Serie Mein Wermelskirchen: Braunsberg „Ich weiß, dass ich hier nicht alleine bin“

Wermeslkirchen · Vor etwa 20 Jahren hat die „Evangelische Jugendhilfe Bergisch Land“ am Braunsberg die erste Wohngruppe eröffnet.

 Stadtteilserie 2018 - Ev. Jugendgruppe in der Wohnanlage Braunsberg  v.l. Cornelia Tauschel und Vanessa Voigt

Stadtteilserie 2018 - Ev. Jugendgruppe in der Wohnanlage Braunsberg v.l. Cornelia Tauschel und Vanessa Voigt

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Als Melli an den Braunsberg kam, wurde es schon dunkel. „Ich kann mich noch genau an den Abend erinnern“, erzählt die Zwölfjährige. Wenn das Mädchen lacht, dann lacht sie über das ganze Gesicht, und ihre Augen glitzern ein bisschen. Natürlich sei sie damals aufgeregt gewesen. Neue Menschen, ein neues Zimmer. „Und erst mal ist es komisch“, sagt sie. Aber dann traf sie die anderen Mädchen, sie lernte die Erzieherinnen kennen, die zeitweilig in dem großen, weißen Reihenhaus leben. Sie bezog ihr Zimmer und macht es für eine Weile zu ihrem Zuhause. Melli kaufte eine Orchidee, die nun in schönsten Farben auf der Fensterbank blüht, sie entschied sich für bunte Schubladen für ihr Regal und lilafarbene Rahmen, die noch darauf warten, mit Fotos gefüllt zu werden.

Wenn Mädchen die Wohngruppe der „Evangelischen Jugendhilfe Bergisch Land“ (EJBL) am Braunsberg beziehen, dann haben sie meistens einen steinigen Weg hinter sich. Dann haben Konflikte in Familien, Notsituationen, Krisen dazu geführt, dass sie zumindest vorübergehend nicht mehr Zuhause leben können. Das ging auch Lisa (15) so, die vor einer Weile am Braunsberg einzog. „Ich hatte schon gehört, dass es hier feste Strukturen gibt“, sagt sie. Angst habe sie trotzdem gehabt. Wer wusste schon, ob die Älteren sie annehmen würden. Heute sagt sie: „Es läuft gut.“ Sie sei angekommen. Und das Beste: „Man ist nie alleine und kann trotzdem ziemlich selbstständig sein.“

Darum geht es der EJBL am Braunsberg. Vor mehr als 20 Jahren zog das damalige Kreiskinderheim mit der ersten Außenwohngruppe in das Reihenhaus am Braunsberg ein. Das Zusammenleben in der Nachbarschaft funktioniere sehr gut, loben die Mitarbeiter. „Es gab Zeiten, da hat das Nachbarsmädchen mit uns am Frühstückstisch gesessen“, erzählt die stellvertretende Teamleiterin Vanessa Voigt. Aus zwei Häusern machte die EJBL damals eines und schuf so Platz für acht Mädchen – und das pädagogische Fachpersonal. „Hier arbeiten nur Frauen“, erklärt Fachbereichsleiter Rainer Siekmann. Einen Schutz- und Schonraum hat die EJBL für die Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren hier geschaffen. „Wir wollen den Mädchen bei der Verselbstständigung helfen“, erklärt Voigt, „und wir wollen Sicherheit in schwierigen Situationen geben.“

Auch deswegen sind die Strukturen klar vorgegeben: In den Ferien treffen sich die Mädchen jeden Morgen um halb zehn zum Frühstück an dem großen gemütlichen Holztisch vor der Küche. Morgens herrscht Anwesenheitspflicht – einkaufen und kochen, sollte die Hauswirtschaftlerin mal frei haben, am Wochenende dann Zimmer aufräumen und putzen. Was die Mädchen am Nachmittag unternehmen, entscheiden sie selbst. Unter dem Dach hat die EJBL zwei Appartements eingerichtet, hier können die Älteren den Ernstfall proben und sich an die erste eigene Wohnung gewöhnen.

Jeden Sonntagabend treffen sich die Bewohner zum Gruppengespräch. Was steht an? Wie sieht der Kalender für die nächste Woche aus? Wer hat besondere Pläne? „Wir haben außerdem ein Bezugspädagogensystem“, erklärt Vanessa Voigt. Jedes Mädchen hat eine feste Ansprechpartnerin im Team. Und mit der kommen dann auch immer mal wieder persönliche Themen und Fragen auf den Tisch.

Ein Erzieher oder Pädagoge lebt immer mit im Haus, bezieht nachts das Schlafzimmer und ist tagsüber Ansprechpartner. „Wir leben hier mit und gehören dazu“, sagt Vanessa Voigt. Natürlich sei die große Herausforderung die Balance zwischen Nähe und Distanz. „Wenn ich privat unterwegs bin und sehe günstige Bettwäsche oder einen Staubsauger und weiß, dass eines der Mädchen bald eine eigene Wohnung bezieht, dann denke ich natürlich an die Arbeit“, sagt Erzieherin Cornelia Tauschel. Und doch: Das Abschalten muss gelernt sein. Allerdings, ergänzt Rainer Siekmann: „Wir kommen erst an dem Punkt ins Spiel, an dem man etwas bewirken kann“, sagt er. Und deswegen gebe es neben traurigen und schwierigen Situationen vor allem die vielen schönen Momente.

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