Das Montags-Interview „Kabarett ehrt dat Jesocks ja nur“

Wermelskirchen · Konrad Beikircher ist am Samstag mit seinem Programm „Passt schon“ in der Katt zu Gast. Im Gespräch mit unserer Redaktion plaudert er über Vorbilder, Politik im Kabarett und ob man sich mit Rechtspopulisten kabarettistisch auseinandersetzen sollte.

Wermelskirchen: Kabarettist Konrad Beikircher im Interview
Foto: tomas rodriguez

Herr Beikircher, Sie sind regelmäßig im Bergischen zu Gast. Wie finden Sie als Rheinländer den Menschenschlag hier?

Beikircher Sehr dem verwandt, aus dem ich komme: die Pustertaler. Auch er ist wortkarg, am liebsten feucht-fröhlich und extrem ungesellig, kurz: toll!

Sie kommen mit dem Programm „Passt schon“ nach Wermelskirchen. Darin beschäftigen Sie sich auch mit der Heimat. Aber was genau ist das eigentlich?

Beikircher Weil der Begriff „Heimat“ von den Preußen und den Nazis in drei Kriegen missbraucht wurde, ist es immer noch schwierig, das zu sagen, was ist: ich bin stolz darauf Wahlrheinländer zu sein, ich bin stolz darauf auch Deutscher zu sein, ich bin stolz darauf Christ zu sein und ich bin stolz darauf, sozial zu denken und zu leben.

In der Welt zu Hause, im Rheinland daheim – gilt das für Sie so?

Beikircher Nit esu derek! Meine Heimat ist Südtirol, mein Zuhause ist das Rheinland und daheim bin ich gerne da, wo Menschen leben, die Menschen mögen.

Wie wichtig ist Dialekt für Heimatverbundenheit?

Beikircher Der Dialekt ist dafür entscheidend, weil er Zugehörigkeit verleiht. Dialekt ist die einzige Sprache, die keiner, der nicht in ihr geboren ist, lernen kann. Der Einheimische hört sofort, wenn das einer versucht.

Gibt es Dialekte, bei denen sich Ihnen die Zehennägel aufrollen?

Beikircher Nee, ich mag ja sogar sächsisch, und wie! Es gibt allerdings Dialekte, die erinnern mehr an Aufstoßen als an Sprache, aber: die Zulus sprechen mit Schnalzlauten, warum soll der Oberpfälzer also nicht rülpsen? Ich mag nur einen Dialekt ums Verrecken nicht: das Berlinische und der Hochmut, der darin steckt.

Sie sagen: Es gibt viel zu erzählen, mehr als früher. Warum ist das so?

Beikircher Weil sich der Ereignishorizont, wie die Astronomen sagen, ausgeweitet hat. Früher hörte Köln in Rodenkirchen auf, heute gehört zum Beispiel die Dominikanische Republik als Köln-Süd mit dazu. Da hat man schon e bissje mieh ze verzälle.

Wie tagesaktuell ist Ihr Programm „Passt schon“?

Beikircher Nicht wirklich. Ich beschäftige mich, je älter ich werde, immer mehr mit den eher zeitlosen Dingen. Das macht weniger Stress und unterhält auf einer anderen Ebene. Außerdem: Wenn du auf der Ziellinie bist, ist dir egal, wer neben dir her keucht, die Hauptsache ist, du zerreißt als erster das Band.

Und wie politisch?

Beikircher Durchaus, in diesem eher ursprünglichen Sinne. Ich habe immer einen Satz von Sophokles vor Augen: Vieles ist schrecklich, aber nichts ist schrecklicher als der Mensch. It ein wenig Altgriechisch gefällig? „Polla ta deina k’ouden anthropou deinoteron pelei“. Ich versuche, diesen Satz mit positiven Beispielen, zum Beispiel aus dem Rheinland, zu widerlegen.

Denken Sie manchmal: Die Welt ist so verrückt geworden, das kann man gar nicht mehr satirisch darstellen?

Beikircher Ja sicher. Das hat ja schon einer der großen Büttenredner erkannt, als er über Helmut Kohl gesagt gat: „Über Kohl mach ich keine Witze, övver dä lach ich direkt!“

Wie wichtig ist es, sich mit Rechtspopulisten kabarettistisch auseinanderzusetzen?

Beikircher Überhaupt nicht. Man muss sich politisch und ethisch mit ihnen aus­einandersetzen. Kabarett ehrt dat Jesocks ja nur.

Mit Rechten reden – hilft das Ihrer Meinung nach?

Beikircher Als Christ sage ich: Ja. Als Mensch, der viele Erfahrungen gemacht hat, sage ich: Nein. Wer nach all dem, was passiert ist, nicht nur in der Nazi-Zeit, noch so denkt, der ist änderungsresistent bis in den Sarg.

Was würden Sie machen, wenn die AfD Sie für einen Abend buchen würde?

Beikircher Dazu käme es nicht, weil ich mich nicht buchen ließe.

Wieviel politische Verantwortung trägt der Kabarettist?

Beikircher Wie jeder, der sein Maul aufmacht und dem zugehört wird, trägt auch der Kabarettist Verantwortung. Nicht jeder meiner Kollegen und Kolleginnen geht damit verantwortungsvoll um. Leider.

Oder sollte Kabarett einfach auch nur zwei Stunden Eskapismus bieten?

Beikircher Da kann ich nur rheinisch antworten: Dat muss jeder selver wissen!

Haben Sie ein kabarettistisches Vorbild?

Beikircher Da möchte ich Karl Kraus, Johann Nestroy, Matthias Claudius, Werner Finck, Hanns Dieter Hüsch und die antiken Satiriker nennen. Und, natürlich, Heinrich Lübke.

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