Was macht eigentlich Marita Bahr? Sozial stark engagiert – aber ohne Stress

Wermelskirchen · Marita Bahr war die erste weibliche Leiterin des Gymnasiums. Bis sie sich vor zwei Jahren vorzeitig pensionieren ließ. Heute macht sie viel Musik und engagiert sich ehrenamtlich.

 Marita Bahr leitete zehn Jahre lang das Städtischen Gymnasiums Wermelskirchen.

Marita Bahr leitete zehn Jahre lang das Städtischen Gymnasiums Wermelskirchen.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Marita Bahr brauchte nicht lange, um sich an den vorzeitigen Ruhestand zu gewöhnen. Eigentlich habe es gar keine Gewöhnungsphase gegeben, sagt die ehemalige Leiterin des Gymnasiums, die 2018 für die Öffentlichkeit überraschend von der Spitze der größten weiterführenden Schule am Ort abtrat. Dass ihr der verfrühte Abschied leicht fiel, erklärt sie heute so: „Ich hatte mich gedanklich und mit Vorgesprächen vorbereitet.“ Zudem sei der Entschluss, nicht bis zum 65. Lebensjahr zu warten, schon nach ihrem 60. Geburtstag gereift.

Wer mit der 65-Jährigen spricht, spürt sofort, dass sie ihren Beschluss nicht bereut hat. Denn die im Bergischen Land tief verwurzelte Wermelskirchenerin ist auch zwei Jahre nach dem Ende der Verantwortung für mehr als 1000 Schüler tatkräftig geblieben. Allerdings mache sie jetzt nur noch Dinge, die keine Belastung darstellen: „Wenn ich mich mittlerweile stark für den Bergischen Geschichtsverein engagiere oder im Weltladen Wermelskirchen aushelfe, dann sind das Aufgaben, die ich freiwillig übernehme.“ Nicht zu vergleichen „mit der enormen Verantwortung, die es bedeutet, ein Gymnasium dieser Größenordnung zu führen.“ Eine Wortwahl, die zeigt, dass sich Bahr ihrer besonderen Verantwortung bis zuletzt sehr bewusst war.

Dabei musste sich die zierliche Musikwissenschaftlerin, die seit vielen Jahren mit einem Berufspianisten verheiratet ist, schon früh an Führung gewöhnen: 1993 stieg sie als noch junge Lehrerin zur Fachleiterin für Musik am Ausbildungsseminar in Wuppertal auf. Zwei Jahre später war die passionierte Klavierspielerin bereits Leiterin eines Hauptseminars für allgemeine Didaktik. Sie profilierte sich weiter, bis sie 2008 die Direktion des Gymnasiums in Wermelskirchen übernahm.

Für Bahr, die auch gerne Volkswirtin geworden wäre, war es mehr als nur ein zusätzlicher Karriereschritt: Sie kehrte an einen Ort zurück, an dem sie selbst Abitur gemacht hatte und wo der Grundstein für ihre zahlreichen Interessen gelegt wurde. Ihre Begeisterung für Geschichte beispielsweise habe keineswegs nur etwas mit ihrem Studium der Musikwissenschaften zu tun: „Ich hatte auch einen entsprechend interessanten Unterricht in der Schule.“

Selbst die Freude am Musizieren bringt sie mit Wermelskirchen in Verbindung: „Es gab schon damals viele Plätze, an denen regelmäßig Live-Musik gespielt wurde.“ Generell könne sie über die Stadt sagen, „dass es hier schon immer ein reiches kulturelles Leben gegeben hat und darüber hinaus sehr viel soziales Engagement“. Daran habe sich zum Glück nichts geändert: „Man braucht sich nur anzusehen, wie gut die Bürger von Wermelskirchen die Flüchtlinge integriert haben oder wie fantastisch die Wermelskirchener Tafel funktioniert. Diese Beispiele lassen sich vielfältig fortsetzen, angefangen von der Freiwilligenbörse bis zum Reparatur-Café.“ Auch ihr sei stets klar gewesen, „dass ich mich nach meiner Pensionierung nicht in einen gutbürgerlichen Kokon zurückziehen, sondern in der Gesellschaft Aufgaben übernehmen würde“. Das indes in einem klar definierten Maße: „Es darf aus sozialem Engagement kein Stress erwachsen.“ Denn bei aller Überzeugung für die Notwendigkeit, Gemeinnütziges zu tun: Der Schulleiterin ist immer noch sehr bewusst, dass sie mit dem vorgezogenen Ruhestand in erster Linie Zeit für sich und ihren Mann gewinnen wollte: „Der Grund waren unsere vielen gemeinsamen Hobbys, die wir nur praktizieren können, solange wir beide noch gesund sind.“ Bahr verweist auf die regelmäßigen Konzerte, die sie als Klavierduo mit Auftritten in Städten wie Wuppertal, Köln, Düsseldorf und Bochum realisieren: „Dabei präsentieren wir Musik des 18. bis 20. Jahrhunderts.“

Zudem verbinde sie „eine gemeinsame Liebe zu Freizeitaktivitäten wie geologische Entdeckungen, Skifahren und Bergwandern in Österreich“, wo das Paar eine Ferienwohnung besitzt: „Unter normalen Umständen und wenn nicht gerade das Coronavirus grassiert, verbringen wir dort mehrere Monate im Jahr.“ Die Wohnung sei eine zweite Heimat geworden.

Dennoch wollen sie dem Bergischen treu bleiben: „Das liegt daran, dass mein Mann zwar gebürtiger Düsseldorfer ist, aber schon 1963 ins Bergische Land zog. Und die Familie meiner Mutter stammt sogar schon seit Generationen von Wermelskirchen.“ Dieser Aspekt motiviere sie auch ganz besonders bei der Mitarbeit am Buch des Bergischen Geschichtsvereins zum Stadtjubiläum 2023. Das Projekt anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Stadt gilt als sehr ambitioniert. Für Bahr ist das jedoch kein Problem: „Wenn ich etwas kenne, dann sind es Herausforderungen.“ Daran hat sich offenbar auch in ihrem Ruhestand nichts geändert.

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