Bücherwelten in Wermelskirchen Bibliotheken im Wandel

Wermelskirchen · Künftig darf man auch sonntags zwischen den Bücherregalen schmökern, so hat der Landtag entschieden. Doch die Funktion von Büchereien hat sich mit der Zeit gewandelt. Zum „Tag der Bibliotheken“ eine Bestandsaufnahme

 Jürgen und Ursula Kamm besuchen seit den 1980ern die Bibliothek der Stadt Wermelskirchen.

Jürgen und Ursula Kamm besuchen seit den 1980ern die Bibliothek der Stadt Wermelskirchen.

Foto: Lea Hensen

Bibliotheken sind ein Wahrzeichen für Bildung und Kultur – das dachte sich der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und ernannte den 24. Oktober Mitte der 1990er Jahre zum „Tag der Bibliotheken“. Dass ein Besuch bei den Bücherwelten für eine gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe wichtig ist, urteilte jüngst auch der Düsseldorfer Landtag. Öffentliche Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen können daher auch an Sonn- und Feiertagen öffnen.

In der Städtischen Bücherei Wermelskirchen bleiben die Türen aber auch in Zukunft sonntags geschlossen. Drei feste Mitarbeiter gibt es, für erweiterte Öffnungszeiten sei das zu wenig, sagt Leiterin Kathrin Ludwig. Sie hat beobachtet, wie sich die Einrichtung in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Die meisten Ausleihen gebe es zwar nach wie vor in der Kinder- und Jugendbuchliteratur, dem größten Bereich der Bibliothek – dicht gefolgt von den Werken der Bestseller-Listen, die direkt am Eingang ausgestellt sind. Die Ausleihe von Sachbüchern aber nehme stark ab. „Die Leute informieren sich im Internet“, sagt sie. Wer in den Urlaub fahre, greife zwar hin und wieder zum Reiseführer – ein Kunstbildband aber verstaube eher im Regal. Trotz wachsender Beliebtheit von Streaming-Anbietern – DVDs und Hörbücher sind in der Stadtbücherei weiterhin gefragt. Und auch das ist eine gute Nachricht: Die Befürchtung, dass das E-Book irgendwann das klassische Buch verdrängen könnte, bestätigt Ludwig nicht: „Wer lieber digital liest, tut das, aber die Anzahl der E-Book-Nutzer nimmt bei uns nicht ausschlaggebend zu oder ab.“

Der Bestand der Stadtbibliothek ist im ständigen Wandel: Alte Bücher weichen Neuauflagen und ganz neuen Medien – wie zum Beispiel den Tiptoi-Stiften, ein audiodigitales Lern- und Kreativsystem, mit dem Kinder die dazugehörigen Bücher erfassen, und den Tonies, kleine Aufsetz-Figuren, die wie ein Hörbuch funktionieren.

Insgesamt aber stellt Ludwig fest: „Die Besucherzahlen und die Nachfrage in der Bibliothek sind stabil.“ Dafür hat sie auch eine Erklärung: „Die Bibliothek nimmt heute Funktionen ein, die vor 20 Jahren noch niemand im Blick hatte.“ Ein nicht-kommerzieller Treffpunkt eben, ein öffentlicher Raum für soziales Miteinander und, wenn man so will: Das Wohnzimmer der Stadt. Es gibt Arbeitsplätze, WLAN und ein gemütliches Lesecafé sowie einen Spielewürfel mit verschiedenen Games. „Die Lesekompetenz bei Kindern nimmt ab, die Gesellschaft vereinsamt“, sagt Ludwig. „Das zu ändern, ist auch eine Aufgabe der Bibliothek.“ Das Team investiert seit Jahren in zahlreiche Angebote, die das soziale Miteinander fördern. Es gibt beispielsweise eine literarische Krabbelgruppe für die Kleinen und ein Reparaturcafé, in dem Ehrenamtliche zweimal im Monat mit den Besuchern defekte Geräte reparieren.

Auch Katharina Gerding von der Katholischen Bücherei St. Michael (köb) hat in den vergangenen zehn Jahren einen Wandel beobachtet. „Früher lag unser Schwerpunkt auf der Arbeit mit Familien und vor allem mit Kindern“, sagt sie. Die Gemeindebücherei hat an Sonntagen geöffnet, weil sie an die Zeiten des Gottesdienstes geknüpft ist. „Mittlerweile ist aber der Anteil an eher älteren Erwachsenen und Menschen im Ruhestand größer“, sagt sie. Gerade der Verleih von CDs und DVDs sei eingeschlafen – denn auch Kinder und Familien nutzen heutzutage Streaming-Dienste. Die Köb habe ihr Angebot an digitalen Medien entsprechend erweitert.

Jürgen und Ursula Kamm besuchen die Stadtbibliothek schon seit den 1980er Jahren. Alle vier Wochen kommen sie mit einem großen Korb, mit dem sie ihre ausgeliehenen Werke transportieren. Meistens wissen die beiden gar nicht so genau, nach welchen Büchern sie suchen. „Die Bibliothek ist gut ausgestattet, wir stöbern einfach und finden immer etwas Interessantes“, sagt Jürgen Kamm (65), der ab und an auch Werke ausleiht, die er bereits gelesen hat. „Wir lesen so viel. Da ist es schlichtweg zu teuer, Literatur neu anzuschaffen“, sagt seine Frau (66). „Nur Sachbücher kaufe ich mir lieber selbst“, sagt Jürgen Kamm. „Die will ich verwahren und zum Nachschlagen nutzen.“

Ursula und Jürgen Kamm lesen beide auch E-Books, die sie in der Stadtbibliothek in der „Bergischen Onleihe“ finden. Das allerdings bevorzugt, wenn sie unterwegs sind. „Ich habe Bücher einfach gerne in der Hand“, sagt sie. „Lesen funktioniert dann gleich über mehrere Sinne.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort