Wermelskirchenerin feiert 103. Geburtstag „In meinen Träumen stand er vor unserer Tür und hat mich in den Arm genommen“
Wermelskirchen · Hildegard Faupel bezeichnet Zufriedenheit als das Geheimnis für ein langes Leben. Trotz Schicksalsschlägen, wie dem Verlust ihres ersten Ehemannes, der nicht aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte, erzählt sie von einem schönen Leben, von ihrer Kindheit und davon wie sie erst nach Remscheid und dann nach Wermelskirchen kam.
Ihre Augen blitzen vergnügt und schon bei der Begrüßung und den Gratulationen stellt Hildegard Faupel schmunzelnd klar: „Also, ich bleibe auch noch hier.“ 103 Jahre alt ist sie geworden und damit ist sie die älteste Wermelskirchenerin.
Zu ihrem 103. Geburtstag hat sie eigens auch die Süßwasserperlenkette umgelegt, die sie von ihrem zweiten Ehemann Bernhard geschenkt bekommen hat: „Mein Bernhard war so ein lieber Mann und uns waren 20 wunderbare Jahre miteinander vergönnt worden, bevor er 1984 gestorben ist.“
Wenn Hildegard Faupel erzählt, gestikuliert und ihre Gegenüber mit wachen Augen anschaut, ist es kaum vorstellbar, dass die aufgeschlossene Dame vor über 100 Jahren als Hildegard Nowak in dem kleinen Örtchen Woitzdorf zur Welt gekommen ist. Sie liebt Kreuzworträtsel und Handarbeit: „Bis letztes Jahr habe ich immer ganz viel gehäkelt. Da machen die Finger jetzt aber nicht mehr mit.“ Dennoch hat sie kleine Geschenke für die Besucher: kleine Täschchen, die sie „vorgehäkelt“ hat: „Die Damen machen da Taschentücher rein, weil es hübscher aussieht und die Herren Bonbons.“
Trotz Schicksalsschlägen, die sie erleben musste, erzählt Hildegard Faupel von einem schönen und guten Leben. Stets habe sie sich an den Haussegensspruch von 1900 gehalten, den ihre Mutter Anna häufig zitierte und den auch sie bis heute gern erinnert: „Mag draußen die Welt ihr Wesen treiben, mein Heim soll meine Ruhestatt bleiben.“
Ein altes Foto ihrer Eltern Anna und Johann hängt an der Wand in ihrem Zimmer im Seniorenheim „Carpe Diem“. Ebenfalls Fotos mit ihrer Schwester Else, vom Haus der Familie und von den drei Söhne ihres Stiefbruders. „Meine Eltern haben Konrad 1931 als Pflegesohn zu sich genommen“, erzählt Hildegard Faupel. Um dessen drei Söhne hat sie sich später wie eine Mutter gekümmert.
Ihre Kindheit verbrachte Hildegard Faupel, die von ihren Bekannten kurz Hilde genannt wird, im 200-Seelen-Dorf Neudorf, wo der Vater eine Doppelhaushälfte für die Familie gebaut hatte. Es war eine glückliche Kindheit, sagt sie. Eine Lehre als Verkäuferin absolvierte sie bei der Zeitung „Deutsche Ostwarte“ in Bernstadt, verkaufte dort Bücher und Schreibwaren. Als sie 1940 für ein halbes Jahr zum Arbeitsdienst nach Guttentag in Oberschlesien geschickt wurde, traf sie dort ihre erste große Liebe. „Wir Mädchen haben auf der Straße eine Gruppe junger Soldaten getroffen“, erinnert sich die alte Dame. Einer sei ihr besonders aufgefallen, „weil er so gut aussah und sein Lächeln war umwerfend.“ Sie schenkte dem unbekannten Soldaten damals Dahlien, die sie im Arm hatte. Und Willi Scheer, so lautete sein Name, steckte ihr seine Adresse zu.
Es war der Beginn einer Brieffreundschaft. „Und dann stand er plötzlich in dem Laden, in dem ich arbeitete, vor mir und ich wollte ihm erst Briefpapier verkaufen, bis ich ihn erkannt habe.“ 1942 hat das Paar geheiratet. „Wir wurden mit einer Kutsche zum Standesamt gebracht. Willi hat mir einen wunderschönen Strauß roter Rosen geschenkt. Als Festessen gab es im Haus meiner Eltern Braten mit Klößen und nachmittags Buttercremetorte und Streuselkuchen.“
Selbst eine kurze Hochzeitsreise konnten sie unternehmen: nach Remscheid zu Willis Eltern, damit Hilde ihre Schwiegereltern kennenlernt. Vielleicht hatte Willi Scheer schon eine Vorahnung. Denn: „Er hat immer zu mir gesagt: Wenn etwas passiert, dann geh’ zu meinen Eltern nach Remscheid.“
Drei Jahre später kam der Tag, an dem die junge Frau mit ihrer Familie aus Schlesien fliehen musste. Es war der 20. Januar 1945. Es sei ein langer, harter Weg bis nach Remscheid gewesen: „Wir waren so froh, dass meine Schwiegereltern uns aufgenommen haben, bis wir eine Wohnung in der Nähe gefunden hatten.“
Auf Nachricht ihres Ehemannes Willi wartete Hildegard zu der Zeit schon lange. Und vergeblich. „Aber ich habe 20 Jahre lang nie die Hoffnung aufgegeben, dass mein Willi doch irgendwann in Remscheid ankommen würde. Seit 1945 galt er als vermisst. Aber in meinen Träumen stand er einfach irgendwann vor unserer Tür und hat mich in den Arm genommen“, erklärt sie, warum kein anderer Verehrer nach dem Krieg eine Chance bei ihr hatte, wenn sie mit ihren Freundinnen zum Tanztee im Café Wild oder zum Tanzen in das Lokal Eifgen gegangen ist.
Schnell fand sie damals einen Job als Zeitungsbotin. Von 1946 bis 1963 hat Hildegard Faupel nahezu täglich die Zeitung an 300 Abonnenten verteilt: „Meistens bin ich mit dem Fahrrad gefahren.“
Über die Arbeit lernte sie auch ihren zweiten Ehemann kennen. Als sie eines Tages bei einer Abonnentin das Zeitungsgeld kassierte, sagte diese nämlich: „Frau Scheer, Sie haben doch keinen Mann und ich kenne da jemanden, der keine Frau hat. Kommen Sie doch morgen zum Kaffee vorbei.“ An der Kaffeetafel saß auch Bernhard Faupel: „Als wir uns in die Augen geschaut haben, war er mir sofort sympathisch. Wir sind einige Male ausgegangen, dann wurden wir ein Paar und ich war sehr glücklich“, erinnert sich Hildegard, die ihren „lieben Bernhard“ 1964 heiratete.
Erst vor vier Jahren hat sie das Familienheim in Remscheid verlassen, um in die Nähe von Nichte Monika Schwerdt nach Wermelskirchen in das „Carpe Diem“ zu ziehen: „Meine liebe Moni kommt drei Mal in der Woche zu mir und dann rätseln wir“, sagt sie.
Das Geheimnis für ein langes Leben ist in ihren Augen leicht zu benennen: „Kreuzworträtsel, die den Kopf fit halten, und Zufriedenheit. Zufriedenheit macht glücklich. Und es ist wichtig, immer alles in Ruhe zu besprechen und nicht zu streiten.“