Montagsinterview Reiner Sichelschmidt „Steingärten sind ein Frevel an der Natur“

Wermelskirchen · Reiner Sichelschmidt ist Friedhofsgärtner in Neuenhaus und spricht über Arbeiten im Garten, Steingärten und die Lieblingsjahreszeit.

 Reiner Sichelschmidt ist Friedhofsgärtner in Neuenhaus. Seine Lieblingsjahreszeit ist der Frühling. Dann werden die Gärten wieder lebendig.

Reiner Sichelschmidt ist Friedhofsgärtner in Neuenhaus. Seine Lieblingsjahreszeit ist der Frühling. Dann werden die Gärten wieder lebendig.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Herr Sichelschmidt, welche Jahreszeit ist denn im Garten die arbeitsintensivste?

Reiner Sichelschmidt Die fängt tatsächlich jetzt an. Im Herbst stehen die meisten Arbeiten im Garten an. Sowohl im Eigenheim als auch in besonderer Weise für die Friedhofsgärtner – denn schließlich kommen bald auch die Feiertage Allerheiligen und Totensonntag. Und dann sollen ja die Gräber besonders schön hergerichtet sein.

Welche Arbeiten stehen denn nun im heimischen Garten an?

Sichelschmidt Es ist die Pflanzzeit, die Reinigungszeit, die Zeit, in dem man den Garten winterfest machen muss. Für Gärtner ist das eine sehr intensive Zeit. Man muss jetzt Stauden zurückschneiden, die Rosen werden auch zurückgeschnitten – zumindest zur Hälfte. Die andere Hälfte wird dann im Frühjahr zurückgeschnitten. Der Grund ist, dass die Rosen so nicht zu weit zurückfrieren. Wenn die Blätter fallen, werden auch die Bäume, vor allem die Obstbäume, geschnitten. Nicht zuletzt muss der Rasen noch einmal vernünftig geschnitten werden, damit er nicht liegen bleibt.

Was passiert in der Natur eigentlich in der kalten Jahreszeit?

Sichelschmidt Man kann sagen, dass die Natur insgesamt runterfährt und zur Ruhe kommt. Das gelbe Blatt sagt zum grünen „Tschüss dann“. Die Pflanzen kommen zur Ruhe, empfindliche Pflanzen sollte man bedecken und so vor dem Frost schützen. Alles andere ruht dann über den Winter.

Warum sollte man vor dem Winter noch einen letzten Rasenschnitt machen?

Sichelschmidt Wenn der Rasen zu lang ist, wenn der Winter kommt, dann wird er sich unter Umständen flach hinlegen. Etwa, wenn Schnee und Frost kommen – und dann kann es darunter schnell faulen, gerade feine Rasen leiden dann besonders. Deswegen empfehle ich auf jeden Fall noch einen letzten Mähvorgang vor dem Wintereinbruch. Einen festen Zeitpunkt kann man dafür schlecht angeben, das hängt ein wenig von der Witterung auch im Bergischen ab – wir hatten auch schon einen letzten Schnitt im Dezember, weil der Rasen dann noch einmal nachgewachsen war. Aber normalerweise ist Mitte November Schluss mit Rasenmähen.

Bis wann sollten Hecken geschnitten sein?

Sichelschmidt Idealerweise sollte man das vor dem Einsetzen des Frosts machen. Im Grunde gibt es da aber keine Beschränkung, man kann Stauden und Hecken den ganzen Winter über schneiden. Wenn aber Schnee und Matsch kommen, ist es eben nicht gerade praktisch und sieht auch nicht besonders schön aus.

Was kann man Vögeln im Herbst und Winter denn Gutes tun?

Sichelschmidt Man sollte viele Pflanzen stehenlassen, die Samen tragen. So können die Vögel auch im Winter Nahrung finden. Man sollte zudem versuchen, den Vögeln ein paar Ecken mit Laubhaufen zu lassen, damit sie sich auch mal verkriechen können, wenn es besonders kalt werden sollte. Ich bin zudem auch der Ansicht, dass man den Tieren besonders bei strengen Wintern etwas Futter zukommen lassen sollte. Da gibt es aber unterschiedliche Ansichten.

Sollte man die Vögel nicht eigentlich das ganze Jahr über zufüttern?

Sichelschmidt Das Problem liegt nicht nur darin, dass die Vögel immer weniger Insekten finden. Beziehungsweise es kommt noch hinzu, dass immer weniger Lebensraum für Insekten vorhanden ist, weil inzwischen die ganze Natur zugebaut wird. Ich habe in der Nachbarschaft Leute, die sich nach drei Jahren überlegt haben, ihren Steingarten nun doch wieder mit Pflanzen zu versehen, weil sie nämlich überhaupt keine Vögel mehr haben. Grundsätzlich kann man sagen: Je steriler der Garten ist, desto weniger Vögel gibt es auch, weil sie dort einfach keinen geeigneten Lebensraum vorfinden.

Merken Sie denn auch in Wermelskirchen den Trend hin zu Steingärten?

Sichelschmidt Ja, durchaus. Aber es ist ja so: Die Leute meinen, dass sie mit Steingärten keine Arbeit mehr haben. Einmal angelegt – und fertig. Das ist aber ein Irrglaube. Denn ein solcher Garten mit Steinen macht nach ein paar Jahren so richtig viel Arbeit. So viel, dass die meisten Leute ihn dann wieder aufgeben. Denn das Unkraut wächst von unten hoch durch, gerade bei einem groben Belag lässt sich das dann kaum entfernen. Es ist ein enormer Arbeitsaufwand, das Laub, den Dreck und das Unkraut aus diesem Steinbelag heraus zu bekommen. Da hilft auch kein Flies, das Unkraut sucht sich seinen Weg nach oben.

Was sind, Ihrer Meinung nach, die Gründe für solche Gärten?

Sichelschmidt Es ist die Faulheit, es ist die Bequemlichkeit. Aber wenn man einen Garten hat, dann muss man eben auch ein bisschen was tun. Wenn man hingegen einen Steingarten hat, muss man spätestens nach drei Jahren so richtig was tun...

Sind Steingärten nicht, ökologisch gesehen, Unsinn?

Sichelschmidt Ja, definitiv. Steingärten sind ein Frevel an der Natur. Wenn wir sie bei uns zu Hause anlegen, verwehren wir allen Tieren die Möglichkeit, einen Unterschlupf zu finden, sich mal irgendwo hinzusetzen – oder natürlich auch zu nisten. Ich bin voll und ganz gegen Steingärten.

Sollte es hierzu eine gesetzliche Regulierung geben? Wieviel Steingarten sollte erlaubt sein?

Sichelschmidt Es ist schwierig, da etwas zu bestimmen, finde ich. Sehen Sie, Gärten sind heutzutage eher klein, ich denke eigentlich, dass jeder den Freitagnachmittag oder auf jeden Fall aber den Samstag frei hat, um sich dann um den Garten zu kümmern. Bei der Größe der Gärten ist das auf jeden Fall möglich. Wenn man jetzt nicht so der Gartentyp ist, sollte man sich meiner Meinung nach eben einen Gärtner suchen, der einem den Garten dann so grün und pflegeleicht wie möglich herstellt. Wir können letztlich alles verbieten, aber es ist doch schon genug mit Verboten geregelt in Deutschland. Ich weiß nicht, ob das da was bringen würde. Ich denke eher, dass die Vernunft das regeln sollte, die innere Einstellung muss sich da entsprechend ändern. Wenn ich Kinder zum Demonstrieren für den Umweltschutz auf die Straßen schicke, dann kann ich doch nicht im eigenen Garten eine Steinwüste anlegen! Das ist für mich wirklich unmöglich.

Welche Jahreszeit ist denn Ihre Lieblingsjahreszeit – bezogen auf den Garten?

Sichelschmidt Das ist ganz klar das Frühjahr, wenn alles wieder grünt und blüht. Dann kommen die Leute auch wieder mit einer ganz anderen Laune und einem Lächeln im Gesicht ins Geschäft und freuen sich, kaufen Blümchen und wollen wieder alles schön herrichten. Dann kommt wieder Leben herbei – und auch in den Garten hinein.

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