimme, auf den Gesichtsausdruck und Augenreize fokussieren. Ich war erstaunt, wie gut diese Umstellung gelungen ist, und wie intensiv doch die Wahrnehmung meines Gegenübers auch digital gelingen kann.

Welche Fallstricke gibt es bei der Arbeit von zu Hause aus – und wie kann man sie erkennen?

Motte Es ist Fluch und Segen zugleich. Ich kann ja an sich immer arbeiten – und genauso gut nicht arbeiten. Da braucht es viel Disziplin und eine gute Struktur. Wenn ich viel zu tun habe, stehe ich gerne morgens um 5 Uhr auf und arbeite in Ruhe an bestimmten Themen. Tagsüber lauern dann diese kleinen Verführungen, die einen schnell aus der Arbeit herausholen können. Schwierig wird es, wenn ich in einer seriösen Online-Sitzung bin oder ein internationales Training durchführe. Dann hoffe ich, dass weder der Paketdienst noch sonst wer klingeln, damit es in meinem Hintergrund ruhig bleibt. Manchmal ist es auch amüsant. Einmal hat während des Online-Trainings mein Hund laut gebellt, und es wurde gleich das Lied „Who Let The Dogs Out“ zitiert, und wir alle hatten unseren Spaß. Ich denke, mit einem anderen Familienmanagement sind die Fallstricke größer. Meine Kinder sind erwachsen. Von vielen Kollegen mit jüngeren Kindern höre ich häufig, wie schwierig die Balance zwischen Home-Schooling, den privaten Verpflichtungen und der Homeoffice-Zeit ist.

Welchen großen Vorteil gibt es für Sie durch die Arbeit im Home-office?

Motte Auch wenn ich sehr gerne bei meinen Kunden vor Ort bin, so ist doch viel Reisezeit weggefallen. Ich arbeite als Dozentin an einer Uni in Stuttgart. Seit mehr als einem Jahr sind wir im Online-Modus. Auch meine Trainings in den USA und in China haben letztlich online stattgefunden. Tja, da bin ich dankbar, dass diese Veranstaltungen überhaupt stattfinden konnten, so nach dem Motto: lieber online als gar nicht, denn schließlich geht es ja auch um mein Einkommen. Ein großer Vorteil ist auch, dass die Menschen mittlerweile unbefangener mit Online-Zeit umgehen. Auch wenn wir die digitalen Möglichkeiten schon länger zur Verfügung haben, wäre noch vor einem Jahr niemand auf die Idee gekommen, diese so intensiv zu nutzen. Heute geht es mal eben per Mausklick und wird immer selbstverständlicher. Mit einigen Organisationen pflege ich einen regelmäßigen Austausch – früher war dies durch die Fahrtzeit oft sehr stressig, heute geht es entspannt online. Die Reisezeit und die damit verbundenen Kosten sehe ich auch als großen Vorteil bei meinen Kunden. Wenn wir im Online-Training mit acht Nationen ein bestimmtes Thema bearbeiten, kann man sich ausrechnen, was dies bei einer Veranstaltung vor Ort an Flug- und Hotelkosten verursacht hätte.

Wie mussten Sie sich mit Ihrem Partner diesbezüglich arrangieren?

Motte Zum Glück hatten wir räumlich keine Herausforderung, da ich schon von jeher viel im Homeoffice gearbeitet habe, nur eben nicht online. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich es ohne meinen Partner nicht geschafft hätte, mich auf diese ganze komplexe Thematik einzulassen. Ich war mehrmals an dem Punkt, alles hinzuwerfen. Heute blicke ich versöhnlich zurück und denke – alles richtig gemacht.

Sollte grundsätzlich mehr im Homeoffice gearbeitet werden?

Motte Die Frage ist ja, wo es sinnvoll ist. In manchen Firmen verwaisen die Büroräume, und man fragt sich, warum man die Arbeit nicht schon längst umgestellt hat. In anderen Fällen müssen „Laptop-Arbeitende“ nah an den Produktionsprozessen bleiben.

Glauben Sie, dass diese Form der Arbeit die Gesellschaft verändern kann?

Motte Ich würde sagen: Wir spüren es täglich. Das Ausmaß der virtuellen Welt wird auch in Zukunft unsere Realität bleiben. Da gibt es kein zurück. Vieles wird sich modifizieren, jedoch ist ein digitaler Tsunami durch die Arbeitswelt gegangen.

Gibt es auch Menschen, die absolut nicht dafür geeignet sind?

Motte Ja, natürlich. Ich denke, es ist selbsterklärend. Sämtliche Berufe in der Produktion, Medizin, Einzelhandel oder im Gesundheitswesen lassen sich kaum in die Homeoffice-Kategorie pressen. Wir brauchen die Menschen auch und vor allem live – das ist das, worum sich alles andere herum entwickeln kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort