Wermelskirchener Kultur Zeitreise mit Gänsehautmomenten

Wermelskirchen · Konzert von Hans-Martin Stier und der Shipping Company im kleinen Saal der Katt.

 Viele kennen Hans-Martin Stier in erster Linie als Schauspieler aus dem fernsehen. Er ist aber auch ein begandeter Sänger, wie er am Samstag in der Katt unter Beweis stellte.

Viele kennen Hans-Martin Stier in erster Linie als Schauspieler aus dem fernsehen. Er ist aber auch ein begandeter Sänger, wie er am Samstag in der Katt unter Beweis stellte.

Foto: Veranstalter

Die Stimmung war schon eine Viertelstunde vor Beginn gesetzt: Im kleinen Saal der Kattwinkelschen Fabrik kamen Wellenrauschen und Möwengeschrei vom Band, um das Publikum auf den Auftritt von Hans-Martin Stier und seiner dreiköpfigen Shipping Company einzustimmen. Als das Quartett schließlich die in passendes Blau getauchte Bühne betrat, hatte man tatsächlich beinahe das Gefühl, auf einem sachte auf ruhiger See dahinschippernden Kahn zu sein.

Das Programm mit dem sehr passenden Titel „60.000 Seemeilen – Geschichten und Musik“ war ein zweigeteilter Abend der eher ruhigen Töne. Denn zum einen gab Schauspieler Stier, den viele im Publikum vielleicht aus dem Tatort oder anderen TV-Sendungen kannten, den Märchenonkel. Er erzählte Geschichten aus seiner Jugend in den 1960er und 1970er Jahren, die er auf den unterschiedlichsten Schiffen in aller Welt verbracht hatte. „Wahre Geschichten sind das, Dinge, die mir passiert sind“, sagte Stier. Zum anderen erzählte er etwa über Hippies auf einem Dampfer vor der Küste Kaliforniens, sich anbahnenden Liebesgeschichten inmitten johlender Seeleute in einer Bar beim Landgang oder den leicht melancholischen Besuch eines Albatrosses auf der Brücke. Das machte Stier mit seiner charismatischen Stimme so lebendig, dass man sich direkt ein Hörbuch mit seinen 1001 Geschichten von der Seefahrt wünschte.

 Apropos Stimme: Stier konnte nicht nur hervorragend und leidenschaftlich erzählen. Er konnte auch singen, dass einem Gänsehäute über den ganzen Körper wuchsen. Als er gleich zu Beginn den Klassiker „It‘s A Man‘s World“ wie der von den Toten auferstandene Leonard Cohen ins Mikrofon hauchte, hatte das ganz große Klasse. Der kahlköpfige, etwas massige Stier interpretierte mit intensiver Grabesstimme und breitbeinig diverse Songs, etwa Roy Orbisons „Pretty Woman“ in einer herrlich verswingjazzten Lounge-Version oder eine krachende Variante von MC5s „Kick Out The Jams“, während seine drei Mitmusiker sich die Melodien und Harmonien mit einer lässigen Wurstigkeit aus den Instrumenten schüttelten, dass man über soviel Chuzpe nur staunen konnte.

Das Publikum saß im kleinen Rund nah an der Bühne, was für die Art der Veranstaltung die beste und charmanteste Lösung war. Denn dieser Auftritt hatte etwas Intimes, Ruhiges, Friedliches, was in einer großen und unpersönlichen Publikumsmenge nicht so gut funktioniert hätte. Geschichtenerzähler Stier las seine Erinnerungen aus einem großen Buch vor, was sowohl Gimmick als auch Atmosphäre pur war. Untermalt wurde das Vorlesen immer wieder von diversen Samples und Sprecheinlagen der Shipping Company, was für noch mehr eindringliche Momente sorgte. Letztlich war der Abend eine überaus unterhaltsame und sehr informative Zeitreise in die Vergangenheit, die für das Publikum als eine Art Multimediashow schnell sehr lebendig wurde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort