DRK-Ortsverein Wermelskirchen „Jeder erwartet, dass im Notfall geholfen wird“

Interview | Wermelskirchen · Der Wermelskirchener DRK-Ortsverein ist weit über 100 Jahre alt. Bereitschaftsleiter Bernd Koebke spricht im Interview über die Bedeutung des Ehrenamts und die Arbeit im Katastrophenschutz.

Altkleidersammlung in Wermelskirchen: Bereitschaftsleiter Bernd Koebke (l..) und Mitarbeiterin Melissa Maccarrone packen an.

Altkleidersammlung in Wermelskirchen: Bereitschaftsleiter Bernd Koebke (l..) und Mitarbeiterin Melissa Maccarrone packen an.

Foto: Jürgen Moll

Herr Koebke, wie ist das Deutsche Rote Kreuz eigentlich ursprünglich entstanden?

Bernd Koebke Der Schweizer Kaufmann Henry Dunant wurde zufällig am 24. Juni 1859 Augenzeuge der Schlacht von Solferino in Italien zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Sardinien. Schnell war klar, dass die vorhandenen sanitätsdienstlichen Strukturen bei weitem nicht ausreichten. So trommelte er spontan viele Freiwillige zusammen, vor allem Frauen aus den Dörfern, um allein nach dem Maß der Not zu helfen er koordinierte die Hilfe selbst. Nach der Schlacht gründete Dunant mit vier Mitstreitern am 17. Februar 1863 in Genf das „Komitee der Fünf“, den Vorläufer des heutigen „Internationalen Komitees vom Roten Kreuz“ (IKRK).

Wie ist die Struktur der Hilfsorganisation?

Koebke Das IKRK ist als Dachorganisation weltweit tätig. Es leistet von Konflikt und bewaffneter Gewalt Betroffenen Hilfe und fördert die Rechtsvorschriften, welche die Kriegsopfer schützen. Auf nationaler Ebene sind derzeit 190 nationale Gesellschaften anerkannt. Eines davon ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Es besteht aus dem Bundesverband, 19 Landesverbänden, den Kreisverbänden und Ortsvereinen sowie dem Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e. V. mit seinen 31 DRK-Schwesternschaften.

Seit wann gibt es den Wermelskirchener Ortsverein und wie groß ist er?

Koebke Der DRK Ortsverein Wermelskirchen e.V. hat eine lange Tradition. Schon seit 1896 engagieren sich Menschen in und um Wermelskirchen für das Deutsche Rote Kreuz. Zunächst von Heinrich Potjan gegründet als Freiwillige Sanitätskolonne Wermelskirchen ging die Organisation bald im Ortsverein Wermelskirchen auf. Derzeit zählt unser Ortsverein noch rund 250 Mitglieder, darunter etwa 55 Aktive in der Bereitschaft, dem Arbeitskreis Blutspende, dem Jugendrotkreuz und der Arbeitsgruppe Hand in Hand. Leider ist vor allem die Zahl der Förderer stark rückläufig.

Was sind die Hauptaufgaben des DRK Wermelskirchen?

Koebke Die wichtigste Aufgabe ist der Katastrophenschutz. Als weitere Aufgabe steht der Sanitätsdienst bei Veranstaltungen wie der großen Kirmes und an Karneval an vorderster Stelle. Auch die Blutspende ist ein großer und umfangreicher Bereich unserer Arbeit. Gerade wieder aktuell ist das Thema Altkleidersammlung – die nächste Straßensammlung findet am Samstag, 3. Juni, statt. Hinzu kommt noch die Seniorenarbeit in der Gruppe „Hand in Hand“ sowie das Jugendrotkreuz.

Ein gutes Stichwort – wie ist es um die Nachwuchsarbeit im Ortsverein bestellt?

Koebke Unser Jugendrotkreuz besteht zurzeit aus zwei Gruppen. Bereits im Alter von sechs Jahren können die Kinder zu uns kommen. Zunächst noch spielerisch, später dann wird dem Nachwuchs mit dem nötigen Ernst die DRK-Arbeit nähergebracht. Aber auch andere Themen wie zum Beispiel die aktuelle JRK-Kampagne „Lautstark“ werden bearbeitet. Hierbei geht es um die Kinderrechte, die in den UN-Kinderrechtskonvention verankert sind. Spaß und Spiel dürfen auch nicht fehlen. Das Programm wird von den Gruppenmitgliedern selbst gestaltet. So werden auch mal Ideen wie Kochen, Backen oder Schlittschuhlaufen eingebracht. Unsere Jugend sucht immer wieder neue, engagierte Kinder die die Gruppenstunden mitgestalten wollen.

Wie eng ist eigentlich der Kontakt zu den benachbarten DRK-Ortsvereinen?

Koebke Vor allem mit dem Ortsverein Leichlingen pflegen wir eine enge Zusammenarbeit. Das kommt daher, dass wir gemeinsam personell die Einsatzeinheit stellen. Aber auch mit den anderen Ortsvereinen im Rheinisch-Bergischen-Kreis gibt es eine gute Zusammenarbeit und immer wieder gemeinsame Ausbildungen. Dadurch lernt man sich auch untereinander kennen, was wiederum bei gemeinsamen Einsätzen ein Vorteil ist. Von Zeit zu Zeit blickt man auch über den Tellerrad in die Nachbarkreise. So waren vor kurzem mehrere Helfer zu einer „Einsatzkräfteausbildung Betreuung“ in Lindlar.

Und wie steht es um den Kontakt zu den anderen Rettungsorganisationen – gibt es Austausch?

Koebke Einmal im Quartal haben die Führungen der Wermelskirchener Hilfsorganisationen ein gemeinsames Treffen. Wir tauschen uns etwa über neue Materialien aus, um auch hier immer auf dem Laufenden zu bleiben. Außerdem finden, wenn nicht gerade eine Pandemie dazwischenkommt, regelmäßig gemeinsame Übungen statt. So bekommen dann auch die Helfer einen gegenseitigen Eindruck der jeweiligen Leistungsfähigkeit.

Was sind die Hauptgründe für DRK-Einsätze?

Koebke Unsere Einsatzeinheit besteht aus mehreren Gruppen. Ein Einsatzszenario könnte eine große Anzahl verletzter Personen sein. So wurden wir beispielsweise bei der Love-Parade-Katastrophe nachalarmiert. Ein weiteres Szenario ist eine große Menge an unverletzt betroffenen Personen, die über einen längeren Zeitraum betreut und untergebracht werden muss. Paradebeispiel ist die Flüchtlingswelle, als in kurzer Zeit einfache Turnhallen in Unterkünfte verwandelt werden mussten. Aber auch die Flutkatastrophe hat in unserem Kreis große Schäden angerichtet. Viele Personen konnten eine Zeit lang ihre Wohnungen nicht betreten und mussten versorgt werden. Eine dritte Art von Einsätzen ist die Verpflegung. Die untergebrachten Leute bekommen schnell Hunger und Durst. Aber auch die eigenen Einsatzkräfte oder die Kräfte anderer Hilfsorganisationen müssen bei längeren Einsätzen verpflegt werden.

Wie kann man die Menschen von der Notwendigkeit des ehrenamtlichen Einsatzes überzeugen?

Koebke Jeder erwartet, dass einem im Notfall geholfen wird. Das ist in der Regel durch Feuerwehr und Rettungsdienst auch gewährleistet. Was ist jedoch, wenn mal etwas Größeres passiert? Dann fühlen sich die Leute schnell im Stich gelassen und schimpfen über die Politik. Es sollten sich viel mehr Leute im Katastrophenschutz engagieren. Hilfsbereite Personen gibt es genug, sie sollten sich jedoch in diesem Bereich ausbilden lassen, damit im Großschadensfall nicht noch ein zusätzliches Chaos durch unkoordinierte Helfer entsteht. Der Katastrophenschutz ist wichtig. Nach uns kommt keiner mehr, der sich auskennt.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang ein Gedenktag wie der Weltrotkreuztag am 8. Mai?

Koebke Der 8. Mai ist der Geburtstag unseres Gründers Henry Dunant. Der Tag ist eine gute Gelegenheit in Erinnerung zu rufen, wie wichtig das Ehrenamt im DRK ist. Es wird immer schwerer jemanden zu motivieren, da die Leute oft stark mit sich selbst beschäftigt sind und keine Zeit und Energie mehr für ein umfangreiches Ehrenamt haben.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Menschen bei Einsätzen?

Koebke Egal, ob Jung oder Alt, alle zeigen viel Dankbarkeit für die Hilfe, die ihnen zu Teil wird. Und oft ist es Bewunderung und große Anerkennung, dass das alles ohne Bezahlung geleistet wird.

Die Einsätze sind nicht immer einfach – gibt es Supervisionen für die Einsatzkräfte?

Koebke Es kann immer vorkommen, dass Einsätze belastend für die Einsatzkräfte sind. Wir haben in unseren Reihen Personen, die in Psychosozialer Notfallversorgung für Einsatzkräfte ausgebildet sind. Einen Supervisor gibt es bei uns nicht.

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