Bundestagsabgeordneter besucht Wermelskirchen „Die Politik kann nicht alles regeln“

Wermelskirchen · Bundestagsabgeordneter Hermann-Josef Tebroke über die Corona-Krise und die Folgen für die Wirtschaft, wie der Bund den Kommunen unter die Arme greift und welche Hoffnungen er für die Kommunalwahl im September hat.

  Hermann-Josef Tebroke macht auf seiner Sommertour auch Station in Wermelskirchen.

Hermann-Josef Tebroke macht auf seiner Sommertour auch Station in Wermelskirchen.

Foto: Kathrin Kellermann

Von der Hauptstadt kennt er noch nicht viel: „Wer zweimal zu Besuch in Berlin gewesen ist, kennt die Stadt besser als ich“, sagt Hermann-Josef Tebroke (56). Seit drei Jahren ist der CDU-Mann Bundestagsabgeordneter für den Rheinisch-Bergischen Kreis und pendelt zwischen Lindlar und Berlin, wo er zehn Minuten Fußmarsch entfernt vom Reichstag wohnt. Die Kombination beider Orte findet er ideal. Nur im Berliner Betrieb würde er sich nicht wohlfühlen. Nicht nur, weil er die ländliche Gegend attraktiver findet, sondern auch, weil er nur hier den Kontakt zur Basis hat „und den Eindruck bekommt, worum es wirklich geht. Das macht für mich dann Sinn, die Probleme in Berlin vorzutragen“, erklärt er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Bei der Sommertour in seinem Wahlbezirk drehen sich die meisten Gespräche um die Corona-Krise und die Folgen: „Ich glaube, dass man sich davon verabschieden muss, dass die Politik alles regeln kann. Da kommt Corona und Corona ist ein Hammer. Für die Gesundheit der Menschen, für das Miteinander, gesellschaftspolitisch und für die Wirtschaft. Wir können die Krise nicht ungeschehen machen, aber wir können versuchen, die Probleme etwas abzufedern, indem wir Hilfe anbieten. Viele Unternehmen wissen schon, dass sie in der zweiten Jahreshälfte Unterstützung brauchen, wenn sie den Betrieb wieder anfahren.“

Die Sorge einiger Gastronomen, die auf Betriebe in Großstädten gucken, die die Krise nicht überstehen werden, teilt er nicht. „Ich glaube, dass unsere Betriebe eine etwas bessere Chance haben, weil sie nicht so viel Laufkundschaft haben wie in Großstädten, wo Touristen von Kneipe zu Kneipe ziehen. Ich hoffe, dass unsere Gastronomen durchhalten und von den Einwohnern unterstützt werden, indem sie auch besucht werden.“

Was für ihn und andere Politiker nicht leicht ist, sind Beschwerden über die verhängten Maßnahmen: „Wenn jemand mir sagt, dass die Einschränkungen lästig sind, habe ich da kein Verständnis für. Es tut mir sehr leid, wenn jemand individuelle Nachteile hatte, beispielsweise seine Mutter nicht im Pflegeheim besuchen konnte, aber ich glaube, dass es richtig und wichtig war und ist, Rücksicht aufeinander zu nehmen, damit die Situation nicht schlimmer wird.“ Von Verschwörungstheorien hält er gar nichts: „Das weise ich mit Nachdruck zurück. Die Bundesregierung hat kein Interesse daran, die Freiheitsrechte einzuschränken. Zur Erinnerung: Wir hatten keine Ausgangssperre, sondern konnten eingeschränkt alles machen. Ich bin der Überzeugung, dass es richtig war, dass wir einen so vorsichtigen Kurs gefahren sind.“ Und weiterhin vorsichtig bleiben, weil man eine zweite Welle nicht ausschließen könne. „Und es wäre unverantwortlich, nicht darauf vorbereitet zu sein.“

Deshalb treibt er nicht nur die Digitalisierung an den Schulen, sondern auch den Breitbandausbau im Kreis voran, um auch auf dem Land schnelles Internet zu ermöglichen. „Wenn ich jetzt durch den Kreis fahre und die Gräben sehe, die für die Kabel ausgehoben worden sind, freue ich mich.“

Weniger erfreut ist er über die etwas umständliche Beantragung der Fördergelder für den Digitalpakt. Fünf Millionen Euro stehen bundesweit zur Verfügung, um an Schulen die technischen Voraussetzungen für die Digitalisierung zu ermöglichen. „Da müssen Förderrichtlinien aufgestellt werden und Konzepte. Das ist vielleicht zu umständlich. Wenn jetzt eine neue Welle oder eine neue Herausfordeurng kommt, können wir uns das nicht erlauben, dass wir wir immer noch Konzeptpapiere erstellen. Durch Corona ist deutlich geworden, dass wir uns an manchen Stellen zu viel Zeit gelassen und nicht genug Mut gehabt haben, eine Struktur zu verändern. Da war Corona ein Beschleuniger.“ Stichwort Homeoffice, das noch vor einiger Zeit viele kritisch gesehen und jetzt festgetellt haben, dass mobiles Arbeiten eine Möglichkeit ist. Oder Videokonferenzen: „Das haben wir auch erstmal im Jour Fixe geübt“, gibt er zu.

Selbstkritisch wird Hermann-Josef Tebroke beim Rechtsanspruch für die Offene Ganztagsschule (OGS). „Hintergrund war, den Eltern mehr Sicherheit zu geben, dass sie nachmittags eine Betreuung für ihre Kinder haben. Ich finde es schwierig, das Problem bei den Kommunen abzulagern, die daraus Folgekosten zu tragen haben. Das ist noch nicht zu Ende gedacht. Und da finde ich es richtig, wenn Kommunen sagen: Wenn auf Bundesebene ein Rechtsanspruch formuliert wird, dann muss der Bund auch helfen, die langfristigen Kosten zu decken. Wir müssen Eltern eine Perspektive geben und dann als Bund helfen, dass Kommunen die Konsequenzen tragen können.“

Im Hinblick auf die Kommunalwahl im September ist ihm eins wichtig: „Wenn man Interesse daran hat, dass dieses demokratische System erhalten bleibt, dann braucht es die aufgeweckten Leute, die das machen. Wenn man nicht möchte, dass eine Gruppierung, bei denen man sich die Haare rauft, bestimmt, wie es vor Ort oder in Deutschland aussieht, dann muss man denen etwas entgegensetzen. Indem man eine andere Partei wählt, einen anderen Kandidaten unterstützt, oder noch besser: sich selbst einbringt.“

Engagement sei wichtig, gegen Politikverdrossenheit: „Ich kann immer wieder nur neu einladen und sagen: Wenden Sie sich an Ihren Abgeordneten. Ich freue mich über Anregungen und nehme die ernst, sage aber auch wenn was nicht geht. Es ist gut, wenn sich jemand für das interessiert, was um ihn herum geschieht und sich dann engagiert. Ob das in einem Verein ist, einer Bürgerinitiative oder Partei.“

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