Antrag in Wermelskirchen abgesetzt Die Stadt ist kein „Sicherer Hafen“

Wermelskirchen · Den Antrag auf Solidarisierung mit dem „Bündnis für Menschlichkeit“ nahm eine Mehrheit des Stadtrats von der Tagesordnung. Grund: Die Verwaltung erklärte den Rat für nicht zuständig.

 Demo für den „Sicheren Hafen“ vor der Ratssitzung.

Demo für den „Sicheren Hafen“ vor der Ratssitzung.

Foto: Kathrin Kellermann

Papier ist geduldig, aber es kann eine Position festigen, Grundsätze manifestieren und Wellen schlagen. So geschehen auf der Sitzung des Stadtrats, auf der es in zwei Tagesordnungspunkten um letztlich drei, thematisch in Zusammenhang stehende Papiere ging: Antisemitismus, Rassismus sowie der Umgang mit Menschen auf der Flucht. Da lag zum einen ein Antrag der Zukunft Wermelskirchen-Fraktion zur „Verurteilung jeder Form des Antisemitismus“ und in der Folge ein Gegen-Antrag der SPD mit deutlich erweiterter Formulierung auf dem Tisch. Zum anderen der gemeinsame Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, wonach sich die Stadt Wermelskirchen dem „Bündnis für Menschlichkeit – Sichere Häfen“ (wir berichteten) anschließen soll. Diskussionen lösten alle Papiere aus.

Mit Stimmen von CDU, Büfo, Zukunft, WNKUWG und AfD setzte eine Ratsmehrheit den Antrag „Sichere Häfen“ von der Tagesordnung ab. SPD, Grüne und FDP beharrten hingegen auf ihrem Antrag, obwohl Bürgermeisterin Marion Lück zuvor die Sicht der Verwaltung verdeutlichte: „Juristisch ist der Rat nicht zuständig. Sollte also eine dem Antrag entsprechende Beschlussfassung erfolgen, müsste ich diese beanstanden.“ Sie stellte fest: „Die anderen 253 Kommunen, die sich dem Bündnis angeschlossen haben, haben sich darüber hinweg gesetzt.“ Das sei teils mit „Feigenblatt-Formulierungen“, wie „vorbehaltlich einer Zustimmung des Bundes“, geschehen. Allerdings: Die Bürgermeisterin erkannte an, dass das Thema ein „wichtiges in der Stadtgesellschaft“ sei: „Es sollte ein Gremium außerhalb des Rats gegründet werden, damit zu dem Thema ein Austausch stattfindet.“ Für die SPD hielt Dr. Markus Richert dagegen: „Die eindeutige Nicht-Zuständigkeit ist vielleicht gar nicht so eindeutig. Wir können dem Beispiel der 253 Kommunen, darunter 14 Landeshauptstädte, folgen.“

Durchaus zuständig sei der Stadtrat bei den Anträgen von Zukunft und SPD, so Hauptamtsleiter Jürgen Scholz. Den Zukunft-Antrag „Antisemitismus“ kommentierte SPD-Chef Jochen Bilstein: „Der Antrag fordert etwas, was in der Realität nicht vorkommt, weil Wermelskirchen keinen großen Anteil jüdischer Bürger hat. Antisemitismus ist eine Form von Rassismus, deshalb haben wir einen komplexeren Antrag formuliert.“ Im Papier der Sozialdemokraten heißt es: „Der Rat der Stadt Wermelskirchen als Vertretung der Bürgerschaft dieser Stadt erklärt mit aller Deutlichkeit, dass weder Rassismus, Antisemitismus noch Islam-Feindlichkeit und Diskriminierung in Wermelskirchen einen Platz haben.“ Der Diskussion über Zuständigkeit, die Dr. Christian Klicki (CDU) aufwarf, erteilte Bilstein eine Absage: „Juristerei ist dabei zutiefst unanständig.“ Friedel Burghoff (CDU) betonte: „Die Zuständigkeit ist mir piep-egal, diesem SPD-Antrag können wir nur zustimmen.“ Büfo-Chef Oliver Platt nahm in der Diskussion die AfD ins Visier: „Wer glaubt, dass uns das nichts angeht, der hat auch vor 20 Jahren nicht gedacht, dass wir in Deutschland eine politische Kraft haben, gegen die sich das wendet.“

Er habe wenig Verständnis für das „erneute Postulieren“ in dem SPD-Antrag, sagte Joachim Hans Lietzmann (AfD): „Es bedarf keinen Mut, hinter diesem Antrag zu stehen.“ Diesen hatte Stephan Theil (FDP) gefordert, damit dem Papier zugestimmt werde. Für WNKUWG konstatierte Henning Rehse, dass die Frage der Zuständigkeit und deren Bestätigung durch Jürgen Scholz sehr wohl entscheidend sei: „Wir stehen inhaltlich hinter dem Antrag.“ Klicki betonte: „Wir sollten mehr machen, als nur ein Papier verabschieden, um gegen die Feinde unserer Demokratie vorzugehen – zum Bespiel Aktionen oder Veranstaltungen.“ Daraufhin schallten ihm Zwischenrufe entgegen: „Dann machen.“

Nachdem Andreas Müßener (Zukunft) seinen Antrag zurückgezogen hatte, da sich Zukunft dem SPD-Antrag anschließen könne, wurde das Positionspapier aus der Feder der SPD einstimmig verabschiedet.

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