Kommunalwahl 2020 Grüne Stimme aus dem bergischen Norden

Wermelskirchen · Kreistag statt Stadtrat: Hans-Jürgen Klein von den Grünen steht nach 21 Jahren nicht mehr auf der grünen Liste für die Wahl des Stadtrats. Stattdessen will er seine Arbeit auf Kreisebene ausbauen. Dafür hat der 74-Jährige gute Gründe.

 Hans-Jürgen Klein will sich in Zukunft auf seine Arbeit im Kreistag konzentrieren.  Foto: Jürgen Moll (Archiv)

Hans-Jürgen Klein will sich in Zukunft auf seine Arbeit im Kreistag konzentrieren. Foto: Jürgen Moll (Archiv)

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Von Tür zu Tür braucht Hans-Jürgen Klein genau 22 Minuten – bei guter Verkehrslage. Wenn der Kreistagsabgeordnete der Grünen aber mit dem Bus von Dabringhausen zum Kreishaus in Bergisch Gladbach fahren wollte, würde er rund zweieinhalb Stunden brauchen. „Jetzt könnte ich mich in den Sessel setzen und schimpfen“, sagt Klein, „aber es wäre doch viel besser, etwas zu verändern.“ Und deswegen fährt Hans-Jürgen Klein seit vier Jahren regelmäßig eben jene 22 Minuten Richtung Kreishaus – um etwas zu verändern und dem Öffentlichen Nahverkehr im Rheinische-Bergischen auf die Sprünge zu helfen.

Seit 2014 sitzt Hans-Jürgen Klein für das Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag. Deutlich länger engagiert er sich für den Stadtrat: Seit 21 Jahren vertritt er die Grünen in Wermelskirchen. Aber jetzt hat er eine Entscheidung getroffen: Bei der Kommunalwahl im September hat er sich nicht mehr für die grüne Liste beworben und gibt damit seinen Platz im Rat auf, er kandidiert aber auf Listenplatz 6 für den Kreistag.

„Im vergangenen Jahr gab es Zeiten, in denen ich zwölf Termine in einer Woche für Stadt und Kreis hatte“, sagt der 74-Jährige, „das wurde zu viel.“ Lange Sitzungen, Versammlungen und Arbeitsgruppen. „Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt er, „aber am Ende habe ich eine Entscheidung für den Kreistag getroffen“.

Wer Hans-Jürgen Klein zuhört, der versteht warum. Als er damals zum ersten Mal über den Eintritt in eine Partei nachdachte, nahm er die verschiedenen Arbeitsmarktprogramme unter die Lupe. „Das war die Ära Kohl“, sagt er, „ich hatte mich lange für die Gewerkschaftsarbeit stark gemacht.“ Weil ihm klar gewesen sei, dass er selbst politisch aktiv werden müsse, wenn er etwas verändern wolle, trat er schließlich den Grünen bei. Schon ein Jahr später saß er im Stadtrat. „Ich dachte, ich sag dann meine Meinung und kann etwas in Gang bringen“, erzählt er heute lachend, „aber stattdessen wurde ich aufgefordert, Anträge zu stellen.“ Das sei häufig eine Geduldsprobe. Und im konservativen Norden des Kreises hätten die Grünen auch keine große Lobby. Da würden Ideen im Sande verlaufen, Anträge abgelehnt. „Keiner sagt: Oh prima, ein grüner Antrag“, erzählt Klein. Aber das habe ihn herausgefordert. Er fuchste sich in die vielen Themen hinein, die zuweilen von zwei grünen Ratsmitgliedern alleine beackert werden mussten. „Ich hatte manchmal ungewöhnliche viele Wortmeldungen“, sagt er, „weil die anderen Parteien ihre Äußerungen unter den Ratsmitgliedern aufteilten, wir dafür aber zu wenige waren.“ Selten gab es Vereinbarungen, die eine Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen besiegelten. „Wir setzen uns mit allen zusammen, außer mit der AfD“, sagt Klein. Und trotzdem habe er das Gefühl, dass die Grünen mit Klimaschutzplänen in Wermelskirchen „ständig gegen die Wand laufen“.

Auf Kreisebene ist das anders. Aber das ist nicht der Grund für Kleins Entscheidung. „Es geht vor allem um meine Schwerpunktthemen“, erklärt Klein, der lange für die Stadtwerke in Wuppertal gearbeitet hat. Er habe sich schon immer – auch beruflich bedingt – besonders für die Themen Mobilität und Energie interessiert und stark gemacht. Und eben jene Themen würden eher auf Kreisebene bearbeitet und entschieden.

Längst hat er sich in der Fraktion der Grünen im Kreis als Fachmann etabliert. „Dabei bin ich auch immer wieder die Stimme aus dem Norden“, sagt er. Denn während der Südkreis häufig eher andere Probleme habe – etwa über Fluglärm nachdenke – kämpfe Wermelskirchen um den Schnellbus oder bessere Verbindungen im Öffentlichen Nahverkehr. Der Kreis sei oft so weit weg. Auch deswegen sei es wichtig, dass die Grünen einen Wermelskirchener in Bergisch-Gladbach sitzen haben. „Dazu kommt: Wir haben 2013 im Kreis ein Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht, das wir 2018 erneuert haben“, sagt er, „das muss noch besser werden.“ Photovoltaik, Solarenergie für Wärmekonzepte, Biomasse, CO2-Einsparung: Daran wolle er gerne weiter mitarbeiten. Das mache ihm Spaß. Deshalb sei die Entscheidung für den Kreistag gefallen. Die Erfolge der vergangenen Legislaturperiode ermutigen ihn: Im September bekomme Wermelskirchen wohl endlich die zehn Wasserstoffbusse, der Schnellbus sei auf einem guten Weg. „Hätte mir 2014 jemand gesagt, dass wir das gemeinsam mit der CDU erreichen, dann hätte ich ihn für verrückt erklärt“, sagt Klein. Stattdessen gefällt ihm die Zusammenarbeit mit dem großen Partner – zumindest in seinen beiden Themenbereichen käme man voran. „Wenn auch noch nicht weit genug“, sagt er.

Deswegen will er bleiben und im Kreistag weiter seine Stimme einbringen. „Das Sofa wäre auch heute noch nichts für mich“, sagt er, „ich möchte immer noch etwas verändern.“

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