SPD-Direktkandidat für den Rheinisch-Bergischen Kreis „Ich glaube, dass bei dieser Wahl alles offen ist“

Wermelskirchen · Kastriot Krasniqi kandidiert zum ersten Mal für die Sozialdemokraten für das Direktmandat aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis. In die SPD ist er bereits mit 14 Jahren eingetreten. Für welche Themen er sich einsetzen will.

 „Ich glaube, dass die Zeiten, in denen die Leute aalglatte Politiker haben wollen, vorbei sind“, sagt Kastriot Krasniqi. Der 28-Jährige wohnt in Bergisch Gladbach.

„Ich glaube, dass die Zeiten, in denen die Leute aalglatte Politiker haben wollen, vorbei sind“, sagt Kastriot Krasniqi. Der 28-Jährige wohnt in Bergisch Gladbach.

Foto: Marei Vittinghoff

Auf einmal sah sich Kastriot Krasniqi selbst an den Laternen hängen. Roter Hintergrund, schwarz-weißes Porträt. Er sei gerade auf dem Weg zur Arbeit gewesen, sagt er, habe nicht gewusst, wann plakatiert werde. Und dann stand da plötzlich sein Name auf der Pappe – in Großbuchstaben über dem Kopf – und unten rechts das Logo der SPD. Werbung für die Bundestagswahl. Und er, 28 Jahre alt, gelernter Sozialversicherungsangestellter, als der Bewerber für das Direktmandat für den Rheinisch-Bergischen Kreis.

Krasniqi erzählt das alles, als stünde er immer noch staunend vor dem Plakat, als könne er es immer noch nicht ganz glauben: Dass er wirklich gewählt wurde von seiner Partei, als Kandidat für den Deutschen Bundestag. Und dass er jetzt mitten im Wahlkampf steckt, nicht nur im Hintergrund, wie sonst immer, sondern als die Person, für die andere in der Fußgängerzone nun ihre Flyer verteilen. „Es ist irgendwie alles sehr aufregend im Moment“, sagt Krasniqi. Er hat Respekt vor seiner Aufgabe, das ist deutlich. Aber keine Angst, das auch zu zeigen.

Damit er überhaupt für sich werben – Veranstaltungen besuchen und Interviews geben – kann, hat Krasniqi sich gerade Urlaub genommen. Er arbeitet Vollzeit in der Geschäftsstelle einer gesetzlichen Krankenversicherung in Bergisch Gladbach. In den letzten Wochen vor der Wahl am 26. September ist er dort wieder eingesetzt, bis dahin möchte er so viele Termine wie möglich schaffen. Wahlkampf neben dem Beruf? Das geht sonst nur in den Abendstunden. Und dann ist da ja auch noch sein Studium, Gesundheits- und Sozialmanagement an der FOM Hochschule in Köln, zweimal in der Woche hat er Vorlesung und dann nochmal jeden zweiten Samstag. Eigentlich zumindest. Denn Wahlkampf, Beruf und Studium? Das sei dann doch nicht immer so leicht zu koordinieren.

Wenn die Wahlen näher rücken, erklären viele Politiker von sich, Politik „für die Menschen zu machen“. Krasniqi macht das auch. Er erklärt aber vor allem, Politik „als Mensch“ machen zu wollen. Für ihn heißt das: Offen zu sagen, wenn er auf eine Frage noch keine Antwort weiß – wenn es etwa um Aktien geht oder um Finanzierungsfragen. Das zeigt Ehrlichkeit. Aber auch, wo er sich eigentlich noch einlesen müsste. Er selbst sagt dazu: „Ich glaube, dass die Zeiten, in denen die Leute aalglatte Politiker haben wollen, vorbei sind. Ich sage lieber, dass ich keine Antwort habe, anstatt um den heißen Brei zu reden.“

Seit sein Bild überall im Kreis an den Laternen hängt, sagt Krasniqi, komme es immer wieder dazu, dass er erkannt und angesprochen werde. Manchmal sei dann jemand dabei, der einfach nur über die Kanzlerkandidaten mit ihm sprechen wolle. Oft werde er aber auch nach den Themen gefragt, für die er sich einsetzen möchte. Das Thema Verkehr: Krasniqi fordert mehr Mittel vom Bund, um Straßen auszubessern, sichere Fahrradwege, die „nicht plötzlich wie aus dem Nichts enden“, eine Kostensenkung und Taktverdichtung bei Bus und Bahn. Das Thema Digitalisierung: Breitbandausbau, um Unternehmen, die in den Kreis ziehen wollen, die passende Infrastruktur bieten zu können und Schulen ein schnelles Netz zu ermöglichen. Das Thema Klimaschutz: Zuschüsse für die Umrüstung auf energieeffiziente Heizungen, eine stärkere Förderung von Solaranlagen und E-Mobilität, schnellere Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen. Was Krasniqi besonders beschäftigt, und das hat auch mit seinem Beruf zu tun, das ist aber auch die Gesundheitsversorgung im Kreis. „Auf meiner Arbeit geht es oft einfach darum, wo der nächste Facharzt ist und wenn es dann überhaupt einen nächsten gibt, dann ruft man dort an und bekommt erst nach Monaten einen Termin. Mir tut das oft leid, gerade für ältere Menschen, die dann auch noch kreuz und quer fahren müssen. Das ist doch ein Unding“, sagt der 28-Jährige.Seine Forderung: Medizinische Versorgungszentren auf dem Land, in denen Ärzte mit unterschiedlichen Schwerpunkten gemeinsam praktizieren und sich die Patienten aufteilen können. Und darüber hinaus: Ein Ende der Privatisierung von Krankenhäusern und eine Aufhebung des dualen Systems zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung.

Und dann gibt es da noch sein anderes großes Thema: Integration. Krasniqi selbst wurde im Kosovo geboren, in einem Dorf südöstlich der Hauptstadt Pristina. 1994 floh seine Familie nach Deutschland, lebte jahrelang in einem Asylbewerberheim in Bergisch Gladbach, Krasniqi selbst war bei der Ankunft im Kreis noch ein Kleinkind, ob die Familie auch nach dem Krieg bleiben kann, war lange nicht klar. Der 28-Jährige weiß, was das Ankommen leicht macht und was schwer. Und fordert: schnellere Asylverfahren, schnellerer Zugang zu Sprachkursen, schnellere Anerkennung von Abschlüssen. „Meine Einbürgerung war für mich damals das Event schlechthin. Endlich war man offiziell ein Teil der Gesellschaft, durfte wählen und mit anpacken“, sagt er. Mit 14 tritt er in die SPD ein. Mit 16 macht er ein Praktikum im Landtag. In den Jahren darauf wird er stellvertretender Ortsvereinssitzender in Bergisch Gladbach und Mitglied des Stadtrates. Aktuell ist er Vorsitzender des Integrationsrates. Auf der Landesliste der SPD für die Bundestagswahl steht Krasniqi auf Platz 45. Um es in den Bundestag zu schaffen, braucht er das Direktmandat. Was glaubt er selbst? Hat er eine Chance, zu gewinnen? „Ich schätze das ganz nüchtern ein. Aber ich glaube auch, dass bei der Wahl diesmal alles offen ist.“

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