Montagsinterview Brigitte Zemella „Wir müssen schnell handeln“

Wermelskirchen · Die Umweltbeauftragte der Stadt spricht über umweltfreundliche Geschenkverpackungen und wie man weniger Müll produziert.

 Brigitte Zemella mit einigen von ihr selbstgebastelten und umweltfreundlichen Verpackungen.

Brigitte Zemella mit einigen von ihr selbstgebastelten und umweltfreundlichen Verpackungen.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Frau Zemella, haben Sie dieses Jahr schon Weihnachtsgeschenke verpackt?

Brigitte Zemella Nein. Aber ich habe mir schon Gedanken gemacht, wie ich die Geschenke verpacken möchte. Ich werde zum Beispiel Gutscheine verschenken, die sich sehr gut umweltfreundlich und trotzdem schön verpacken lassen.

Wie denn zum Beispiel?

Zemella Zum Beispiel können leere Küchenpapier- oder Toilettenpapierrollen zu praktischen Täschchen umfunktioniert werden. Dazu die Rollen einfach flach zusammendrücken und die Enden einfalten. Mit ein wenig weihnachtlicher Dekoration wie Zapfen, Zweigen oder selbstgemachten Papiersternen hat man so fix eine umweltfreundliche und recyclingfähige Geschenkverpackung. Außerdem möchte ich ausprobieren, aus Zeitungspapier kleine Tüten zu basteln. Aber auch wiederbenutztes Papier vom letzten Weihnachtsfest, Recyclingpapier mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ oder einfaches Packpapier sind gute Alternativen.

Durch Geschenkverpackungen wird viel Müll produziert. Gibt es Zahlen, wie viel das tatsächlich ist?

Zemella Ja, etwa von der Deutschen Umwelthilfe. Die hat Zahlen veröffentlicht, die besagen, dass das Müllvolumen in der Weihnachtszeit um etwa 20 Prozent ansteigt. Rund 8000 Tonnen Geschenkpapier verbrauchen die Deutschen zur Weihnachtszeit jährlich. Das finde ich sehr viel.

Was ist denn eine Alternative zu herkömmlicher Verpackung?

Zemella Viele Alternativen haben die meisten von uns bereits zu Hause. Neben den vorhin erwähnten Gutscheintaschen können Zeitungen oder Magazine verwendet werden. Aber auch ungewöhnlichere Papiermaterialien wie alte, ausrangierte Notenblätter, Straßenpläne und Landkarten lassen sich prima verwenden. Das sieht interessant aus, vor allem, wenn die Papiere hübsch gefaltet sind und mit ein wenig Dekomaterial verziert werden. Schleifen sollten auch nicht aus Plastik sein. Man kann etwa Wolle, Sisal oder auch einfache Stoffbänder verwenden. Wird ein Geschenk mit diesen Utensilien liebevoll verpackt, dann sieht das nicht nur schön aus, es hat einen ganz persönlichen Touch.

In Japan gibt es ja die Tradition des „Furoshiki“.

Zemella Genau, bei der Tradition werden Geschenke in schönen, meist quadratischen Tüchern mit einer speziellen Technik verpackt. Aber das funktioniert auch mit dem Stoff alter Tischdecken oder anderer Stoffreste, die nicht mehr gebraucht werden. Oder – das Kochbuch in ein neues Geschirrtuch verpacken! So wird das eine Geschenk in einem weiteren Geschenk eingepackt.

Ist ein Umdenken im Zuge der Sensibilisierung für Umweltschutz merkbar?

Zemella In meinem Umfeld spüre ich schon, dass das Thema Umweltschutz präsenter geworden ist als beispielsweise noch vor zehn Jahren. Die Klimadiskussion hat einen wichtigen Anstoß dazu gegeben. Es wird vermehrt über Umweltschutz diskutiert, manchmal auch kontrovers, wie beim Fliegen und der Mobilität allgemein. Viele Konsumenten suchen bei Produkten gezielt nach umweltfreundlicheren Alternativen, auch die Werbung verändert sich. Zudem greifen die Medien das Thema Umweltschutz auf. Ich glaube, dass viele Menschen offen dafür sind, in ihrem eigenen persönlichen Bereich Dinge zu ändern.

Haben wir als Gesellschaft zu lange zu sorglos gelebt?

Zemella Meiner Meinung, ja, eindeutig. Umweltschutz und Klimaschutz sind Themen, die bereits 1980er-Jahren intensiv diskutiert wurden. Aktuelle Zahlen zeigen jedoch, dass sich zum Beispiel der Kohlendioxid-Ausstoß in Deutschland noch nicht wie notwendig verringert hat, oder die Menge des Verpackungsmülls sogar weiter steigt. Deshalb ist es so wichtig, mit den notwendigen Änderungen jetzt endlich zu beginnen.

Glauben Sie, Verbote von etwa Plastiktüten oder Kaffeebechern, könnten helfen?

Zemella Ich glaube eher, dass der Preis eine ganz wichtige Stellschraube sein kann. Habe ich eine umweltverträgliche Alternative zum umweltschädigenden Produkt – und die ist preislich sogar günstiger, dann werden die meisten von uns die umweltfreundliche Variante nutzen und Verbote sind überflüssig. Wir haben dazu nach meiner Meinung nicht mehr viel Zeit - wir müssen schnell handeln.

Was kann denn jeder Einzelne zu Hause tun, damit weniger Müll anfällt?

Zemella Einfach wachsam sein und überprüfen, ob man auf Verpackungen verzichten kann. Überall wo es möglich ist, Mehrweg- statt Einwegsystemen nutzen. Angebote annehmen, die es hier vor Ort gibt – wir haben ja in Wermelskirchen seit kurzem einen Unverpackt-Laden. Im Supermarkt können wir auf lose Lebensmittel umsteigen, eine Alternative ist auch der Wochenmarkt. Aber es fängt schon im ganz Kleinen an: Für das Pausenbrot eine wiederverwendbare Brotdose nutzen und nicht die Plastiktüte. Großes Einsparpotenzial bieten Getränke, hier können Einwegprodukte ganz leicht vermieden werden. Leitungswasser ist der ideale Durstlöscher, kostengünstig, sehr hochwertig und umweltfreundlich. Mit einer schönen Trinkflasche – auch das ein Tipp für ein tolles Weihnachtsgeschenk – ist Leitungswasser die optimale Alternative zu Einweggetränken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort