Serie Europa so nah Eine europäische Freundschaft

Wermelskirchen · Wenn Klaus Flanhardt und Jean-Pierre Grangeret über Europa sprechen, dann geht es auch um Pünktlichkeit.

 Klaus Flanhardt und Jean-Pierre Grangeret zeigen Dokumente von der langjährigen Verbindung zwischen Wermelskirchen und  Loches.  

Klaus Flanhardt und Jean-Pierre Grangeret zeigen Dokumente von der langjährigen Verbindung zwischen Wermelskirchen und Loches.  

Foto: RP/Theresa Demski

Manchmal erwischt sich Klaus Flanhardt dabei, wie er die Reste auf seinem Teller mit einem Stück Brot aufsammelt. Dann muss er ein bisschen lächeln, weil er weiß: Das haben ihm die französischen Freunde beigebracht. Genuss. „Die Deutschen essen, um zu leben. Die Franzosen leben, um zu essen“, sagt Jean-Pierre Grangeret und lacht.

Wer die beiden Vorstandsmitglieder des Vereins „Städtepartnerschaft Loches – Wermelskirchen“ nach Unterschieden zwischen Deutschen und Franzosen fragt, der bekommt Antworten von Fachleuten. Der eine mit deutschen Wurzeln pflegt schon so lange die Freundschaft nach Loches, dass er ausgiebig beobachten und erleben konnte. Und der andere ist gebürtiger Franzose, lebt seit den 1970er Jahren in Deutschland und bezeichnet sich selbst als „bikulturell“. Getroffen haben sie sich im Verein, der die Städtepartnerschaft pflegt. Fünf Monate vor der Europawahl sprechen die beiden über Freundschaften, die keine Grenzzäune mehr kennen, über gutes Essen und gemeinsame Erlebnisse – und eben auch über Unterschiede.

„Die Deutschen sind so pünktlich“, sagt Jean-Pierre Grangeret, „dass sie immer zu früh kommen. Das würden Franzosen nie tun, sie kommen immer später.“ Das haben die beiden bereits bei vielen Treffen in Loches und Wermelskirchen festgestellt. Inzwischen legen sie den Treffpunkt für gemeinsame Ausflüge einfach eine halbe Stunde vor, um gemeinsam starten zu können. Und: „Deutsche sind skeptisch“, hat Grangeret festgestellt. Neues werde vorsichtig beäugt, die Möglichkeit zum Rückzug offen gehalten. „Der Franzose ist offener. Wenn etwas nicht klappt? Pech“, sagt er.

Und was fällt Klaus Flanhardt ein, wenn er an die französischen Freunde denkt: „Ein Abendessen dauert in Frankreich vier Stunden“, sagt er. Und während er selber zum Perfektionismus neige, habe er auf französischer Seite viel Gelassenheit entdeckt: „Die wirkt dann manchmal auch bei mir nach“, sagt er lachend.

Aber eigentlich gehe es heute gar nicht mehr um die Unterschiede. Dafür kenne man sich zu lange. „Es ist eine lebendige Partnerschaft“, sagt Grangeret. Und das bedeutet eben auch, dass sich jedes Jahr eine der Gruppen auf den Weg macht: Waren im vergangenen Jahr die Wermelskirchener in Loches zu Gast, werden die Franzosen in diesem Jahr im Bergischen erwartet. Rund 60 Männer und Frauen reisen dann jeweils – meistens sind auch die jeweiligen Bürgermeister mit dabei. Die Sprache der anderen beherrschen die meisten nur rudimentär. Aber Verständigungsprobleme gibt es trotzdem selten. „Und wir schlafen immer bei Gastfamilien“, erklären die beiden Männer. Schon deswegen sei es mehr als ein touristischer Ausflug. Gemeinsame Unternehmungen in der Region gehören trotzdem zum Pflichtprogramm. „Langsam wird es schwierig, noch neue Ziele zu finden“, sagt Flanhardt.

Schließlich besteht die Partnerschaft seit 45 Jahren. Allerdings würden die Franzosen immer noch ein neues Schloss auftreiben und auch die Wermelskirchener Gastgeber seien kreativ, wenn es um gemeinsame Ziele geht. Inzwischen sind echte Freundschaften entstanden – weit über den Austausch hinaus. Familien besuchen sich gegenseitig, fahren gemeinsam in den Urlaub, organisieren für die Kinder Praktika.

Nur ein Thema, das klammern Gäste und Gastgeber seit jeher aus: die Politik. „Wir fragen nicht und diskutieren nicht“, sagt Flanhardt. Aber gemeinsame schwenken sie die europäische Flagge, wenn sie sich mit Vertretern anderer Nationen in Frankreich treffen. „Es ist wichtig, dass sich Regierungen gut verstehen“, sagt der Wermelskirchener, „aber das reicht nicht. Auch die Menschen müssen sich verstehen und es im Zweifelsfall der Politik vormachen, wie man trotz aller Unterschiede miteinander leben kann.“

Manchmal machen sich Grangeret und Flanhardt Sorgen um die Zukunft, weil sich nur wenige junge Leute finden, die den Austausch mittragen wollen. „Im vergangenen Jahr allerdings waren elf  Teilnehmer zum ersten Mal bei der Fahrt dabei“, sagt Flanhardt, „und die meisten von ihnen sind auch Mitglieder geworden.“ Ganz im Sinne der europäischen Idee.

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