"Unvergessen" am Markt in Wermelskirchen Gedenken an Pogrome soll nicht einschlafen

Wermelskirchen · Die Gedenkandacht „Unvergessen“ findet am Mittwochabend am Markt in Wermelskirchen statt – mit dem NRW-Innenminister und der Stadtspitze.

 „Unvergessen“: In vielen Fenstern und vor vielen Türen werden auch am Mittwochabend Kerzen zur Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht 1938 leuchten.

„Unvergessen“: In vielen Fenstern und vor vielen Türen werden auch am Mittwochabend Kerzen zur Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht 1938 leuchten.

Foto: Theresa Demski

Als Tim Philipp damals sein Freiwilliges Soziales Jahr beim Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) in Tente absolvierte, fehlte ihm etwas: Am 9. November blieb es überraschend leise in der Stadt. „Ich kannte das aus meiner Heimatstadt Brühl ganz anders“, erzählt er, „dort gibt es jedes Jahr zur Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht eine Gedenkveranstaltung.“

Der junge Mann befand damals: Es wird Zeit, so eine Möglichkeit auch in Wermelskirchen auf die Beine zu stellen. „Die Verbrechen der Nazis haben überall stattgefunden, auch im beschaulichen Wermelskirchen“, sagt Tim Philipps. Und es sei an der Zeit, diese Erinnerung jedes Jahr am 9. November aufzufrischen. „Dann ist das ‚Nie wieder‘ keine Plattitüde, sondern eine Lebenseinstellung“, sagt er. Damals klopfte er bei Pfarrerin Almuth Conrad in Hünger an und warb um Unterstützung. Die evangelische Pfarrerin sagte Tim Philipp ihre Unterstützung zu – und zum ersten Mal lud die Evangelische Kirchengemeinde zum Gedenken an die Pogromnacht ein. Am 9. November 2018 kamen mehr als 200 Menschen, um gemeinsam zu erinnern.

Seit dem hat das Gedenken an die Opfer der Pogromnacht in Wermelskirchen einen festen Platz – und findet auch in diesem Jahr statt. Am kommenden Mittwoch, um 18 Uhr, lädt die Evangelische Kirchengemeinde zur Gedenkandacht „Unvergessen“ an den Markt ein. „Umso mehr Orte, jedes Jahr wieder aktiv ‚Nein‘ sagen, desto stärker ist die Wirkung“, findet Tim Philipp und wünscht sich, dass viele Menschen zu der Veranstaltung kommen.

In diesem Jahr hat sich NRW-Innenminister Herbert Reul angesagt, auch Bürgermeisterin Marion Lück wird vor Ort mit dabei sein. Einen Protestmarsch wird es anders als in voerhrigen Jahren aber nicht geben. „Natürlich haben wir immer die aktuelle politische Situation im Land im Blick“, sagt Tim Philipp mit Blick auf Neo-Nazis, Antisemiten  und Rassisten. Im Fokus steht in diesem Jahr die Nennung der Namen von Opfern der Nazis – auch aus jener Novembernacht, in der jüdische Menschen auf die Straßen gezerrt, misshandelt, vielfach von Nationalsozialisten verhaftet und später ermordet wurden. „Wir nennen die Namen der Menschen aus Wermelskirchen, die im Nationalsozialismus verfolgt und getötet wurden“, erzählt Tim Philipp. Inzwischen bemühe er sich gemeinsam mit der Bürgermeisterin auch darum, die Liste dieser Namen zu vervollständigen und ein Register ausfindig zu machen.

Mit Kerzen, Gebeten, Musik und Worten des Gedenkens will die Gemeinde mit den Bürgern und den politischen Vertretern am Mittwochabend ein Zeichen setzen. „Und dabei auch Raum zum Denken lassen“, sagt Tim Philipp. Anlass dazu gebe es schließlich genug. In der Einladung der Gemeinde heißt es: „Die Zerrissenheit unserer Gesellschaft, der Krieg in der Ukraine, die verstörenden Nachrichten aus dem Iran: All das bewegt uns in diesem Jahr, auf die Straße zu gehen und uns öffentlich für Toleranz und einen respektvollen Umgang miteinander einzusetzen.“

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