Beratungsstelle Frauenzimmer Bei häuslicher Gewalt ist Telefonberatung schwierig

Wermelskirchen · Die aktuellen Ausgangsbeschränkungen und das Zusammensein auf engem Raum, verbunden mit finanziellen Sorgen, begünstigen aggressives Verhalten.

 Die Sorge vor mehr Gewalt in den eigenen vier Wänden ist in Zeiten der Corona-Krise nicht unbegründet.

Die Sorge vor mehr Gewalt in den eigenen vier Wänden ist in Zeiten der Corona-Krise nicht unbegründet.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

„Bei uns passiert momentan nichts – und wir erahnen den Grund dafür.“ Das berichtet Anja Haussels vom Verein Frauenzimmer, der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt für Frauen und Mädchen im Rheinisch-Bergischen Kreis, die auch für Wermelskirchen zuständig ist. Wie viele andere Einrichtungen läuft auch ihre Beratung momentan nur telefonisch – und genau darin sieht die Fachberaterin ein großes Problem. Die geringe Zahl neuer Anfragen lasse nämlich nicht auf weniger Gewalttaten schließen. Ganz im Gegenteil, die aktuellen Ausgangsbeschränkungen und das Zusammensein auf engem Raum, verbunden mit finanziellen Sorgen, würden aggressives Verhalten begünstigen. Darauf lassen unter anderem Zahlen einer chinesischen Frauenrechtsorganisation schließen, die im Zuge der Corona-Krise eine Verdreifachung der Fälle häuslicher Gewalt verzeichnet hat.

Anja Haussels’ Befürchtung ist, dass sie und ihre Kolleginnen nichts davon erfahren. „Viele Frauen, die misshandelt werden, können sich nicht bei uns melden – weil sie jetzt zu Hause sind, genau wie der Gewalttäter auch.“ Außerdem falle die soziale Kontrolle weg. „Wenn eine Frau misshandelt wird“, erklärt Anja Haussels, „ist die Chance normalerweise groß, dass es ihr am nächsten Tag jemand ansieht oder dass sie sich jemandem anvertraut: etwa bei der Arbeit, wenn sie das Kind in die Kita bringt oder sich mit einer Freundin trifft.“ Da momentan sämtliche Kontakte auf das notwendige und oft nicht über die eigene Familie hinausreichende Maß reduziert sind, falle diese Form der moralischen Unterstützung weg.

Susanne Krämer, Opferschutzbeauftrage der Polizei im Rheinisch-Bergischen Kreis, sieht das ähnlich – wenn auch die aktuellen Fallzahlen das nicht bestätigen: Im März gab es kreisweit 20 Fälle häuslicher Gewalt, im Vergleich zwei weniger als im März 2019. „Wir sind uns aber bewusst, dass das Konfliktpotenzial in vielen Familien momentan erhöht ist“, sagt die Fachfrau.

Gründe für die anderslautenden Zahlen sieht sie ebenfalls in der Problematik, dass sich Opfer und Täter aktuell sehr nah beieinander aufhalten. Außerdem halte sie es für möglich, dass manche Opfer angesichts des allgemeinen Stillstands davon ausgehen, dass auch die Beratungsstellen nicht erreichbar sind. „Hier ist es wichtig, deutlich zu betonen: Wir und auch viele andere Beratungsstellen sind nach wie vor erreichbar und leisten Unterstützung“, teilt Anja Haussels mit. Ratsuchende würden also auf jeden Fall eine Unterstützung bekommen.

Kontakt Verein Frauenzimmer, Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt: Tel. 02174 1047; Opferschutz der Polizei Rhein-Berg: Tel. 02202 205-430/-433.

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