Weltladen in Wermelskirchen Fairer Handel statt billiger Almosen

Wermelskirchen · Nach 30 Jahren im Vorstand des Ökumenischen Arbeitskreises „Eine Welt“ zieht sich Christiane von Dreusche zurück. Ihr Einsatz für fairen Handel endet damit aber nicht.

 Christiane von Dreusche, Mitbegründerin der Eine-Welt-Initiative in Wermelskirchen.

Christiane von Dreusche, Mitbegründerin der Eine-Welt-Initiative in Wermelskirchen.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Wenn Christiane von Dreusche zurückblickt, dann fällt ihr die große Reise ein – von den USA Richtung Venezuela weiter nach Mexico. Damals arbeitete sie als Großhandelskauffrau für einen weltweit agierenden Konzern. „Als ich in Südamerika stand, wurde mir plötzlich klar, dass ich mit meiner Arbeit die Lebenssituation der Menschen dort nicht verändern kann“, sagt sie. Aber genau das schien ihr notwendig. Menschen in Südamerika, die von Almosen statt von fairen Löhnen lebten. Armut in Entwicklungsländern, in denen die Kolonialisierung deutliche Spuren hinterlassen hatte: Es brauchte eine Veränderung und mehr Gerechtigkeit. Damals stellte Christiane von Dreusche alles auf den Prüfstand. Sie beschloss, ihr Leben dem Kampf für mehr Gerechtigkeit zu widmen.

Sie studierte Sozialarbeit, spielte mit dem Gedanken, in die Politik zu gehen oder in die Entwicklungshilfe. Diese geöffneten Türen liefen 1980 Hanna und Paul-Ernst Güldner ein, als sie auf einer CVJM-Freizeit über ihre ersten Erfahrungen mit fairem Handel berichteten. Christiane von Dreusche, aber auch viele Jugendliche der CVJM-Gruppe kehrten begeistert zurück. „Die Jugendlichen bauten damals auf der Kirmes einen Stand auf und präsentierten fair gehandelte Produkte“, erinnert sich Christiane von Dreusche. Tee, Kaffee, Jutesäcke. Viel mehr gab es nicht. Aber die Idee hatte Mitstreiter gefunden – und so wie das Ehepaar Güldner und Brigitte Epking ahnte auch Christiane von Dreusche, dass die Zeit gekommen war, um das Thema weiter in die Öffentlichkeit zu holen. 1981 gründeten sie mit den Katholiken den Verein „Arbeitskreis Eine Welt“, zogen mit einer Teestube in ein altes Gebäude am Markt, boten Kaffee an und machten die Aktion „Jute statt Plastik“ bekannt.

Christiane von Dreusche lacht ein bitteres Lachen. „Das gleiche Thema wie heute“, sagt sie, „wir kämpfen immer noch.“ Die Dimension habe sich verändert und ein bisschen auch die Stimmung. Die Mitarbeiter im Arbeitskreis machten sich als Pioniere auf die Reise, wurden gelegentlich belächelt, zogen in 25 Jahren immer mal wieder um – bis sie 2006 den Weltladen aus der Taufe hoben. „Damals stagnierte der Verkauf der fairen Produkte auf einem sehr niedrigen Stand“, sagt Christiane von Dreusche. Der kleine Verkaufsraum im Gemeindezentrum wurde kaum genutzt. „Wir wussten damals: Jetzt oder nie. Ganz oder gar nicht“, sagt die 72-Jährige. Und weil der Weltladen-Dachverband gerade eine gemeinsame Strategie für die Weltläden entworfen hatte, zogen die Wermelskirchener mit. „Es gab viel Unterstützung“, sagt Christiane von Dreusche. Aber zum ersten Mal brachten Mitglieder auch eigenes Geld ein. „Ich war einfach optimistisch, dass es funktionieren wird“, erinnert sie sich. Und es funktionierte: Der Verein richtete den Laden im alten Gemeindeamt ein, fand viele Mitstreiter, die die ehrenamtlichen Ladendienste übernahmen. Der Erlös verdoppelte sich, wuchs weiter. Innerhalb von anderthalb Jahren bekamen alle ihr Geld zurück.

„Heute gibt es eine große Vielfalt an fair gehandelten Produkten“, sagt Christiane von Dreusche. Vieles habe sich verändert. Und dann erzählt sie von ihrem Besuch bei Kleinbauern in Sri Lanka und der Erkenntnis: Es hat sich etwas verändert. „Wir begegnen den Menschen auf Augenhöhe, sie sind zu Partnern geworden“, sagt die 72-Jährige. Menschen werden für ihre Arbeit fair bezahlt, seien motiviert und würden zum Beispiel für andere. „Und doch bleibt so viel zu tun“, sagt sie, „aber wir alleine werden es mit dem Fairen Handel nicht schaffen.“ Deswegen setzt sie auf die Jugendlichen der „Fridays For Future“-Initiative, auf Politik und Wirtschaft, die in der Vergangenheit viel kaputt gemacht hätten mit ihrer Art zu wirtschaften – und auf jeden Einzelnen vor Ort. „Jeder kann selbst entscheiden, was er kauft“, sagt sie. 

Während der Jahresversammlung des Arbeitskreises trat sie nicht mehr zur Wahl des Vorstands an – mit dem Versprechen, im Laden präsent zu bleiben. Ein Rückzug aus der Initiative? „Das geht gar nicht“, sagt Christiane von Dreusche, „denn das ist einfach mein Leben.“

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