In vielen Schritten zu einem Traumhaus Die Villa Kunterbunt wird ein Zuhause

Wermelskirchen · Jörg Gösser hat das denkmalgeschützte Haus seiner Tante geerbt. Raum für Raum baut der 53-Jährige nun um.

 Alt, neu und bunt – Jörg Gösser hat die Diele behutsam und mutig zugleich mit Farbe renoviert.

Alt, neu und bunt – Jörg Gösser hat die Diele behutsam und mutig zugleich mit Farbe renoviert.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Wer die alte Holztür aufdrückt, steht plötzlich in einer anderen Welt: Dunkles Holz und Schwingtüren mit filigranem Glas, das mit Gravuren geschmückt ist. Schon der Windfang in dem alten Haus von Jörg Gösser ist ein Hingucker und macht Lust, das Gemäuer auf der Ecke an der Thomas-Mann-Straße zu erkunden. An der Wand hängt eine alte Zeichnung von der Tausendjahrfeier in Wermelskirchen – aus dem 1885. Ein Jahr zuvor war das Gebäude errichtet worden.

Dann schwingen die großen, dunklen Türen ins Treppenhaus auf und Jörg Gösser beginnt mit einem Rundgang der besonderen Art. Noch gleiche das Haus einer Baustelle, sagt er. Die vielen Veränderungen, die es in den vergangenen Jahren bereits erlebt hat, liegen zum größten Teil hinter den Wänden oder im Keller. Stromleitungen wurden gelegt, Wasser und Abwasser neu organisiert.

Aber wer die dunklen Stufen des hölzernen Treppenhauses in den ersten Stock hochsteigt, der steht plötzlich in einem hellen Flur mit einem Bewegungsmelder, der das Licht auslöst: weiße Türen, ein heller Teppich, eine riesige moderne Lampe, die wirkt, als sei sie für diesen Ort gemacht. Jörg Gösser öffnet die erste Tür in sein Reich und blickt dem Besucher gespannt ins Gesicht. Denn was sich hinter dieser Tür verbirgt, kann ein Besucher nicht erahnen: Das Badezimmer ist nach den Leitungsarbeiten der erste Raum, den sich der Garten- und Landschaftsbauer vorgenommen hat. Den Boden hat er mit grünem Kunstgras ausgelegt, eine Stufe geschaffen, dazu helle Fliesen und Glas. Moderne Technik und helle Farben treffen auf Holz und Steine aus dem 19. Jahrhundert. „Hier habe ich mich verwirklicht“, sagt Jörg Gösser. Wer zur Decke blickt und den Stuck entdeckt, der erkennt die alten Spuren und den Wunsch des Denkmalschutzes, zu erhalten, was erhaltenswert ist.

Als Gösser die Tür gegenüber öffnet, muss er wieder grinsen: die gute Stube. „Eigentlich hat sich in diesem Raum seit Jahrzehnten nichts verändert“, sagt der 53-Jährige. Die dunklen Holzmöbel strahlen die Eleganz vergangener Zeiten aus. Die Anrichte durfte stehen bleiben, der große Tisch, das Sofa, dessen Lehne mannshoch an der schmuckvollen Tapete steht. Standuhr trifft auf Dröppelminna, ein altes Klavier auf Stuck. Die Türen führen in einen Wintergarten, an dessen Glas in der kalten Jahreszeit die Eisblumen ausschlagen. „Hier haben wir nichts verändert“, sagt Jörg Gösser, „diesen Raum wollen wir so auch erhalten. Er ist unser Museum.“

Und dann erinnert er sich: Die Bilder seiner Kindheit werden lebendig, in denen die Familie Tante Magdalene in ihrer „Villa Kunterbunt“ besuchte und den großen Garten genoss. Er erinnert sich an die alte Truhe, die immer ein Geheimnis barg und von der Jörg Gösser manchmal träumte, dass er sie vielleicht irgendwann erben könne. Stattdessen bat Magdalene Pfeiffer ihren Neffen eines Tages zum Gespräch und erzählte ihm von ihren Plänen, ihm und seinen Kindern das besondere Haus an der Thomas-Mann-Straße zu vererben. „Ich teilte ihr Gespür für diese alten Mauern“, sagt er, „aber damals war ich völlig baff.“ Mit seiner Familie lebte er in einem alten Haus in Dabringhausen. Auch als seine Tante 2006 starb, hatte er noch keine Pläne für das Baudenkmal. Erst nach seiner Scheidung beschloss Jörg Gösser, das alte Gebäude zu seinem Zuhause zu machen. „Ich wusste, dass da viel Arbeit und bürokratischer Aufwand vor mir lag“, sagt er, „und ich wusste, dass es eine Lebensaufgabe wird.“

Schritt für Schritt saniert er seit 2011 sein altes Haus. Gerade renoviert er im Dachgeschoss ein Zimmer für seinen Sohn. Eine Toilette auf halber Treppe hat er bereits in ein kleines Jagdzimmer mit Lokus verwandelt. Im Turmzimmer, das über eine Stiege erreichbar ist, könnte irgendwann ein Büro entstehen. Schlafzimmer und ein Gästezimmer plant er einzurichten. Vieles macht er selber – immer die Vorgaben des Denkmalschutzes im Blick. Das sei manchmal aufwendig, aber schließlich sei ihm daran gelegen, den Charme des alten Gebäudes zu erhalten. Als nächstes will er die Küche in Angriff nehmen: Dann sollen wieder moderne Technik und Materialien zwischen alten Mauern verarbeitet werden. Dass er mit seiner Familie bis dahin auf einer Baustelle lebt, macht ihm manchmal zu schaffen. Aber dann lenkt er ein: „Ich wusste ja, dass wir mit diesem Haus auch Geduld brauchen.“

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