50 Jahre Woodstock in Wermelskirchen Hunderte Gäste werden Teil der Musik

Wermelskirchen · Ein halbes Jahrhundert nach Woodstock hatte die Kulturinitiative fürs vergangene Wochenende zum Feiern ins Eifgen eingeladen – ohne Flower Power, aber mit viel Musik, Love and Peace. Der Geist ist lebendig. Das bewiesen acht Bands.

 Handgemachte Musik statt Flowerpower: Nils Harder (2.v.l.) stimmte ein, andere machten spontan mit. Am Wochenende wehte im Eifgen der Geist von Woodstock.

Handgemachte Musik statt Flowerpower: Nils Harder (2.v.l.) stimmte ein, andere machten spontan mit. Am Wochenende wehte im Eifgen der Geist von Woodstock.

Foto: Theresa Demski

Nils Harder nimmt eines seiner alten Schätzchen zur Hand, lächelt ein bisschen versonnen und reicht es dann einem Kunden. Der nimmt die Gitarre ehrfürchtig zur Hand, stellt einen Fuß auf die Bank nebenan und beginnt zu spielen. Anfangs noch leise, um den Klang zu testen, um der Geschichte des Instruments zu lauschen. Dann stimmt einer mit der Mundharmonika ein, Nils Harder nimmt eine Gitarre zur Hand, ein weiterer Mann kommt dazu, Harder beginnt zu singen. Und im Handumdrehen machen vier Fremde Musik – frei von der Seele. Handykameras nehmen den besonderen Moment zwischen alten Schallplatten und Verstärkern, zwischen Instrumenten, allerhand Technik und Originalen der heimischen Musikgeschichte auf. Jammen, nennen Experten diesen Effekt: Gemeinsam aus dem Stehgreif Musik machen. Es ist ein berührender Moment, das merken die Zuhörer schnell.

„Das ist Woodstock“, sagt Michael Dierks, Vorsitzender der Kulturinitiative, und packt sein Handy in die Hosentasche. Nicht mehr Schlaghosen und Haarmähnen, nicht mehr Flower Power und große Brillen: „Das ist für die meisten von uns nicht mehr authentisch“, sagt er, „aber wenn wir Teil der Musik und der Veränderung werden, dann weht der Geist Woodstocks.“ Und genau das hatte sich Kult.in.Wk für das große Woodstock-Wochenende im Eifgen gewünscht. „Die Welt hat sich verändert, die Ikonen der Rebellion sind im Meer unseres Wohlstands verblasst“, sagte Dierks im Vorfeld, „aber Woodstock lässt sich noch erahnen.“ Ideale, Liebe, Frieden – und Musik. Das Festwochenende will beim Aufwecken helfen. „Aber ohne Etiketten und Schubladen“, sagt Dierks, „ohne das, was die Kommerzialisierung aus Woodstock gemacht hat.“

Deswegen wird er auch nicht nervös, als es am Vormittag noch ruhig bleibt. Rund um das alte Haus haben Musiker Instrumente, Technik und Platten aufgebaut. Und wer auf der Suche nach einem Schätzchen ist, wird beim ersten Musikerflohmarkt der Vereinsgeschichte fündig. Dierks bietet seinen alten Hard-Disc-Recorder und ein Hohne-Pianet zum Verkauf an, einen CD-Brenner der Sonderklasse. „Klar tut das ein bisschen weh, wenn es am Ende wirklich verkauft wird“, sagt er, „aber schmerzhafter ist es, wenn die Sachen nur noch rumstehen.“ So geht es auch Nils Harder, der gemeinsam mit Andreas Hellekes zum Markt gekommen ist. „Alle Gitarren, die wir auf der Jagd nach dem ultimativen Instrument ausprobiert haben, geben wir in gute Hände ab“, sagt Gitarrenbauer Hellekes. Von Verkaufen und Geschäft will er nicht sprechen: „Es geht nicht ums Geld. Es geht um Musik.“ Und dann spielt wieder irgendwer irgendwo auf dem kleinen Markt eine schöne Melodie, ein anderer steigt ein – trotz des Regens, der dann auch irgendwie an Woodstock erinnert.

Michael Dierks steht am Rand und genießt die Atmosphäre. Auf der Bühne findet der erste Soundcheck statt, bis Sonntagabend wird Musik gespielt. Woodstock und Rock, Blues und Jazz, Folk und Rock’n Roll. „Wenn so 100 oder 120 Leute am Wochenende hier durchlaufen, sind wir zufrieden“, sagt Dierks. Am Abend sitzt er selbst an der Hammond-Orgel auf der Bühne und blickt völlig baff ins Publikum. Es ist voll geworden, richtig voll. Es ist kaum ein Durchkommen mehr. Das Publikum feiert erst mit Into-Deep, dann mit der Lipps-Thelen-Band und dann bis in die Nacht mit der Lino Vishnudatt Band. Junge und ältere, jene, die sich noch an Woodstock erinnern mit denen, die von der Legende nur aus Erzählungen wissen. Woodstock sieht heute anders aus – der Geist ist lebendig.

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