Schulpolitik in Wermelskirchen Mehr Chancen durch eine Gesamtschule
Wermelskirchen · Mit seiner Präsentation zur Gründung der neuen Schulform in Wermelskirchen sorgt der Bildungsforscher und Moderator der städtischen Konzeptgruppe, Prof. Heinz Günter Holtappels, für Entspannung im Schulausschuss.
Aufmerksame Zuhörer werden gehört haben, wie der Kommunalpolitik die Steine von den Herzen gefallen sind. Die Zeiten der bissigen Nachfragen und Diskussionen scheinen vorerst vorbei. Nach der Präsentation von Professor Heinz Günter Holtappels von der Technischen Universität (TU) Dortmund, der bei der Stadt die Konzeptgruppe zur Gründungsvorbereitung der Gesamtschule moderiert, zeigten sich im Schulausschuss gelöste Minen. „Die Präsentation lässt den Rückschluss zu, dass der Rat der Stadt richtig entschieden hat“, kommentierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Marco Frommenkord. Conchita Encina Finken von den Grünen stellte fest: „Es muss jetzt sitzen.“ Und Ulrike Schorn-Kussi, ebenfalls für die Grünen im Schulausschuss, resümierte: „Die Konzeptgruppe arbeitet unter hohem Zeitdruck. Es gilt, die Verwaltung zu unterstützen. Wir sind zufrieden mit der Entwicklung.“
Mit diesen Kommentaren zu der Holtappels-Präsentation ließen es die Schulausschuss-Mitglieder, von denen einige zuletzt noch unverdrossen nachgehakt hatten, bewenden. Der Schulausschuss-Vorsitzende Jochen Bilstein (SPD) zeigte sich mit dem Sachstand zur Vorbereitung der Gesamtschule ebenfalls zufrieden: „Jetzt muss der Verwaltung Zeit und Raum gegeben werden.“
Heinz Günter Holtappels, der sich seit über 40 Jahren mit Forschung zu Bildung und Schule beschäftigt, hatte zuvor allgemeingültige Fakten, die für die Schulform der Gesamtschule sprechen, erläutert. So sei in der Zeit zwischen 1970 bis 2021 die Hauptschule die Verliererin der Entwicklung, auch die Realschulen mussten in den vergangenen zehn Jahren zurückgehende Schülerzahlen hinnehmen. „Eine Erfolgsschulform ist dagegen nach wie vor das Gymnasium“, sagte der Referent. Ebenso die Gesamtschule: „Zwischen 2010/2011 und 2020/2021 ist der Anteil aller Schüler der achten Klassen an der Gesamtschule von 15,8 auf 27,5 Prozent gestiegen trotz sinkender Gesamtschülerzahlen. Der Anteil der Gymnasiasten ist im gleichen Zeitraum stabil geblieben.“
Die Zahl der Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen ist von 2006 bis 2020 von 727 auf 187 gesunken, die Anzahl der Gesamtschulen von 217 auf 352 gestiegen, führte der Fachmann aus: „Kleinstädte wie Wermelskirchen können nicht alle rechtlich möglichen Schulformen vorhalten.“ Gewinner dieser Entwicklungen seien die Schulformen Gymnasium und Gesamtschule.
Das Stichwort Bildungsgerechtigkeit führte Holtappels als gewichtiges Argument für die Gesamtschule ins Feld und erteilte der „Zuweisung“ von Schülern auf eine weiterführende Schulform durch die Grundschulen eine Absage: „Die begabungstheoretische Begründung für die Zuordnung zu verschiedenen Schulformen ist nicht stichhaltig.“ Diese sei vielmehr sogar grundgesetzwidrig. „Die Logik der Sortiererei klappt nicht. An den Grundschule funktioniert zwar die Analyse der Schüler, aber Prognosen sind nicht möglich.“ Die hierarchische Gliederung verhindere die Ausschöpfung der Bildungspotenziale, sagte Holtappels: „Da bringt die Gesamtschule mehr Chancen ins Spiel.“
Der Existenz von Gymnasium und Gesamtschule in einer Stadt attestierte Heinz Günter Holtappels eine hervorragende Möglichkeit für eine gute Zusammenarbeit. In Wermelskirchen ginge es darum, das Auspendeln von Schüler an Schulen in Nachbarstädte zu verhindern, damit die Kinder „nicht die Bindung zu ihrer Stadt verlieren“. „Das Konzept für die neue Gesamtschule entwickelt allein die Schule. Dabei hat die Kommunalpolitik nichts zu suchen“, untermauerte Holtappels. Die Konzeptgruppe sorge für die Information der Eltern und entwickele einen „groben Rahmen“ für das Schulkonzept, weil die Eltern „nicht die Katze im Sack kaufen“ wollten.
Schulamtsleiter Andreas Voss teilte mit, dass der Stadtverwaltung der Gründungsbescheid zur Gesamtschule von der Bezirksregierung vorliege und dass mittlerweile eine PR-Agentur beauftragt sei: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass diese Agentur bereits andere Kommunen bei so einem Prozess begleitet hat.“ Die PR-Kampagne werde sich von Oktober bis Januar mit unter anderem Homepage, Pressearbeit, Newsletter und Social Media in Kooperation mit der Konzeptgruppe erstrecken. Eine Informationsveranstaltung am 22. November und Informationsabende in den Grundschulen gehören demnach auch zur Vorbereitungsphase.