Unverpacktladen in Wermelskirchen Krämerladen kämpft um seine Existenz

Wermelskirchen · Jochen Krämer zahlt inzwischen drauf und richtet nun einen dringenden Appell an seine Kunden.

 Der Umsatz sinkt: Jochen Krämer kämpft um die Zukunft seines Unverpacktladens.  Foto: Theresa Demski

Der Umsatz sinkt: Jochen Krämer kämpft um die Zukunft seines Unverpacktladens. Foto: Theresa Demski

Foto: Theresa Demski

Es ist das zweite Mal, dass sich Jochen Krämer direkt an seine Kunden wendet. „Lange können wir nicht mehr weitermachen. Es liegt an euch, ob Wermelskirchen einen Bioladen behalten soll. Damit es weitergehen kann, kommt vorbei“. Hinter den Zeilen verbirgt sich erste Hoffnungslosigkeit. Denn Jochen Krämer, der seit drei Jahren im „Krämerladen“ unverpackte Lebensmittel anbietet, denkt seit Anfang des Jahres darüber nach, die Türen zu schließen. „Ich will das hier nicht aufgeben“, sagt er und deutet auf sein Geschäft, „ich glaube daran.“ Aber er wisse auch: Jeder Unternehmensberater würde zur Aufgabe raten.

Denn die Zahlen gehen deutlich zurück – seit dem ersten Lockdown. „Es herrschte viel Unsicherheit. Die Menschen speicherten ab: Die Supermärkte haben geöffnet“, sagt Jochen Krämer. Die großen Ketten hätten schnell reagiert und nicht nur beim Spielzeug und bei Schreibwaren aufgerüstet – sondern auch „Bio-Ecken“ eingerichtet. Und obwohl der Krämerladen während der Pandemie mit den Produkten des täglichen Bedarfs ohne Pause geöffnet hatte, sanken die Zahlen, stiegen noch mal kurz zum Weihnachtsgeschäft, bevor sie weiter sanken. „Seit April haben wir noch mal 20 Prozent weniger Umsatz monatlich“, sagt Krämer. Er sei froh gewesen, wenn er die Nebenkosten und die Gehälter der Mitarbeiter bezahlen konnte. „Im vergangenen Monat habe ich zum ersten Mal drauf gezahlt“, sagt er.

Den Trend beobachten Unverpacktläden bundesweit. „Viele müssen die Türen schließen“, sagt Krämer, „auch solche, die lange am Markt waren.“ Er erzählt von einer Kollegin in Münster, die jüngst ihre beiden Geschäfte aufgeben musste und von einem Kollegen in Berlin, dem es genauso ging. Nicht umsonst schließe bald auch der Alnatura-Laden, der sich in bester Lage an der Telegrafenstraße nicht habe durchsetzen können.

„Ich glaube es ist eine Mischung aus Bequemlichkeit und dem Blick auf das Geld“, sagt er. Viele seien nach den Einschränkungen der Pandemie im Supermarkt geblieben. Und in Zeiten steigender Kosten, vor allem steigender Energiekosten, würden viele Menschen genauer hinsehen. Aber: „Bei mir im Laden ist kaum ein Produkt teurer geworden“, sagt er und hofft, dass die Verbraucher andere Hebel ansetzen, als weiter den bewussten Einkauf zurückzuschrauben.

Schließlich hatte alles so gut angefangen. Bevor er 2019 den Krämerladen eröffnet hatte, war Jochen Krämer in Wermelskirchen unterwegs gewesen, um den Bedarf abzuklären. Eine groß angelegte Umfrage ergab damals: Die Wermelskirchener wollen einen Unverpacktladen. Jochen Krämer machte damals seinen Traum war: Seine eigenen Ideen von gesunden Lebensmitteln, unverpackten Produkten, weniger Müll, fairen Arbeitsbedingungen, einem Ort, an dem sich die Menschen beim Einkaufen wohlfühlen und einer Zukunftsperspektive für die nächste und übernächste Generation fanden den Weg in das Krämerladen-Konzept. 25.000 Euro kamen beim Crowdfunding zusammen. „Und das erste Jahr hat alle unsere Erwartungen übertroffen“, sagt Krämer. Dann kamen Corona, der Krieg und die steigenden Kosten.

Wie es jetzt weitergeht? „Ich werbe jetzt noch mal intensiv für den Lieferservice“, sagt Krämer. Kunden können im Internet mit wenigen Klicks einkaufen – das Onlinegeschäft soll für den Kunden noch leichter handhabbar werden. Krämer kommt dann mit dem Lastenfahrrad Kurt vorbei und liefert die Ware. Und wenn alle Stricken reißen: Dann wird der Laden zwei Tage in der Woche schließen, Jochen Krämer wird wieder als IT-Fachmann arbeiten und so das Geld für das Geschäft verdienen. „Das kann es aber eigentlich nicht sein“, sagt er. Und dabei klingt der Ärger auf die Politik, die an den falschen Stellen zu stark subventioniere, und auf die großen Konzerte, die sich die Taschen vollmachen würden, mit.

Vor allem aber sei jetzt der Verbraucher gefragt: Er könne darüber entscheiden, wer überlebt und welche Ideale und Werte es in die Zukunft schaffen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort