Im Gespräch mit dem Wermelskirchener Diethart Spickerman „Ich komme vollkommen zur Ruhe“

Interview | Wermelskirchen · Er hat seinen „grünen Daumen“ erst im Ruhestand richtig für sich entdeckt. Der 85-jährige Diethart Spickermann erzählt im Interview, warum sein Garten für ihn von so tiefer Bedeutung ist.

Diethart Spickermann (84) kniet vor seiner Schneeheide. Diese blüht im Februar/März und ist eine ideale Nektarquelle für alle Insektenarten.

Diethart Spickermann (84) kniet vor seiner Schneeheide. Diese blüht im Februar/März und ist eine ideale Nektarquelle für alle Insektenarten.

Foto: Jürgen Moll

Herr Spickermann, was bedeutet die Arbeit im Garten für Sie?

Diethart Spickermann Es verschafft mir eine ganz tiefe Befriedigung und Zufriedenheit. Ich komme vollkommen zur Ruhe. Ich bin christlich orientiert – und ich danke öfter mal meinem Schöpfer, dass ich so einen Einblick bekommen kann. Dieser wird jedes Jahr tiefer, je mehr ich zum Beispiel das Zusammenspiel von Pflanzen und Insekten beobachten kann – durch meine Bienen sind die Blüten viel schöner geworden.

Haben Sie immer schon den „grünen Daumen“ gehabt?

Spickermann Tatsächlich habe ich Gartenarbeit früher sogar gehasst! Ich musste bei meiner Mutter im Garten immer Unkraut jäten – das macht natürlich wenig Spaß, gerade einem Kind. Während des Studiums und der Berufstätigkeit war es aber auch nicht wirklich möglich ausgiebig zu gärtnern, wobei die Freude daran schon damals langsam angefangen hat. Nach meiner Pensionierung ging es dann aber wirklich los – da habe ich endlich das gemacht, was ich immer schon machen wollte.

Was pflanzen Sie alles in Ihrem Garten an?

Spickermann Wir haben etwas mehr als 2000 Quadratmeter, etwa die Hälfte davon ist Landschaftsschutzgebiet. Der Garten ist mit drei kleinen Gewächshäusern und den Gemüsebeeten auf der einen sowie einer Streuobstwiese auf der anderen Seite zweigeteilt. Ich habe Obstbäume, mein Lieblingsobst sind Äpfel, dazu dann Kirschen und Nüsse – und eben der Gemüsegarten. Dazu kommen viele unterschiedliche Beeren.

Wie nahe sind Sie an der Selbstversorgung dran?

Spickermann Selbstversorgung muss man hier so verstehen – was ist in Wermelskirchen machbar, was wächst hier? Wir können zum Beispiel keinen Spargel anpflanzen. Und auch mein Lieblingsgemüse – die Schwarzwurzel! – kann ich bei mir im Garten leider nicht anbauen. Denn die Humusschicht beträgt nur etwa 30 Zentimeter Tiefe. Südfrüchte, beispielsweise Apfelsinen, kaufen wir dazu. Ich würde sagen, wir sind zu 90 Prozent Selbstversorger.

Wie gehen Sie dabei vor?

Spickermann Ich säe, pflanze und ernte nach dem Mondkalender. Und wenn da jemand drüber lacht, dann sage ich immer: Was die Ebbe und Flut bewirken und steuern kann, das kann auch die Säfte in Pflanzen beeinflussen. Mein Rekord ist: Kohlrabi nach dem Mondkalender ausgesät – und die ersten Keimblätter guckten nach einem Tag aus dem Boden. Normal sind das mindestens zehn Tage. Beim Ernten ist das so – Obst und Gemüse schmecken ganz anders, je nachdem, wann man das erntet, ob an einem sogenannten „Blatttag“, dann schmeckt die Tomate fad, oder an einem „Fruchttag“, dann schmeckt das um Welten besser. Es ist unfassbar – aber auch meine Frau merkt das, wenn ich ihr die unterschiedlich geernteten Gemüse oder Früchte gebe. Ich habe das irgendwann einmal gehört und einfach einmal ausprobiert. Probieren geht über Studieren, so sage ich immer. Ich habe mir auch angelesen, welche Gemüsepflanzen mit welchen Schutzpflanzen gut zusammen auf dem Feld stehen können. Ich arbeite nach dem Vier-Felder-Prinzip, dabei rotiert die Pflanzung durch, so dass der Boden auch nicht ausgelaugt wird. Ich bin davon einfach nur begeistert, wenn ich darüber nachdenke.

Ziehen Sie sich auch Ihr Saatgut selbst nach?

Spickermann Zum Teil mache ich das, ja. Jedes Jahr verschwinden ja diverse alte Sämereien – Monsanto, Bayer und Kiepenkerl ist es zu „danken“. Und daher ist die Frage – wie komme ich an die alten, robusten Sorten? Einige Sämereien kann ich von Biohöfen beziehen, andere ziehe ich aus meinen Pflanzen nach. Und das ist auch eigentlich ganz einfach. Man nimmt beispielsweise die voll durchgereifte Tomate, holt die Samen raus, säubert sie, trocknet sie und dann kann man sie zwei bis drei Jahre verwahren, so lange sind sie gut. Wichtig ist – die richtige Erde zu verwenden!

Sie haben auch Bienen – wie kam es dazu?

Spickermann Ich habe irgendwann vor sieben Jahren meine schön blühenden Apfelbäume angesehen – und festgestellt: da sind ja gar keine Bienen mehr, keine einzige. Und weil mir niemand ein Bienenvolk in den Garten stellen konnte, blieb nichts übrig, als es selbst zu machen. Mein Vater hatte sehr viele Bienenvölker – und ich bin damals regelmäßig zerstochen worden. Heute sind die Bienen friedlicher – und ich kann gar nicht mehr davon loskommen. Ich habe hier im Garten fünf Völker und dann noch drei in Höhrath, direkt an der Talsperre im Naturschutzgebiet. Der eigene Honig schmeckt köstlich!

Wie verarbeiten Sie das Obst oder Gemüse, das Sie selbst anbauen?

Spickermann Natürlich nutzen wir soviel frisch von Beet und Baum, wie möglich ist. Ich pflanze sehr gerne die ganz alten Sorten an – die ich auch von meiner Mutter her noch kenne. Diese alten Sorten sind sehr robust und haben zudem einen ganz hervorragenden Geschmack. Und weil sie so robust sind, kann ich sie auch über den Winter im Garten stehen lassen – nur eben mit einer Luftpolsterfolie bedeckt. Das überstehen sie bis minus acht Grad – und schmecken immer noch wunderbar.

Haben Sie eine Lieblingnutz- oder auch -zierpflanze?

Spickermann Das hängt tatsächlich ganz und gar von der Jahreszeit ab. Meine Frau hat kürzlich mal Spargel gekauft, den grünen aus Peru, da habe ich gesagt: Ich mag jetzt keinen Spargel, den musst du selber essen! Ich habe eines von den Franziskanern in Assisi gelernt. Die Mönche dort sagen, dass man möglichst mit der Natur leben soll. Und deswegen habe ich im Winter den Grünkohl als Lieblingspflanze, im Frühling alle Arten von Salaten, Kresse, Radieschen, Stielmus. Im Sommer dann Pastinaken, früher eine Arme-Leute-Frucht, aber die sind köstlich – ob roh, gekocht oder als Salat – sehr delikat. Und im Herbst sind es dann die Kartoffeln. Ich habe mir die Bamberger Hörnchen besorgt, die sind wunderbar. Wichtig ist, dass daran kein Gramm Kunstdünger kommt – nur Kompost und Kalk, manchmal Brennnesseljauche. Das ist übrigens auch so ein Naturgeheimnis – wenn man die Brennnesseljauche chemisch analysiert, dann sieht man, dass nur wenige Düngestoffe enthalten sind. Aber die Pflanzen lieben sie. Es ist wohl wirklich so, dass man als Mensch nicht alles verstehen muss…

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